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KI-Weisheiten: So spart ihr mit feinem Essen 620 Franken

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KI-Weisheiten: So spart ihr mit feinem Essen 620 Franken

Heute mache ich Speed-Dating mit KIs. Wir schwatzen über Food Waste, Systemprobleme und ethische Aspekte der Lebensmittelverschwendung. Ich hab jetzt eine neue Lieblings-KI-Maschine und ihr könnt hoffentlich Geld sparen.
21.11.2023, 10:24
Sabina Galbiati
Sabina Galbiati
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Södelig, da bin ich wieder, «in alter Frische», wie mein Philosophie-Lehrer im Gymi jeweils zu sagen pflegte. Wir waren sicher nicht die besten Freunde, aber egal.

Heute geht's um die grosse Frage, wie wir es schaffen, Essen zu essen, statt wegzuschmeissen. Etwas, das uns mehr und mehr vor offensichtlich unüberwindbare Herausforderungen stellt.

Denn:

Vielleicht habt ihr es bereits im Beitrag 6,5 Fehler der nachhaltigen Ernährung oder sonst wo gelesen: Jede Person in der Schweiz schmeisst pro Jahr 620 Franken in Form von Essen weg, das eigentlich essbar wäre.

Wir reden hier also nicht über Fischgräten und Bananenschalen.

Wir reden von 620 Franken, die allein im Haushalt im Güsel landen. Hinzu kommen die verlorenen Nahrungsmittel auf dem Feld, beim Transport, in der Lebensmittelindustrie, im Detailhandel und in den Restaurants. Von dort bis in unseren Abfalleimer zu Hause läppert sich das zu einem Drittel aller Lebensmittel, die weggeschmissen werden.

Nun dachte ich mir, weil sich KI gerade zur Mutter aller Intelligenz mausert, frage ich einfach mal ChatGPT, Bard und Bing Chat, was wir denn tun sollen; wie um Himmels willen können wir das Essen endlich wieder essen, statt es wegzuschmeissen?

Und ja, mir ist natürlich bewusst, dass Chatten mit KI einen Riesenhaufen Energie frisst. Deshalb belasse ich es bei diesem Experiment und lasse meine Heizung für den Rest des Winters zwei Grad tiefer laufen – Privatkompensation sozusagen.

Zurück zum Food Save!

Es ist ein bisschen wie beim Speed-Dating

Ich stelle also allen dreien die gleiche Aufgabe. «Schreib eine Liste mit 10 Tipps, wie ich Food Waste vermeiden kann.» Die Antworten kommen schnell wie der Wind.

Bing Chat (eigentlich sowas wie das Baby von ChatGPT) schreibt: «Ich freue mich, dass du dich für das Thema Food Waste interessierst. Hier sind 10 Tipps, wie du Lebensmittelverschwendung vermeiden kannst.» Dagegen antwortet Bard eher distanziert: «10 Tipps, um Food Waste zu vermeiden», lautete die Einleitung. ChatGPT, der/die/das quasi die Matrix von Bing ist, schlägt einen leicht unterwürfigen Ton an: «Natürlich! Hier sind 10 Tipps, wie du Food Waste vermeiden kannst.»

Das Übliche und viel Dummes

Was die Tipps angeht, überschneiden sich die drei Anwärter:innen teils. Das hängt vermutlich vom Datensatz ab, mit dem ihre «Hirnchen» gefüttert werden.

Die Standardtipps zuerst

Alle drei empfehlen: Plane deine Mahlzeiten für die kommenden Tage und erstelle eine Einkaufsliste. Oder alternativ: Plane deine Einkäufe und kaufe nur so viel wie nötig. Zusätzlich: Vermeide Impulskäufe (Bing Chat).

Bard: «Wenn Sie hungrig einkaufen gehen, ist die Gefahr gross, dass Sie zu viel einkaufen. Essen Sie daher vor dem Einkauf etwas oder gehen Sie mit einem vollen Magen einkaufen.» Wieso Bard mich siezt, weiss ich nicht. Aber jä nu.

Ich soll bei frischen Lebensmitteln nur kleine Mengen kaufen, damit ich sie innert nützlicher Frist verbrauchen kann, rät mir ChatGPT.

Bing Chat: «Lagere Obst und Gemüse getrennt, um zu vermeiden, dass sie sich gegenseitig schneller reifen lassen.» Gemeint ist wohl, dass gewisse Obstsorten das Reifegas Ethylen ausstossen, was alles rundherum schneller reifen lässt. Zu den Ethylenproduzenten gehören Äpfel, Birnen, Bananen, Avocados, Feigen, Kiwis, Melonen, Nektarinen und eine ganze Liste weiterer Früchte. Beim Gemüse schlagen hauptsächlich Tomaten (eigentlich auch eine Frucht) oben aus. Hier findet ihr einen ausführlichen Artikel zum Thema.

Wie genau ich die ganzen Lebensmittel im Kühlschrank lagern soll, bleibt ein Geheimnis. Oder dann findet Bard: «Informieren Sie sich über die richtige Lagerung von Lebensmitteln.» Cool, danke für nichts, Bard!

Ich helfe mal kurz aus: Lebensmittel richtig lagern

5 oder 7 Grad oder weg mit dem Fleischvorrat

Ich erinnere mich, dass im letzten Herbst/Winter plötzlich ein Hickhack entbrannte, weil sich Detailhändler:innen und Bund uneinig waren, ob man wegen des drohenden Strommangels den Kühlschrank auf fünf oder sieben Grad einstellen soll. Fünf Grad steht auf den Fleischverpackungen. Online wird meist sieben Grad in der Mitte des Kühlschranks empfohlen. Das spart auf die Schweiz, Europa, die Welt hochgerechnet sehr viel Energie. Diese Fachsimpelei kann man bestens umgehen, wenn man Fleisch nicht im Kühlschrank hortet, sondern vorzu kauft, was man die nächsten zwei, drei Tage verbraucht. Da sind wir dann wieder bei den Anfangs-Tipps.

Leider erhalte ich keine Erklärung zum Unterschied zwischen Mindesthaltbarkeitsdatum und «Zu verbrauchen bis»-Datum. Ist etwas «Mindestens haltbar bis …», kann man es noch darüber hinaus verwenden. Wie lange? Unter folgendem Link könnt ihr ein wunderhübsches, sexy-buntes Poster von foodwaste.ch herunterladen und euch beispielsweise an den Kühlschrank hängen.

So machen wir das aber nicht, ChatGPT

«Zu verbrauchen bis …» heisst übrigens nicht, dass diese Lebensmittel, egal ob Fleisch, Fisch, Eier oder Käse, an besagtem Datum um Punkt Mitternacht anfangen zu schimmeln und die Bakterien plötzlich eine Party feiern. Trotzdem wird empfohlen, solche Lebensmittel entweder vor Ablauf zu essen oder einzufrieren oder dann nach dem Ablaufdatum wegzuschmeissen. Ich nehme mal an, dass ChatGPT mir deshalb rät: «Überprüfe regelmässig deinen Kühlschrank und deine Speisekammer, um abgelaufene oder verdorbene Lebensmittel zu erkennen und zu entsorgen.»

Du Totsch müsstest schreiben: « (...) um Lebensmittel zu kochen oder essen, bevor sie ablaufen oder verderben». Mann, ChatGPT, du tscheggsch ja auch überhaupt nichts!

Reste verwerten für Dummys

Alle drei raten mir, ich solle übriggebliebene Lebensmittel zu etwas Neuem verkochen. ChatGPT und Bing Chat finden Suppen, Aufläufe, Salate oder Pfannengerichte eine gute Möglichkeit. Bing Chat empfiehlt mir zudem das Einfrieren.

Bard: «Reste können Sie oft noch weiterverwenden. Es gibt viele Rezepte für Restegerichte.» Einmal mehr, danke für nichts!

Was Bard wohl meinen würde, wenn er (?) intelligent wäre: Ihr könnt euch Rezepte mit übriggebliebenen Zutaten generieren lassen. Zum Beispiel bei Zu gut für die Tonne oder bei Restegourmet.

Es gibt verschiedene Kochbücher für die Reste-Küche. Zum Beispiel Über Reste und zu Taten, Restenlos glücklich oder Restenlos geniessen. Vielleicht wäre das ja ein nützliches Weihnachts- oder Geburtstagsgeschenk?

Lieber einfach statt einmal die Woche

Für Leute, die notorisch zu viel kochen, oder gerade auch für Familien mit Kindern ist oftmals die einfachste Lösung, die Reste am nächsten Tag aufzuwärmen und zusätzlich zum Neugekochten aufzutischen. Vom berühmten Restess-Tag einmal die Woche bin ich nicht restlos überzeugt, weil das gekochte Zeugs auch nicht ewig hält und nach fünf, sechs Tagen einfach nicht mehr so amächelig ist.

Hingegen ist es sehr entstressend, wenn ihr am Montag die feinen Reste vom Wochenende aufbrauchen könnt, statt schon wieder zu kochen.

Sie mögen's möglichst hässlich, regional und saisonal

Bard und Bing Chat finden, ich solle regionales und saisonales Obst und Gemüse kaufen. Und Bard schreibt: «Ausserdem ist es weniger lange haltbar, sodass Sie es eher verbrauchen werden.»

Bard, du Witzbold, du, solchen Humor hätte ich dir gar nicht gegeben.

Aber gell Bard, du weisst schon, dass es nicht darum geht? Oder? Oder?!

Frag doch mal Bing Chat, Bard. Der/die/das schreibt dazu: «Wenn du Lebensmittel kaufst, die aus deiner Region kommen und gerade Saison haben, unterstützt du die lokale Landwirtschaft und reduzierst den Transport- und Kühlbedarf. Ausserdem schmecken regionale und saisonale Lebensmittel oft besser und sind gesünder.»

Ob sie gesünder sind? Das können wir bei Gelegenheit in einem anderen Artikel erörtern. Aber was auch Bing nicht schnallt: Während der Saison fallen grössere Mengen der jeweiligen Sorte an. Importiertes Zeug zu kaufen, während es vom heimischen fast schon zu viel gibt, verursacht Food Waste. Daher kann ein Saisonkalender am Kühlschrank durchaus Lebensmittel retten.

Die beiden raten mir darüber hinaus, unperfektes und hässliches Obst und Gemüse zu kaufen. Bing Chat empfiehlt mir auch gleich Läden, wo ich mich mit derlei Früchten und Gemüse eindecken kann. Nur leider befinden sich «SirPlus» und «Querfeld» in Deutschland.

Natürlich gäbe es auch in der Schweiz zahlreiche Essensretter-Angebote. Zum Beispiel bei Ugly Fruits, Grassrooted oder Good Market. Auch für andere Lebensmittel gibt es Angebote wie die Äss-Bar oder Madame Frigo. Allerdings könnten wir mehr Food Waste vermeiden, wenn wir im System selbst etwas ändern, statt nur die «hässlichen Symptome» zu futtern.

Und plötzlich spricht mir Bing Chat aus dem Herzen

«Engagiere dich. Wenn du aktiv etwas gegen Food Waste tun willst, kannst du dich einer Organisation oder Initiative anschliessen, die sich für die Reduzierung von Lebensmittelverschwendung einsetzt. Du kannst zum Beispiel bei Foodwaste.ch oder Slow Food mitmachen oder eine eigene Aktion starten.

Bilde dich weiter. Informiere dich über das Thema Food Waste und die Folgen für die Umwelt, die Gesellschaft und die Wirtschaft. Du kannst zum Beispiel Dokumentationen anschauen, Bücher lesen oder Podcasts hören. Du kannst auch an Workshops oder Veranstaltungen teilnehmen, um mehr zu lernen und dich mit anderen auszutauschen.

Lerne, deine Lebensmittel richtig zu schätzen. Lebensmittel sind nicht nur Produkte, die du konsumierst, sondern auch das Ergebnis von viel Arbeit, Ressourcen und Liebe. Versuche, dich bewusst zu ernähren und jeden Bissen zu geniessen. Sei dankbar für das, was du hast, und respektiere die Menschen, die deine Lebensmittel produzieren.»

Auch wenn es für meinen Geschmack schon etwas arg viel Gschpürsch mi ist, finde ich die letzten drei Abschnitte, die Bing Chat da so lockerlässig hinwirft, ziemlich nahe am Nagel auf den Kopf. Sie sprechen aus meiner Sicht den eigentlichen Kern des Food-Waste-Problems an:

Den meisten von uns ist der Bezug zur Lebensmittelproduktion abhandengekommen. Was hat eine Instantsuppe noch mit dem Acker vom Hans-Heiri und seiner Arbeit auf dem Feld zu tun? Welchen Wert hat eine Birne, die Monate lang am Baum gewachsen ist, nachdem der Baum seinerseits schon einige Jahre gewachsen ist? Welcher Mensch in Ghana hat die Kakaobohnen produziert, die im Bequemlichkeits-Food-Chübeli mit ein bitz Fertig-Schoggimousse stecken?

Ich weiss es nicht!

Ich bin jetzt einem Gemeinschaftsgarten-Verein beigetreten. Ich will einen Bezug zu den Lebensmitteln herstellen, die ich konsumiere. Wenn auch nur in begrenztem Rahmen.

Seit einigen Jahren versuche ich zudem möglichst Bio-Lebensmittel zu kaufen, mit dem psychologischen Nebeneffekt, dass ich die Produkte mehr wertschätze, zum einen, da sie teurer sind, zum anderen steckt meist mehr Arbeit drin.

Mit den Worten von Bing Chat: «Ich hoffe, diese Tipps helfen dir, Food Waste zu vermeiden. Wenn du noch Fragen hast, kannst du mich gerne fragen. 😊» (Also Bing, nicht mich, aber Obacht: Das frisst unheimlich viel Energie.)

PS: Mein Ziel, in diesem Blog mindestens einmal irgendwo eine random Katze auf dem Bild zu haben, habe ich erreicht!

Und zum Schluss nach dem Schluss noch zwei hilfreiche Links:

Und zum Schluss nach dem Schluss nach dem Schluss:

Hebed üch Sorg, schreibt eure Anti-Food-Waste-Tipps in die Kommentare und esst genüsslicher! Ich wickle mich derweil in eine Wolldecke ein. Bis bald!

Über die Autorin

Sabina Galbiati ...
… schreibt als Journalistin und Autorin seit ein paar Jährchen über alles, was es zum Thema Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz so zu schreiben gibt – vor allem Tipps. Vor kurzem ist ihr Buch «101 Antworten für deinen nachhaltigen Alltag» erschienen. Es liefert zu elf verschiedenen Bereichen unseres Alltags praktische Tipps und Infos rund ums Thema nachhaltiger leben. Ihr Blog basiert auf dem Buch und ist quasi ein Remake, Best-of, Spin-off etc. davon. Weil ihre Gspänli und alle anderen immer wissen wollen, wie sie es selbst so mit der Nachhaltigkeit hält, hier noch ein paar Facts: Sie isst seeehr selten tierische Produkte (beim Käse fällt es ihr unglaublich schwer). Sie besitzt kein Auto, weil sie sich das ganze Drumrum sparen will. Sie lebt in einer 30-Quadratmeter-Wohnung (leider mit Gasheizung). Sie hat keine Kids, aber nicht wegen des Klimas. Sie kauft extrem selten neue Kleider oder anderes Zeug, weil dafür die Wohnung zu klein ist und sie zu faul.
Sabina Galbiati
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