Der Vatikan kritisiert in einem Grundsatzpapier eine «Gender-Ideologie, die den Unterschied und die natürliche wechselseitige Ergänzung von Mann und Frau leugnet». So hält es ein neues Dokument der Bildungskongregation fest, das Vatican News am Montag veröffentlicht hat.
Das Papier ist vor allem an die Schulen gerichtet. Der Titel lautet denn auch: «Männlich und weiblich erschuf er sie: Für einen Weg des Dialogs bei der Genderfrage in der Schule».
Der Vatikan stört sich besonders am Menschenbild, das in Schulen transportiert werde. Es stehe aber dem Glauben und der richtig geleiteten Vernunft entgegen. Die anthropologische Desorientierung habe dazu beigetragen, die Familie zu schwächen.
Der Vatikan beklagt auch die Tendenz, «die Unterschiede zwischen Mann und Frau auszulöschen, indem man sie als blosse historisch-kulturelle Konditionierung versteht». Wer für eine Gesellschaft ohne Geschlechtsunterschiede eintrete, «zerstört die anthropologische Basis der Familie».
Aus dem Papier geht auch hervor, dass die obersten katholischen Hirten glauben, die Natur kenne eigentlich nur zwei Geschlechtsformen: weiblich und männlich. Das bedeutet, dass alle Genderformen oder Geschlechtsidentitäten quasi persönliche Vorlieben sein sollen.
Es geht also primär um die Familie, die für die konservative Kurie aus Mann und Frau besteht. Und nur aus diesen. So sieht es angeblich die Schöpfung vor. Der Begriff Gender werde von der subjektiven Haltung der Person abhängig gemacht, die auch ein Geschlecht wählen könne, das nicht ihrer biologischen Sexualität entspreche, heisst es im Papier.
Übersetzt bedeutet dies: Die verschiedenen sexuellen Neigungen sind Modeströmungen oder Mainstream-Kultur. Und somit nicht naturgegeben, sondern abartig.
So direkt schreibt es der Vatikan natürlich nicht, weil sonst ein Sturm der Entrüstung losbrechen würde. In der Quintessenz läuft es aber darauf hinaus. Das Papier spricht vom Körper als blosser Materie. Wer in dieser Frage den menschlichen Willen als oberste Instanz sehe, fördere eine kulturelle und ideologische Revolution. Unter Freiheit verstehe man heute, dass jeder machen könne, was er wolle.
Dann folgt der ganz grosse Sündenfall: Dieses Oszillieren zwischen männlich und weiblich sei eine blosse Provokation. Deshalb empfiehlt die Bildungskongregation den Betroffenen therapeutische Interventionen. Konkret: Schwule, Lesben und Transsexuelle sollen ihre «Abartigkeit» wegtherapieren.
Mit diesem Papier diskriminiert der Vatikan wieder einmal breite Bevölkerungsschichten, die sexuell anders empfinden als die Mehrheit. Doch diese Gender-Formen sind keine Modeströmung, wie die Kurie behauptet, sondern Teil der «Schöpfung», um es in der Sprache des Vatikans zu formulieren.
Wer behauptet, besondere sexuelle Empfindungen liessen sich wegtherapieren oder gar ausmerzen, hat ein religiös-ideologisches Brett vor dem Kopf und stigmatisiert und verletzt Millionen von Menschen. Man kann angesichts dieser Haltung nur froh sein, dass der Bedeutungsverlust der katholischen Kirche weiter wächst.
Weil die Kirche an Macht verloren hat, können sich endlich alle outen und ihre wahre Identität finden und leben. Der Gleichheitsgedanke, der sich immer tiefer in der Gesellschaft verankert, lässt sich nicht weiter von der Kirche unterdrücken.
Wie viel die Stimme des Vatikans in den westlichen Ländern noch wert ist, zeigt sich bei der Abtreibung und der Empfängnisverhütung. Kaum eine Frau oder ein Paar hält sich an die unsinnigen und entmündigenden «Gebote» der katholischen Kirche.
Sie kann sich auch in der Genderfrage querstellen. Die Wirkung wird bescheiden bleiben.
Es geht nicht darum, eine Gesellschaft ohne (Geschlechts)–Unterschiede zu verwirklichen.
Es geht um die Anerkennung von Diversität.
Es geht um Menschenrechte.
Warum darf der Vatikan ohne Sanktionen und ungestraft solche Hetze verbreiten?