Wie feindliche Drohnen abgefischt statt abgeschossen werden können
Es gibt den Spruch, Feuer solle man mit Feuer bekämpfen, und genau gleich verhält es sich bei Drohnen.
Zwar können Kantonspolizisten versuchen, bedrohliche unbemannte Flugobjekte vom Boden aus mit einer Art Strahlenkanone zu stoppen. Doch als Rundumschutz für grossflächige Gebiete wie etwa die Landesflughäfen taugen solche Störsignal-Gewehre nicht.
Um einen sicheren zivilen Luftverkehr zu gewährleisten und kostspielige Sperrungen des Luftraums zu vermeiden, gibt es bessere technische Lösungen.
Und damit sind wir bei der Ukraine. Sie verfügt über eine unschätzbare Expertise, was den Einsatz und die Abwehr von Drohnen betrifft. Dies gilt insbesondere auch für den Schutz von kritischer Infrastruktur.
watson hat sich auf Spurensuche begeben.
Warum ist das wichtig?
Drohnen-Sichtungen über Flughäfen verursachen Betriebsausfälle und verunsichern die Bevölkerung. Die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft haben es offensichtlich in den letzten Jahren verpasst, wirksame Abwehrmassnahmen umzusetzen. Zwar werden in den geschützten Luftraum eindringende Drohnen zumindest erkannt, sodass Alarm geschlagen werden kann. Doch bei der Bekämpfung wirken die Behörden machtlos, was wiederum Frust und Unverständnis auslöst.
Wichtig: Auch wenn die bislang gesichteten Flugkörper nicht mit Sprengstoff bestückt waren und wieder spurlos verschwanden, sind es Angriffe, die nicht verharmlost werden dürfen. Sie betreffen den Luftverkehr und damit eine Lebensader jeder modernen Gesellschaft. In Fachkreisen ist von kritischer Infrastruktur die Rede. Wenn sie ausfällt, haben wir ein gröberes Problem.
Noch sind die Ursprünge und Verantwortlichen hinter den sich häufenden Drohnen-Vorfällen nicht bekannt. Doch es deutet alles auf Russlands hybride Kriegsführung gegen wichtige Ukraine-Unterstützer hin.
Tech-Journalist Lukas Mäder von der «Neuen Zürcher Zeitung» (NZZ) brachte es in einer Ende September veröffentlichten Analyse auf den Punkt:
- Der Kreml versuche mit Sabotage- und Störaktionen in ganz Europa, die Bevölkerung zu verunsichern, um das Vertrauen in die Politik zu erschüttern. «Das beeinflusst im äussersten Fall die politischen Entscheide zugunsten Russlands oder stärkt in den Wahlen russlandfreundliche rechte Parteien.»
- Die verdeckten Operationen sollen die Kosten für die betroffenen Länder erhöhen. «Gelingt es Russland, diesen Aufwand als Folge der Unterstützung für die Ukraine darzustellen, verändert das möglicherweise die Haltung der Politiker.»
- Drohnen-Überflüge können aber auch für Spionage und das Austesten des Gegners dienen. Sie legen Schwachstellen in der Verteidigung offen.
- Schliesslich versuche der Kreml, mit solchen Operationen seine Macht zu demonstrieren. Weil es Wladimir Putin weiterhin nicht gelingt, die Ukraine militärisch zu besiegen, setzt er auf Geheimdienst-Tricks. «Die Aktionen erscheinen zwar als aggressiv, liegen aber noch deutlich unterhalb der Kriegsschwelle. Das erschwert dem Westen, angemessen zu reagieren.»
Das Fazit des NZZ-Journalisten:
Die neue amerikanische Aussenpolitik unter Donald Trump dürfte dazu beigetragen haben. Umso entscheidender ist, dass Europa geeint bleibt.»
Die Schweiz gehört zu den Ukraine-Unterstützern und tut gut daran, ihre eigene kritische Infrastruktur gegen Drohnen-Attacken zu wappnen.
Worauf kommt es bei der Drohnenabwehr an?
Zunächst gilt es, einen Begriff zu erklären: «C-UAS» steht für den englischen Fachbegriff «Counter-Unmanned Aircraft Systems». Es handelt sich um eine Reihe von Technologien und Geräten, die dazu dienen, nicht autorisierte oder unerwünschte Drohnen zu erkennen, zu identifizieren, zu verfolgen und zu neutralisieren.
Weltweit liefern sich private und staatliche Rüstungsunternehmen einen Wettstreit darum, wer die besten und gleichzeitig bezahlbaren C-UAS entwickelt und mit kommerziellen Lösungen Milliarden verdient.
Das gemeinnützige deutsche Medienhaus Correctiv hat Anfang Oktober über Abwehrkonzepte berichtet, die derzeit von deutschen Behörden entwickelt werden, um Drohnen-Attacken auf Flughäfen abzuwehren.
Die wichtigsten technischen Mittel sind demnach:
- «Jamming» meint das Stören der Funksignale durch tragbare Störsender: Die Drohne kann dann vom Angreifer nicht mehr gesteuert und zum Landen gebracht werden. Nachteil: Dies kann auch andere funkbasierte Systeme stören oder wirkungslos sein, wenn die Drohne vorab via Flugweg programmiert wurde.
- «Spoofing» bezeichnet die Manipulation der Drohne durch vorgetäuschte Steuersignale oder gefälschte GPS-Signale. Nachteile: Dies klappe nur bei Funkfernsteuerung beziehungsweise bei Nutzung von GPS und könne auch andere Systeme beeinträchtigen.
- Abschiessen ist rund um Flughäfen, zu Friedenszeiten, nicht sinnvoll. Die kinetischen Geschosse könnten andere Flugzeuge treffen, zudem stürzen sie letztlich unkontrolliert zu Boden. Aber auch herunterfallende Drohnenteile könnten Schäden anrichten.
- Flugabwehrraketen kommen eigentlich nur während kriegerischen Konflikten infrage und sind bei Mini-Drohnen überhaupt nicht sinnvoll.
- Laser- und Ultraschallwaffen: Solche Systeme sind bislang kommerziell noch kaum verfügbar. Auch hier besteht grundsätzlich Gefahr durch herabstürzende Drohnen. Weitere Probleme: Bei Lasern drohe Blendgefahr durch reflektierte und gestreute Strahlung. Zudem müsse das Ziel während längerer Zeit getroffen werden, um es auszuschalten. Und Mikrowellen können Herzschrittmachern schaden.
- Abfangdrohnen: Das Rammen des Ziels ist in Friedenszeiten wegen drohender Kollateralschäden durch herunterstürzende Trümmer nicht angebracht. Deutlich vielversprechender sind Lösungen, bei denen das Ziel mithilfe eines Netzes gestoppt wird.
Warum sind Drohnen das beste Abwehrmittel?
Das US-Rüstungsunternehmen Fortem Technologies hat eine innovative Abfangdrohne entwickelt, die kleine und grössere Drohnen in der Luft neutralisieren kann und praktisch keine Kollateralschäden anrichtet.
Die Dronehunter F700 ist ein mit Netzen bewaffnetes Fluggerät, das automatisch das Ziel anvisiert und ausschaltet. Zur Zielerkennung wird ein Radar-System genutzt, während die integrierte künstliche Intelligenz die Abfangeffizienz optimieren soll, indem sie die beste Position und den besten Angriffswinkel berechnet.
Bei einer anfliegenden fremden Drohne steigt die Dronehunter auf, bringt sich automatisch in Position und fängt den unerwünschten Flugkörper durch Herausschiessen eines Kunststoffnetzes ein.
Interessant aus Schweizer Sicht: Die Abfangdrohnen funktionieren gemäss Versprechen des Herstellers auch nachts und trotz Regen, Schnee oder Nebel.
Auch für Starrflügler
Im Sommer 2021 führten die Fortem-Ingenieure gemäss eigenen Angaben Feldtests mit einem neuen Aufsatz für die Dronehunter durch. Das Gerät namens Drogue Net ermöglicht es der Abfangjäger-Drohne, Drohnen zu bekämpfen, die grösser sind als sie selbst. Dazu gehören auch Starrflügler-Drohnen der Gruppe 2.
Solche deutlich grösseren Flugobjekte als die handelsüblichen Mini-Drohnen kommen in der Regel in Kriegsgebieten zum Einsatz, sie könnten aber auch bei den jüngeren Drohnen-Vorfällen in Dänemark und allenfalls in weiteren Ländern eine Rolle gespielt haben.
Beim Abfangen der grösseren Fluggeräte sorgt ein Fallschirm dafür, dass sie nicht einfach abstürzen und am Boden Kollateralschäden verursachen.
Bereits 2021 wurde die KI-gestützte Abfangdrohne am Flughafen Oslo in Norwegen getestet. Laut Hersteller wurde bewiesen, dass die Dronehunter auch in komplexen Umgebungen wie einem Flughafen sicher und effektiv funktioniere. Und: Keine manuell gesteuerte Drohne könne dem autonomen, radargesteuerten System das Wasser reichen, wenn es darum gehe, kleine Drohnen und grössere Starrflügeldrohnen abzuwehren.
Das US-Unternehmen erklärt auf seiner Dronehunter-Website, warum es die eigenen Abfangdrohnen für geeigneter hält als herkömmliche Störsender.
Die meisten Terroristen oder andere Akteure, die Schaden anrichten oder echte kriminelle Aktivitäten begehen wollen, verwenden handelsübliche Drohnen, die nicht störanfällig sind. Sie verwenden Drohnen, die so konfiguriert sind, dass sie nach GPS-Wegpunkten fliegen.»
Im Juni dieses Jahres kündigte Fortem Technologies zudem an, die Kapazität der eigenen Produktionsanlagen zu verdoppeln, um die weltweite Nachfrage nach Anti-Drohnen-Systemen abzudecken.
Was kostet das?
Für das Dronehunter-System gibt es keinen einsehbaren Listenpreis. Der Gesamtpreis bemisst sich je nach Konfiguration, Sensorik, Software, Zubehör, Training und Support. Öffentlich genannte Richtwerte aus aktuellen Berichten liegen bei rund 160'000 US-Dollar für eine einzelne Abfangdrohne (ohne Gesamtsystem).
Sicher ist: Sollte Russland (oder ein anderer Demokratiefeind) die hybride Kriegsführung fortführen oder gar verstärken und den Luftverkehr mit Angriffen lahmlegen, könnten die Kosten ein Vielfaches betragen.
Was lernen wir von der Ukraine?
Im Januar 2023 finanzierte die ukrainische Regierung mittels Crowdfunding den Kauf von sechs Drohnen des Typs Dronehunter F700 von Fortem Technologies und setzte sie in der Nähe von Kraftwerken ein.
In einem im November desselben Jahres veröffentlichten Essay lobte der damalige ukrainische Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj die US-Technologie. Der erfahrene Militär bezeichnete die «Jagddrohnen mit Fangnetzen an Bord» als Nummer zwei auf seiner Prioritätenliste für die Wiedererlangung der Luftüberlegenheit.
Noch im gleichen Jahr veröffentlichte der staatliche Grenzschutzdienst der Ukraine ein Video, das zeigte, wie den Grenzbeamten beigebracht wird, eine «Drohne zu bedienen, die andere Drohnen fängt».
So funktioniert die Dronehunter bei den Ukrainern:
Wichtig zu wissen: Die Ukraine kaufte die Drohnen direkt beim Hersteller, statt sie im Rahmen ausländischer Hilfspakete zu erhalten. Der Geschäftsführer von Fortem Technologies, Jon Gruen, sagte 2023, der Einsatz auf dem Schlachtfeld in der Ukraine habe dazu beigetragen, die Produkte seines Unternehmens zu verbessern.
Eine der wichtigsten Modifikationen bestand gemäss dem damaligen Bericht bei «Defense One» darin, die Widerstandsfähigkeit der Drohnen gegen russische elektronische Kriegsführung zu verbessern. Der US-Hersteller musste seine Abfangjäger-Drohnen ausserdem so anpassen, dass sie die über 180 Kilogramm schweren Shahed-Drohnen ausschalten können.
Dürfen Drohnen in der Schweiz abgeschossen werden?
Ja. Aber nur im absoluten Notfall. Dies geht aus der Antwort des Bundesrates auf eine Anfrage des Nationalrates Lukas Reimann im Mai 2025 hervor.
Auf die Frage des SVP-Politikers, ob es eine Gesetzesänderung brauche, «damit sowohl Polizei als auch Armee auch ausserhalb von Notständen illegale Drohnen abschiessen können», erklärte die Regierung:
Der Waffeneinsatz gegen eine Mikro- oder Mini-Drohne ausserhalb einer Notwehr- oder Notstandssituation, ohne Abklärung der genauen Umstände und unter Inkaufnahme von Kollateralschäden, ist jedoch nicht verhältnismässig. Eine Anpassung der Rechtsgrundlagen ist somit nicht nötig.»
Was ist mit den Schweizer Flughäfen?
Rund um die Schweizer Landesflughäfen gelten bekanntlich Flugverbots-Zonen für Drohnen und andere unbemannte Flugobjekte. Auf Anfrage von watson präzisiert das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL):
Aber wie wird dieses Verbot durchgesetzt?
Dazu verweist der BAZL-Sprecher auf die zuständigen kantonalen Behörden und erklärt:
Der Flughafen Zürich verfügt gemäss Berichten über ein elektronisches Drohnenabwehrsystem, das von der Swisscom betrieben wird. Der Name «Drone Defence» ist allerdings insofern irreführend, als feindliche Fluggeräte zwar erkannt, aber nicht sofort gestoppt werden.
«Der Einsatz aktiver Gegenmassnahmen erfolgt ausschliesslich mit behördlicher Genehmigung», heisst es auf der entsprechenden Swisscom-Website. Als konkrete Abwehrmassnahmen gegen Drohnen werden «Jamming» (siehe Punkt 2) und «Cyber-Takeover» genannt.
Letzteres meint die Möglichkeit, eine Drohne zu entschärfen, indem man sich als Kontrollstation ausgibt und die Steuerung übernimmt. Dazu muss man sich jedoch in die Drohnen-Systemsoftware hacken und sie dazu bringen, sich von der legitimen Steuerung zu lösen.
Die Kantonspolizei Zürich, die im Ernstfall für das Neutralisieren von Drohnen zuständig wäre, wollte sich auf Anfrage «aus polizeitaktischen Gründen» nicht zu ihren technischen Einsatzmitteln äussern.
Was tut die Armee?
Die Schweizer Armee hat das Bundesamt für Rüstung mit der Beschaffung von neuen Drohnen-Abwehrsystemen beauftragt, wie am Freitag mitgeteilt wurde. Diese Systeme sollen dann auch bei Einsätzen zugunsten ziviler Behörden eingesetzt werden können.
Quellen
- correctiv.org: Nach neuen Drohnensichtungen: Länder feilen an Abwehrkonzepten (Okt. 2025)
- nzz.ch: Russland greift den Westen mit Drohnen an. Das sind die Gründe für Moskaus hybriden Krieg (Sept. 2025)
- deseret.com: The next generation of high-tech warfare is being built in Utah (Juni 2025)
- parlament.ch: Interpellation Lukas Reimann: Umgang mit verdächtigen Drohnen über Waffenplätzen, Militäranlagen sowie kritischer Infrastruktur (Mai 2025)
- defenseone.com: A drone-maker’s dilemma illustrates Ukraine’s struggle to get key arms (2023)