Weniger Mandelentfernungen und weniger Operationen für neue Knieprothesen: Das zeitweise erlassene Behandlungsverbot während des Corona-Frühlings 2020 hat gemäss einer Studie Wirkung gezeigt. Insgesamt wurden in Schweizer Spitälern ein Drittel weniger stationäre Fälle behandelt.
Hier sind die wichtigsten Fakten im Überblick.
Zwischen dem 16. März und dem 26. April 2020 galt für Spitäler schweizweit ein Verbot für «medizinisch nicht dringend angezeigte Untersuchungen und Behandlungen». Wie eine am Freitag vom Schweizerischen Gesundheitsobservation (Obsan) publizierte Studie zeigt, wurden in dieser Zeit zwei Drittel weniger nicht-überlebensnotwendige Eingriffe durchgeführt als im Vorjahr.
Besonders gross war der Rückgang etwa beim Einsatz von Knieprothesen oder bei Operationen eines Hallux. Da betrug der Rückgang über 85 Prozent. Auch auf Mandelentfernungen wurde sehr oft verzichtet, der Rückgang betrug auch etwas über 80 Prozent.
Daneben gab es sogar einen Rückgang bei den mittelfristig oder unmittelbar überlebensnotwendigen Eingriffen. Allerdings sei der Rückgang deutlich geringer gewesen als bei den nicht-überlebensnotwendigen Eingriffen, schreibt Obsan. Bei Blinddarmentfernungen, Operationen von Tumoren oder Krebs liegt der Rückgang im einstelligen Prozent-Bereich, bei stationären Behandlungen wegen Schlaganfällen waren es 14 Prozent weniger.
Einen besonders grossen Einbruch bei den dringend notwendigen Eingriffen hat es gemäss Obsan mit über 40 Prozent etwa bei den Operationen an den Herzkranzgefässen gegeben, bei denen kein vorausgegangener Herzinfarkt diagnostiziert wurde.
Insgesamt wurde während des «Frühlings-Lockdowns» ein Drittel weniger stationäre Behandlungen durchgeführt. Über das ganze Jahr hinweg waren es sechs Prozent weniger als 2019. Obsan schliesst aus dem «massgeblichen Einbruch» der Fallzahlen während des Frühlings-Lockdowns und dem überdurchschnittliche Rückgang bei nicht überlebensnotwendigen Eingriffen, dass das temporäre Behandlungsverbot wirksam umgesetzt wurde.
Gemäss Obsan sind die wenigsten Eingriffe und Diagnosen bis Ende 2020 kompensiert worden. Fast vollständig nachgeholt wurden vor allem Operationen für Hüft- und Knieprothesen.
Gemäss Obsan ist dies im Vergleich zum Ausland, wo die Patienten zum Teil noch lange auf eine Operation warten müssen, bemerkenswert schnell. Obsan geht davon aus, dass dies einerseits auf einen grossen Mehreinsatz des Personals zurückzuführen ist. Andererseits zeige es auch eine gewisse Reservekapazität in der Orthopädie auf, insbesondere im Sommer.
Etwas aufholen konnten die Ärztinnen und Ärzte ausserdem bei den Prostataentfernungen, diese wurden etwa zur Hälfte aufgeholt. In anderen Fällen, vor allem bei mittelfristig überlebensnotwendigen Eingriffen, wurden auch nach dem Frühling noch weniger Eingriffe durchgeführt, so etwa bei den Operationen an Herzkranzgefässen. Beim Brustkrebs und beim Hirntumor zeigten sich gemäss Obsan per Ende 2020 ähnliche Differenzen wie am Ende des Frühlings-Lockdowns.
Gemäss Obsan mussten die Spitäler auch nach dem Frühlings-Lockdown noch phasenweise Eingriffe verschieben – entweder, weil angenommen wurde, dass Plätze frei gehalten werden müssen oder weil die mögliche Auslastung tatsächlich erreicht wurde.
Was die Verzögerungen bei Behandlungen respektive teilweise auch der Verzicht auf Eingriffe für die Gesundheit der betroffenen Patientinnen und Patienten im Einzelnen bedeuten, kann gemäss Obsan aufgrund der vorliegenden Daten nicht beurteilt werden. Dazu brauche es weitere Untersuchungen, die zum Beispiel auch patientenbezogene Informationen zur Lebensqualität einbeziehen.
Die Studie wurde vom Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie (WIG) der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Zusammenarbeit mit Obsan durchgeführt.
(dsc/sda)