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Sekten und die Kirche tun sich Abtreibungen schwer – und mit deren Befürwortern

Priests during an ordination ceremony of the Society of St Pius Xin in Econe, in the southwestern part of Switzerland, on Friday, June 27, 2014. 8 fundamentalist priests and 7 deacons have been induct ...
Priester der stockkonservativen Piusbruderschaft in Ecône VS (2014).Bild: KEYSTONE
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Abtreibungen sind des Teufels – glauben fromme Christen

Sie beten gegen Abtreibungsärzte. Manchmal morden sie auch.
03.06.2017, 08:1723.12.2019, 08:35
Hugo Stamm
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Sie kamen immer am Freitag, dem 13. Die Frommen der Piusbruderschaft, der erzkonservativen katholischen Sekte, einer Priestervereinigung mit Zehntausenden von Anhängern. Ihr Treffpunkt war die Kapelle des Lausanner Universitätsspitals. Dort beteten sie zu Gott, er möge den Gynäkologen das Handwerk bei Abtreibungen legen.

Nun hat die Spitalleitung reagiert, und die radikalen Abtreibungsgegner aus dem «Tempel» geworfen. Wie einst Jesus die Pharisäer.

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Für christliche Fundis aller Couleur ist Abtreibung Mord. Nicht alle mögen es in der Öffentlichkeit so radikal formulieren, die meisten empfinden es aber so. Die Frommen verschiedener freikirchlicher Denominationen, katholische Traditionalisten und christliche Sekten.

Für sie sind Ärzte, die Abtreibungen vornehmen, des Teufels. Für manche gar Massenmörder. Gott hat es gegeben – das Leben –, Gott wird es nehmen, glauben sie. Betroffene Ärzte greifen in ihren Augen in Gottes Schöpfung ein und verstossen – angeblich – gegen das wohl wichtigste Gebot: Du sollst nicht töten.

Weltfremde christliche Fundis

Nun ist für die katholischen Priester der Piusbrüder fertig mit Beten im Lausanner Spital. Das ist gut so. Ein wichtiges Signal. Es zeigt den Fundis, dass sie religiöse Prämissen nicht über das säkulare Leben stellen können. Und dass unser Alltag so weit wie möglich nach Vernunftskriterien organisiert wird und nicht nach verqueren Glaubensgrundsätzen.

Das verbotene Betritual zeigt aber auch das kindliche Gottesverständnis der Piusbrüder. Sie glauben, Gott werde ihr Gebet erhören und den Gynäkologen in den Arm fallen, bevor sie weitere Abtreibungen vornehmen.

Oder sie hoffen, Gott gebe den Ärzten dank ihrer Fürbitte die Eingebung oder Einsicht, dass Abtreibungen tatsächlich Morde seien. Was dazu führen sollte, dass sie das Fachgebiet wechseln oder keine Abtreibungen mehr vornehmen. Mit Sicherheit allerdings zeigen die Gebetsaktionen die heillose religiöse Verblendung und Weltfremdheit der christlichen Fundis.

Hugo Stamm live
Am Donnerstag, 8. Juni, ist Hugo Stamm live in Zürich zu sehen. Er tritt im Miller's Studio als Gast der österreichischen Kabarettisten Science Busters in deren Programm «Wer nichts weiss, muss alles glauben» auf. Hugo Stamm wird vom Lichtfasten und von Scientology erzählen.
Mehr Infos gibts hier.

Märsche, Vorstösse, eigene Kasse

Die Piusbrüder sind aber nicht die einzigen, die sich gegen Abtreibungen wehren. Jedes Jahr veranstalten Vertreter von Freikirchen und katholische Fundis den sogenannten «Marsch fürs Läbe». Mit Protesten und Demonstrationen in Zürich oder Bern kämpfen bis zu 3000 Fromme vor allem gegen die Abtreibungspraxis in der Schweiz. Mitglied der Bewegung sind auch die beiden Parteien EDU und EVP.

Eine Teilnehmerin der Kundgebung "Marsch fuers Laebe" haelt ein Kreuz, am Samstag, 17. September 2016 auf dem Bundesplatz in Bern. Der Marsch fuers Laebe gegen Abtreibungen wird regelmaessig ...
Konservative Christen demonstrieren gegen Abtreibung: «Marsch fürs Läbe», 17. September 2016 in Bern. Bild: KEYSTONE
Gegner der Kundgebung "Marsch fuers Laebe" stehen hinter einer Absperrung, am Samstag, 17. September 2016 auf dem Baerenplatz in Bern. Der Marsch fuers Laebe gegen Abtreibungen wird regelmae ...
Abtreibungsbefürworter nehmen die Kirche auf die Schippe: Gegendemonstration, 17. September 2016 in Bern.Bild: KEYSTONE

Die gleichen Kreise haben auch eine Initiative mit dem Titel «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache» lanciert, über die wir vor drei Jahren abgestimmt haben. Die Initianten wollten verbieten, dass Krankenkassen Abtreibungen übernehmen dürfen. Das Verdikt war eindeutig: 70 Prozent der Stimmenden verwarfen das Begehren.

Passantinnen gehen an einem Plakat mit der Aufschrift "Abtreibung selber zahlen-JA" der Befuerworter der Abtreibungsfinanzierungsinitiative vorbei, aufgenommen am Sonntag, 12.Januar 2014, in ...
Fundis machen mobil: Abstimmungskampf vor dem Urnengang 2014 (hier in Brüttisellen ZH). Bild: KEYSTONE

Eine besonders originelle Lösung haben christliche Kreise ersonnen und die Krankenkasse Pro Life aufgebaut. Diese weigert sich, Abtreibungen zu übernehmen. Begründung: «Unser Ziel ist es, Abtreibungen und jegliche Angriffe auf unschuldiges, wehrloses Menschenleben undenkbar zu machen.» Ein weitere weltfremde Aktion radikaler Christen.

Auch Rom tut sich schwer

Wie schwer sich auch die katholische Kirche mit Abtreibungen tut, demonstrierte Papst Franziskus im Herbst 2015. Er verkündete, seine Priester dürften ein Jahr lang den Sünderinnen vergeben, die abgetrieben haben. 2016 modifizierte er die Bedingungen und verlängerte die Frist.

Wie weit der glaubensbedingte Hass auf abtreibende Ärzte geht, demonstrierten schon mehrfach christliche Fundamentalisten in den USA, die kaltblütig Abtreibungsärzte verfolgten und hinrichteten.

In this 1994 photo, Dr. George Tiller speaks during a news conference in Wichita, Kan. Tiller, one of the nation's few providers of late-term abortions despite decades of protests and attacks, wa ...
George Tiller, das Opfer... Bild: AP
FILE - In this July 7, 2016 file photo, Scott Roeder appears in court in Wichita, Kan. Roeder, who was convicted in 2010 in the murder of Kansas abortion provider George Tiller, will have to serve at  ...
... und sein Mörder, Scott Roeder.Bild: AP

Das bekannteste Opfer war 2009 der prominenteste Abtreibungsarzt George Tiller. Er wurde ausgerechnet während eines Gottesdienstes in einer lutheranischen Kirche vom Abtreibunsgegner Scott Roeder erschossen.

Für Fundis sind offensichtlich auch die Gebote Gottes relativ: Um einem vermeintlichen Massenmörder das Handwerk zu legen, dürfen sie das Gebot Gottes ausser Kraft setzen und selbst zum Mord schreiten.

Dabei vergessen die überfrommen Christen, die sie sich bei ihren ethisch-moralischen Aktionen stets auf die Bibel berufen, dass Abtreibungen weder im Alten noch im Neuen Testament thematisiert sind.

Hugo Stamm; Religionsblogger
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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259 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Baba ♀️
03.06.2017 12:52registriert Januar 2014
Wenn sich all' diese Abtreibungsgegner dann konsequenterweise für die geborenen Kinder und deren Mütter einsetzen würden... Aber die sind dann wieder Privatsache 😕.
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Tepesch
03.06.2017 11:55registriert Oktober 2015
Abtreibungen gab es schon immer und wird es auch weiter geben, unabhängig davon ob es das Gesetzt verbietet oder nicht. Die Frage sollte sich daher weniger um die Abreibung an sich drehen, sondern viel mehr darum, ob wir betroffenen Frauen einen legale Rahmen bieten wo mit ärztlicher Hilfe die Abtreibung durchgeführt wird, oder ob es wieder so wie früher sein soll, wo viele Frauen in Folge der Abteibung starben.
Die aktuelle Regelung ist ein guter Kompromis der allen Seiten genügen sollte.
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DerTaran
03.06.2017 11:39registriert Oktober 2015
Ich bin Atheist, aber dass fromme Menschen gegen Abtreibung sind, kann ich nachvollziehen. Ich glaube, dazu muss man weder gläubig noch Fundamentalist sein.
Für mich ist jede Abtreibung traurig, aber ich masse mir keine Entscheidung an, wann sie gerechtfertigt ist und wann nicht. Das kann nur die Schwangere.

Wenn man viele Abtreibungen verhindern wollte, dann müsste man eigentlich nur alleinstehenden Müttern ein (finanziell) sorgenfreies Leben ermöglichen, aber das ist selbst (gerade?) den konservatievsten Christen zu teuer.
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