Welche Kompetenzen sind künftig im Arbeitsmarkt gefragt? Dieser Frage ging eine Studie des Verbandes FH Schweiz und der Zürcher Gesellschaft für Personal-Management (ZGP) nach, an der 10'000 Personen teilgenommen haben. Dabei wurde unter anderem gefragt, welche Kompetenzen heute und in fünf Jahren als am wichtigsten erachtet werden. Und hier fällt auf, dass die Sozialkompetenz die Fachkompetenz an der Spitze ablösen wird, glaubt man den Teilnehmenden. Für über 40-Jährige ist die Sozialkompetenz bereits heute am wichtigsten. Dr. Barbara Aeschlimann ist Geschäftsführerin der ZGP und verfügt über langjährige Führungserfahrung im HR. Sie ordnet die Ergebnisse ein.
Wie erklären Sie, dass der Sozialkompetenz mit zunehmendem Alter der Befragten mehr Gewicht beigemessen wird?
Ich sehe zwei Hintergründe, zum einen bei der Ausbildung. Dort lag und liegt der Schwerpunkt noch stark bei den Sach- und Fachkompetenzen. Zum anderen verschiebt sich mit der persönlichen und beruflichen Reife die eigene Wahrnehmung: Ältere Arbeitnehmende haben gewisse Fertigkeiten erworben, beweisen und umsetzen können und realisieren, dass daneben für ein erfolgreiches Berufsleben auch ganz viel Sozialkompetenz gefragt ist. Ich wehre mich deshalb gegen die Sicht, dass Fachkompetenz grundsätzlich nicht wichtig sei, es ist eine Frage der Perspektive.
Kann es sein, dass es den Menschen auch eingeredet wird? Die Digitalisierung rückt das Menschliche wieder in den Vordergrund, heisst es oft.
Ja, diesen Eindruck habe ich ein wenig. Man liest es im Moment überall. Tatsache ist aber, dass auch heute noch ohne Fachkompetenz nichts läuft. Innovationen werden nach wie vor durch die Fachkompetenz des Menschen mitgeprägt. Und man kann schon auch festhalten, dass dort, wo vieles über Maschinen oder Algorithmen läuft, das Menschliche unter konkurrierenden Unternehmen den Unterschied macht. Also zum Beispiel der persönlich geprägte Service.
Kann man sich Sozialkompetenz aneignen?
Ja sicher. Ich denke an das altbewährte Rezept der Vorbilder. Dazu hilft einschlägige Literatur und vor allem Selbstreflexion. Ein gutes Beispiel, um sich darin zu üben, ist ein Klassiker im Führungsumfeld: Das Überbringen einer schlechten Nachricht. Das ist deshalb so besonders schwierig, weil man sie immer auch auf sich bezieht und Mitleid statt Empathie entwickelt. Was, wenn ich so schlechte Noten erhalten oder den Job verlieren würde? Die meisten machen damit irgendwann einmal Erfahrungen. Führungskräfte sowieso. Die eigene Befangenheit zu überwinden ist gewissermassen die Königsdisziplin.
Welche ist Ihrer Erfahrung nach die wichtigste Sozialkompetenz?
Es ist wohl die berühmte Kommunikation: frei nach Watzlawick: Man kann nicht nicht kommunizieren. Kommunikation ist die umfassendste und vor allem fassbarste Sozialkompetenz. Vielleicht ist es eine Unterstellung, aber es hat wohl auch damit zu tun, dass kommunikative Menschen scheinbar einfacher einzuordnen sind als eher introvertierte. Es macht sie greifbarer, berechenbarer. Das entlastet Führungskräfte zu einem gewissen Teil, kann aber auch trügerisch sein. Als Führungsperson sollte man sich schon für die Leute interessieren.
Gemäss der Studie wird bei der Führungskompetenz am meisten Handlungsbedarf verortet. Warum?
Bei Umfragen in Unternehmen gibt es immer zwei Evergreens: Die Kommunikation muss besser werden, sowie die Führung (lacht). Diese implizite Erwartung an die Führung ist immer vorhanden. Aber ich glaube auch, dass sich die Erwartung an Führung allgemein in den letzten Jahren sehr stark verändert hat. Wir haben Unternehmen, die noch stark hierarchisch geprägt sind, während auch viele neue Modelle ausprobiert werden, zum Beispiel Holokratie oder Soziokratie. «Führung» an sich ist im Moment in einer Findungsphase. Die Pandemie hat sicher auch ihren Teil dazu beigetragen. So hat das Homeoffice wohl viel Gutes ausgelöst und die Führungsfrage nochmals zusätzlich ins Rampenlicht gestellt, bisherige Führungsmodelle hinterfragt. Auch die Wichtigkeit des Themas Vertrauen hat zugenommen.
Sozialkompetenz wird heute auch in Stellenanzeigen verlangt. Aber wie kann ich einem potenziellen Arbeitgeber bei einer Bewerbung vermitteln, dass ich darüber verfüge?
Da muss ich vorausschicken: Teilweise ist es schon fast zu einer leeren Phrase in den Stellenanzeigen geworden und ich bin mir wirklich nicht ganz sicher, ob sich die Arbeitgeber immer so viel überlegen dabei. Wenn sie etwa «Teamfähigkeit und Flexibilität» verlangen, denke ich, heisst das wohl öfters übersetzt einfach: «Bitte mach keine Troubles». Und wenn Sozialkompetenz gar als absolutes Nonplusultra herausgestrichen wird, kann ich es kaum ernst nehmen. Falls dort nicht explizit beschrieben ist, was gemeint ist, würde ich den Bewerbenden ans Herz legen, sich die Mühe zu machen und zu überlegen, was gemeint sein könnte aufgrund der Stelle. Oft kann man seine Kompetenzen dann anhand des eigenen Lebenslaufs belegen, also anhand von beruflichen Stationen. Vielleicht musste man einst beim Job im Call Center den Kunden Empathie entgegenbringen. Wenn man den eigenen Werdegang analysiert, findet man plötzlich erstaunlich viel. Das kann man übrigens auch im Motivationsschreiben sehr gut rüberbringen. Oft wird ja gesagt, das Motivationsschreiben sei tot. Ich finde überhaupt nicht. Es ist noch der einzige lebendige Teil einer Bewerbung!
Dann ging oft schon das Rumgeeiere los … und ich wusste, dass das ein Schleudersitz ist. Noch ein paar Höflichkeiten und raus vor die Tür und sich freuen, dass man in dem Laden NICHT dabei sein muss 😅.