Schweiz
Coronavirus

So wirkte sich das Behandlungsverbot in der Corona-Pandemie aus

Mitarbeiterinnen organisieren die Apotheke der Abteilung Intensivpflege im HFR Freiburg Kantonsspital, am Donnerstag, 26. November 2020 in Fribourg. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Mitarbeiterinnen im Freiburger Kantonsspital. Auch nach dem Frühlings-Lockdown 2020 mussten noch phasenweise Eingriffe verschoben werden, wie eine Studie zeigt.Bild: keystone

So wirkte sich das Behandlungsverbot in der Corona-Pandemie aus

02.09.2022, 20:54
Mehr «Schweiz»

Weniger Mandelentfernungen und weniger Operationen für neue Knieprothesen: Das zeitweise erlassene Behandlungsverbot während des Corona-Frühlings 2020 hat gemäss einer Studie Wirkung gezeigt. Insgesamt wurden in Schweizer Spitälern ein Drittel weniger stationäre Fälle behandelt.

Hier sind die wichtigsten Fakten im Überblick.

Wann galt das Behandlungsverbot?

Zwischen dem 16. März und dem 26. April 2020 galt für Spitäler schweizweit ein Verbot für «medizinisch nicht dringend angezeigte Untersuchungen und Behandlungen». Wie eine am Freitag vom Schweizerischen Gesundheitsobservation (Obsan) publizierte Studie zeigt, wurden in dieser Zeit zwei Drittel weniger nicht-überlebensnotwendige Eingriffe durchgeführt als im Vorjahr.

Welche Eingriffe gingen am meisten zurück?

Besonders gross war der Rückgang etwa beim Einsatz von Knieprothesen oder bei Operationen eines Hallux. Da betrug der Rückgang über 85 Prozent. Auch auf Mandelentfernungen wurde sehr oft verzichtet, der Rückgang betrug auch etwas über 80 Prozent.

Daneben gab es sogar einen Rückgang bei den mittelfristig oder unmittelbar überlebensnotwendigen Eingriffen. Allerdings sei der Rückgang deutlich geringer gewesen als bei den nicht-überlebensnotwendigen Eingriffen, schreibt Obsan. Bei Blinddarmentfernungen, Operationen von Tumoren oder Krebs liegt der Rückgang im einstelligen Prozent-Bereich, bei stationären Behandlungen wegen Schlaganfällen waren es 14 Prozent weniger.

Und die dringend notwendigen Eingriffe?

Einen besonders grossen Einbruch bei den dringend notwendigen Eingriffen hat es gemäss Obsan mit über 40 Prozent etwa bei den Operationen an den Herzkranzgefässen gegeben, bei denen kein vorausgegangener Herzinfarkt diagnostiziert wurde.

Insgesamt wurde während des «Frühlings-Lockdowns» ein Drittel weniger stationäre Behandlungen durchgeführt. Über das ganze Jahr hinweg waren es sechs Prozent weniger als 2019. Obsan schliesst aus dem «massgeblichen Einbruch» der Fallzahlen während des Frühlings-Lockdowns und dem überdurchschnittliche Rückgang bei nicht überlebensnotwendigen Eingriffen, dass das temporäre Behandlungsverbot wirksam umgesetzt wurde.

Wurde das Verschobene nachgeholt?

Gemäss Obsan sind die wenigsten Eingriffe und Diagnosen bis Ende 2020 kompensiert worden. Fast vollständig nachgeholt wurden vor allem Operationen für Hüft- und Knieprothesen.

Gemäss Obsan ist dies im Vergleich zum Ausland, wo die Patienten zum Teil noch lange auf eine Operation warten müssen, bemerkenswert schnell. Obsan geht davon aus, dass dies einerseits auf einen grossen Mehreinsatz des Personals zurückzuführen ist. Andererseits zeige es auch eine gewisse Reservekapazität in der Orthopädie auf, insbesondere im Sommer.

Etwas aufholen konnten die Ärztinnen und Ärzte ausserdem bei den Prostataentfernungen, diese wurden etwa zur Hälfte aufgeholt. In anderen Fällen, vor allem bei mittelfristig überlebensnotwendigen Eingriffen, wurden auch nach dem Frühling noch weniger Eingriffe durchgeführt, so etwa bei den Operationen an Herzkranzgefässen. Beim Brustkrebs und beim Hirntumor zeigten sich gemäss Obsan per Ende 2020 ähnliche Differenzen wie am Ende des Frühlings-Lockdowns.

Gemäss Obsan mussten die Spitäler auch nach dem Frühlings-Lockdown noch phasenweise Eingriffe verschieben – entweder, weil angenommen wurde, dass Plätze frei gehalten werden müssen oder weil die mögliche Auslastung tatsächlich erreicht wurde.

Und jetzt?

Was die Verzögerungen bei Behandlungen respektive teilweise auch der Verzicht auf Eingriffe für die Gesundheit der betroffenen Patientinnen und Patienten im Einzelnen bedeuten, kann gemäss Obsan aufgrund der vorliegenden Daten nicht beurteilt werden. Dazu brauche es weitere Untersuchungen, die zum Beispiel auch patientenbezogene Informationen zur Lebensqualität einbeziehen.

Die Studie wurde vom Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie (WIG) der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Zusammenarbeit mit Obsan durchgeführt.

Quellen

(dsc/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
«Bleiben Sie zuhause!»: Corona in der Schweiz in Zitaten
1 / 18
«Bleiben Sie zuhause!»: Corona in der Schweiz in Zitaten
Seit einem Jahr dominiert die Corona-Pandemie das öffentliche und private Leben in der Schweiz. Ein Rückblick in 14 Zitaten.
quelle: keystone / peter klaunzer
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Ein Covid-Patient auf der Intensivstation berichtet von seiner Behandlung
Video: youtube
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
19 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Pfirsch
02.09.2022 21:44registriert Januar 2019
Schelm, wer sich fragt, wie viele Operationen nicht durchgeführt oder verschoben wurden, weil sie medizinisch gar nicht angezeigt waren, sondern nur dazu dienen sollten, ein paar Franken zu verdienen.
4614
Melden
Zum Kommentar
avatar
Spin Doctor of Medicine
02.09.2022 22:36registriert August 2019
Und wie steht’s mit der Sterblichkeit?
273
Melden
Zum Kommentar
19
Nationalrat Andreas Glarner will Präsident der Aargauer SVP bleiben

Der Aargauer SVP-Nationalrat Andreas Glarner wird erneut für das Amt des Kantonalpräsidenten kandidieren. Dies teilte die Partei nach einer Sitzung des Kantonalvorstands der Partei mit. Der 62-jährige Politiker war parteiintern wiederholt wegen seines politischen Stils kritisiert worden.

Zur Story