Es ist ruhig geworden um Corona. Wir müssen keine Maske mehr tragen, keine Einschränkungen mehr befolgen, und wir werden nicht mehr täglich mit Fallzahlen und den dazugehörigen Statistiken bombardiert. Wie sehr der Schein trügt, bringt jetzt eine Umfrage im Auftrag der CSS ans Licht. Die Gesundheitsstudie läuft seit März 2020 und kann somit ein aussagekräftiges Vorher-Nachher-Bild liefern: sie zeigt, wie sich die Einstellungen und der Gesundheitszustand in der Bevölkerung verändert haben, seit Corona unser aller Leben auf den Kopf gestellt hat. Denn die erste Befragung fand gleich vor der ersten grossen Welle statt.
Wie hat sich der körperliche und psychische Zustand der Schweizer Bevölkerung verändert? Wie nehmen die Menschen die Gefahren durch das Virus wahr, und wie gehen sie selber damit um? Die vom Forschungsinstitut Sotomo durchgeführte Untersuchung fokussiert nicht nur auf das Gesundheitsverhalten, sondern ebenso auf das Kranksein als Teil des menschlichen Lebens und geht den damit verbundenen Ängsten und Befürchtungen nach.
Die Umfrage, die im Juni 2022 zum dritten Mal bei über 2100 Personen durchgeführt worden ist, lässt aufhorchen: Obwohl die Pandemie weitgehend aus den Schlagzeilen verschwunden und weniger akut ist, hat sich das allgemeine Gesundheitsempfinden gegenüber den letzten beiden Jahren verschlechtert. Bei der ersten Erhebung im März 2020 zu Beginn der Corona-Pandemie gaben 22 Prozent der Befragten an, dass sie nicht vollständig gesund oder gar krank seien. Im Juni 2022 ist dieser Anteil auf 35 Prozent gestiegen.
Auch die Einstellung zum Virus hat sich verändert: 2020 waren etwas mehr als ein Drittel der Ansicht, dass Pandemien eine grosse Gesundheitsgefahr für die Gesellschaft bedeuten. Heute beträgt dieser Anteil 52 Prozent, obwohl es weniger Todesfälle und weniger schwere Krankheitsverläufe gibt.
Nach zwei Jahren Pandemie fühlt sich die Bevölkerung im Schnitt deutlich kränker. Das Coronavirus wird auch deshalb verstärkt als unsichtbare Bedrohung wahrgenommen, weil mit dem Wegfall der Präventionsmassnahmen und der leichteren Übertragbarkeit zwangsläufig mehr Menschen mit dem Virus in Berührung kommen. Und sie betrifft neu eine Bevölkerungsgruppe besonders, die in den früheren Wellen wenig im Fokus stand: Die Gruppe der 36- bis 65-Jährigen.
Ihr Gesundheitszustand hat sich deutlich verschlechtert. In der akuten Pandemiephase waren sie viel weniger von negativen gesundheitlichen Folgen betroffen. Gleichzeitig hat ein Umdenken stattgefunden: Die Langzeitfolgen von Corona-Erkrankungen werden bedeutend ernster genommen: 44 Prozent der Befragten finden heute, dass Long Covid eher unterschätzt wird, und nur 21 Prozent sind der Ansicht, es werde gesellschaftlich überschätzt. Vor einem Jahr noch war das Verhältnis umgekehrt: Damals fanden 34 Prozent, Long Covid werde aufgebauscht, während 30 Prozent von einer Verharmlosung ausgingen.
Die CSS-Umfrage zeigt also deutlich: Die Pandemie hat sich zu einer schleichenden Belastung für die Volksgesundheit entwickelt. Das hinterlässt auch Spuren in der Psyche: Nur noch 71 Prozent sagen heute von sich, in einer guten psychischen Verfassung zu sein. Schon vor einem Jahr war auffällig, dass junge Frauen am stärksten unter den psychischen Folgen leiden. Das hat sich seit dem letzten Jahr noch verstärkt. Inzwischen bewerten 55 Prozent der jungen Frauen zwischen 18 und 30 Jahren ihr psychisches Wohlbefinden als durchzogen oder schlechter – dabei war dieser Anteil schon 2021 mit 49 Prozent sehr hoch.
Um die gesundheitlichen Folgen der Corona-Pandemie in den Kontext zu setzen und den verschiedenen Ursachen von Krankheit und Gesundheit gerechter zu werden, wirft die Umfrage unter anderem auch ein Schlaglicht auf die Arbeitswelt. Sie beeinflusst die eigene Gesundheit massiv. Auf die Frage, welche Aspekte des eigenen Lebensstils die Gesundheit belasten, nannten am meisten beruflichen Stress (35 Prozent), noch vor Bewegungsmangel (31 Prozent) und Essverhalten (23 Prozent).
Besonders zu denken geben sollte die Tatsache, dass vor allem die jungen Erwachsenen über die berufliche Belastung als Gesundheitsrisiko klagen – zumal diese Generation auch am stärksten unter den psychischen Folgen der Pandemie leidet: Rund 60 Prozent der 18- bis 40-Jährigen nehmen ihren Beruf als ungesunden Stressfaktor wahr, unter anderem auch wegen fehlender Perspektiven und fehlender Wertschätzung, aber auch aufgrund des vorherrschenden Leistungsdrucks.
Die Menschen werden im Durchschnitt immer älter. Wovor fürchten wir uns, wenn es ums Thema Alter geht? Die Studie zeigt, dass vor allem die Sorge vor Demenz die Menschen umtreibt, und zwar quer durch alle Altersklassen hindurch. Prägend für diese Angst sind die Erfahrungen, wenn jemand im eigenen nahen Umfeld an Demenz erkrankt ist. Dann kriegen Angehörige hautnah mit, was es bedeutet, sukzessive die Kontrolle über das Leben zu verlieren – und wie sehr sie selber beansprucht werden. So wird die Angst sogar verdoppelt: Zur Angst vor dem Zerfall kognitiver Fähigkeiten gesellt sich die Angst hinzu, dem Umfeld zur Last zu fallen.
Das sind nur einige der Resultate aus der neuen Gesundheitsstudie. In den nächsten Wochen werden wir in diesem Blog auf verschiedene Punkte genauer eingehen und die Ergebnisse vertiefen.