Sie kamen immer am Freitag, dem 13. Die Frommen der Piusbruderschaft, der erzkonservativen katholischen Sekte, einer Priestervereinigung mit Zehntausenden von Anhängern. Ihr Treffpunkt war die Kapelle des Lausanner Universitätsspitals. Dort beteten sie zu Gott, er möge den Gynäkologen das Handwerk bei Abtreibungen legen.
Nun hat die Spitalleitung reagiert, und die radikalen Abtreibungsgegner aus dem «Tempel» geworfen. Wie einst Jesus die Pharisäer.
Für christliche Fundis aller Couleur ist Abtreibung Mord. Nicht alle mögen es in der Öffentlichkeit so radikal formulieren, die meisten empfinden es aber so. Die Frommen verschiedener freikirchlicher Denominationen, katholische Traditionalisten und christliche Sekten.
Für sie sind Ärzte, die Abtreibungen vornehmen, des Teufels. Für manche gar Massenmörder. Gott hat es gegeben – das Leben –, Gott wird es nehmen, glauben sie. Betroffene Ärzte greifen in ihren Augen in Gottes Schöpfung ein und verstossen – angeblich – gegen das wohl wichtigste Gebot: Du sollst nicht töten.
Nun ist für die katholischen Priester der Piusbrüder fertig mit Beten im Lausanner Spital. Das ist gut so. Ein wichtiges Signal. Es zeigt den Fundis, dass sie religiöse Prämissen nicht über das säkulare Leben stellen können. Und dass unser Alltag so weit wie möglich nach Vernunftskriterien organisiert wird und nicht nach verqueren Glaubensgrundsätzen.
Das verbotene Betritual zeigt aber auch das kindliche Gottesverständnis der Piusbrüder. Sie glauben, Gott werde ihr Gebet erhören und den Gynäkologen in den Arm fallen, bevor sie weitere Abtreibungen vornehmen.
Oder sie hoffen, Gott gebe den Ärzten dank ihrer Fürbitte die Eingebung oder Einsicht, dass Abtreibungen tatsächlich Morde seien. Was dazu führen sollte, dass sie das Fachgebiet wechseln oder keine Abtreibungen mehr vornehmen. Mit Sicherheit allerdings zeigen die Gebetsaktionen die heillose religiöse Verblendung und Weltfremdheit der christlichen Fundis.
Die Piusbrüder sind aber nicht die einzigen, die sich gegen Abtreibungen wehren. Jedes Jahr veranstalten Vertreter von Freikirchen und katholische Fundis den sogenannten «Marsch fürs Läbe». Mit Protesten und Demonstrationen in Zürich oder Bern kämpfen bis zu 3000 Fromme vor allem gegen die Abtreibungspraxis in der Schweiz. Mitglied der Bewegung sind auch die beiden Parteien EDU und EVP.
Die gleichen Kreise haben auch eine Initiative mit dem Titel «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache» lanciert, über die wir vor drei Jahren abgestimmt haben. Die Initianten wollten verbieten, dass Krankenkassen Abtreibungen übernehmen dürfen. Das Verdikt war eindeutig: 70 Prozent der Stimmenden verwarfen das Begehren.
Eine besonders originelle Lösung haben christliche Kreise ersonnen und die Krankenkasse Pro Life aufgebaut. Diese weigert sich, Abtreibungen zu übernehmen. Begründung: «Unser Ziel ist es, Abtreibungen und jegliche Angriffe auf unschuldiges, wehrloses Menschenleben undenkbar zu machen.» Ein weitere weltfremde Aktion radikaler Christen.
Wie schwer sich auch die katholische Kirche mit Abtreibungen tut, demonstrierte Papst Franziskus im Herbst 2015. Er verkündete, seine Priester dürften ein Jahr lang den Sünderinnen vergeben, die abgetrieben haben. 2016 modifizierte er die Bedingungen und verlängerte die Frist.
Wie weit der glaubensbedingte Hass auf abtreibende Ärzte geht, demonstrierten schon mehrfach christliche Fundamentalisten in den USA, die kaltblütig Abtreibungsärzte verfolgten und hinrichteten.
Das bekannteste Opfer war 2009 der prominenteste Abtreibungsarzt George Tiller. Er wurde ausgerechnet während eines Gottesdienstes in einer lutheranischen Kirche vom Abtreibunsgegner Scott Roeder erschossen.
Für Fundis sind offensichtlich auch die Gebote Gottes relativ: Um einem vermeintlichen Massenmörder das Handwerk zu legen, dürfen sie das Gebot Gottes ausser Kraft setzen und selbst zum Mord schreiten.
Dabei vergessen die überfrommen Christen, die sie sich bei ihren ethisch-moralischen Aktionen stets auf die Bibel berufen, dass Abtreibungen weder im Alten noch im Neuen Testament thematisiert sind.
Die aktuelle Regelung ist ein guter Kompromis der allen Seiten genügen sollte.
Für mich ist jede Abtreibung traurig, aber ich masse mir keine Entscheidung an, wann sie gerechtfertigt ist und wann nicht. Das kann nur die Schwangere.
Wenn man viele Abtreibungen verhindern wollte, dann müsste man eigentlich nur alleinstehenden Müttern ein (finanziell) sorgenfreies Leben ermöglichen, aber das ist selbst (gerade?) den konservatievsten Christen zu teuer.