«Drohnen-Attacke» gegen Dänemarks kritische Infrastruktur – das steckt dahinter
Der gesamte Flugverkehr am Flughafen Kopenhagen musste am Montagabend wegen unbekannter Drohnenaktivitäten für mehrere Stunden eingestellt werden. Auch der Flughafen Oslo war wegen angeblicher Drohnenaktivitäten vorübergehend geschlossen.
Alles blickt nach Russland, aber der Kreml bestreitet, etwas mit den Vorfällen zu tun zu haben.
watson hat sich auf Spurensuche begeben.
Warum gerade Dänemark?
Anhand der öffentlich bekannten Informationen muss davon ausgegangen werden, dass Dänemark ein neues Hauptziel in Wladimir Putins hybridem Krieg gegen die europäischen Ukraine-Unterstützer ist.
Unter der Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hat die dänische Regierung die Bemühungen massiv verstärkt, der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen das imperialistische Russland zu helfen.
- Ein Anfang September vorgestellter Plan soll es ukrainischen Rüstungsunternehmen ermöglichen, in Dänemark militärische Güter zu produzieren.
- Dies bedeutet, dass die von der Ukraine benötigten Waffen fernab von der Bedrohung durch russische Angriffe hergestellt werden können.
- Dänemark ist ein NATO-Mitgliedsstaat und damit durch das transatlantische Verteidigungsbündnis geschützt. Mit einem Militärangriff würde Putin eine entschiedene Antwort des Bündnisses riskieren.
- Für das Förderprogramm «Build for Ukraine» stellt Dänemark 50 Millionen Dollar bereit.
Das Ganze geschieht alles andere als uneigennützig. Für Dänemark und seine Verbündeten biete die Kooperation die Gelegenheit, vom einzigartigen militärischen Know-how der Ukraine zu profitieren. Diese Erkenntnisse sind von unschätzbarem Wert, wenn man nur schon die innovativen ukrainischen Drohnen-Entwickler nimmt.
Am vergangenen Mittwoch kündigte die dänische Ministerpräsidentin Frederiksen zudem an einer viel beachteten Medienkonferenz einen «Paradigmenwechsel» an, was die eigene Landesverteidigung betrifft. Demnach beschafft die dänische Armee zwecks militärischer Abschreckung – sprich: wegen Russland – Langstrecken-Präzisionswaffen, die Ziele über das NATO-Gebiet hinaus erreichen und zerstören könnten.
Die «Neue Zürcher Zeitung» schrieb vom grössten Waffenkauf in der Geschichte des kleinen Landes, das gut sechs Millionen Einwohner zählt. In diesem Jahr gebe Dänemark erstmals über drei Prozent seines Bruttoinlandproduktes für die Verteidigung aus.
Dazu erklärte der dänische Sicherheitsexperte Peter Viggo Jakobsen:
Professor Peter Viggo Jakobsen lehrt an der dänischen Militärakademie und ist laut Bericht auf die dänische Verteidigungspolitik spezialisiert. Er sagte weiter:
Das Problem: Wie in der friedensverwöhnten Schweiz wurden zuletzt auch in Dänemark kritische Stimmen laut, die das militärische Aufrüsten verurteilten.
Was wissen wir (noch) nicht zur Drohnen-Attacke?
Die grösste dänische Tageszeitung «Jyllands-Posten» begleitet die aktuellen Ereignisse und hielt nach einer Medienkonferenz am Dienstagmorgen fest:
- Wir wissen nicht, woher die Drohnen kamen.
- Wir wissen nicht, um welche Art von Drohnen es sich handelt.
- Wir wissen nicht, wie viele Drohnen es genau waren.
- Wir wissen nicht, wen die Polizei hinter dem «Angriff» vermutet.
- Wir wissen nicht, wie die Behörden versucht haben, die Drohnen vom Flughafen-Perimeter wegzuschaffen.
Was spricht gegen Russland als Angreifer?
Die russische Regierung bestreitet eine Beteiligung an den Drohnen-Aktivitäten über dem Flughafen Kopenhagen.
Der russische Botschafter in Dänemark, Wladimir Barbin, liess verlauten:
Versucht der diplomatische Vertreter Putins damit, den Verdacht auf die Ukraine zu lenken?
Sicher ist: Die ukrainische Regierung unter Präsident Wolodymyr Selenskyj wäre sehr dumm, ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt einen kriminellen Akt gegen das wichtige Unterstützerland Dänemark zu begehen.
Was spricht dafür, dass Putin verantwortlich ist?
1. Frühere und aktuelle Drohungen
Unmittelbar nach der oben erwähnten Medienkonferenz, in der die dänische Regierung letzte Woche die Beschaffung von Langstrecken-Raketen ankündigte, meldete sich Russlands Botschafter in Dänemark zu Wort und drohte indirekt mit einer Reaktion des Kremls.
Die dänische Oppositionspolitikerin Francisca Rosenkilde sagte nun in einer aktuellen Stellungnahme:
Schon zuvor hatte Russland damit gedroht, westliche Ziele anzugreifen, und etwa erklärt, dass es alle Stützpunkte ins Visier nehmen könnte, auf denen die F-16-Kampfflugzeuge der Ukraine stationiert sind.
2. Die dänische Ministerpräsidentin scheint sich ziemlich sicher ...
Auf die Frage eines Journalisten, ob sie Russland hinter der jüngsten Drohnen-Aktivitäten vermutet, sagte Mette Frederiksen zurückhaltend:
Sie rief in Erinnerung, dass es in jüngster Zeit russische Drohnen über Polen und Rumänien gegeben habe und dass am Freitag drei russische Kampfflugzeuge den estnischen Luftraum verletzt hätten.
Laut der Politikerin ist das Motiv, das hinter der Störung des dänischen Luftraums steckt, «offensichtlich»: Den Tätern gehe es darum, Unruhe zu stiften, zu verunsichern und herauszufinden, wie weit sie gehen können.
3. Die EU-Kommission positioniert sich ebenfalls so
Ein Sprecher in Brüssel erklärte:
4. Es waren wohl Profis am Werk
Gemäss den bislang verfügbaren Informationen waren es keine Amateure mit kleinen Quadrocoptern.
Jens Jespersen, Polizeichef in Kopenhagen:
Dänische Augenzeugin:
Der dänische Justizminister Peter Hummelgaard:
5. Dänemarks Inlandsgeheimdienst vermutet hybride Aktion
Für Terrorismusabwehr und Staatsschutz ist in Dänemark der Inlandsgeheimdienst PET zuständig – die Behörde wird auch Nachrichtendienst der Polizei bezeichnet. Dessen Chef Flemming Drejer erklärte am Dienstag, es könnte sich bei den Drohnen-Aktivitäten um hybride Kriegsführung handeln. Seine Behörde betrachte den Fall im «Rahmen dessen, was um uns herum geschieht» und im Lichte der Tatsache, dass Dänemark derzeit einer «hohen» Sabotagegefahr ausgesetzt sei.
Sicher ist: Wladimir Putin lässt seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, 2022, geheimdienstliche Attacken gegen die Unterstützer-Länder in Europa ausführen. Zum hybriden Krieg, den Russland gegen zahlreiche Staaten führt, gehören Desinformations-Kampagnen, Sabotageakte und andere perfide Aktionen, die die Bevölkerung verunsichern sollen.
Ziel ist es, demokratisch gewählten Regierungen zu schaden und rechte Parteien an die Macht zu bringen, die sich auf Kuschelkurs mit dem Kreml befinden.
Was ist mit den Drohnen-Aktivitäten in Norwegen?
Die norwegische Justiz- und Katastrophenschutzministerin Astri Aas-Hansen erklärte öffentlich, dass die norwegischen Behörden die Vorfälle am Flughafen Gardermoen ernst nehmen. Sie fügte aber hinzu, dass «keine Anzeichen für einen Zusammenhang mit den Vorfällen in anderen Ländern» festgestellt worden seien.
Laut dem norwegischen Staatssender NRK hat die norwegische Polizei zwei Ausländer – singapurische Staatsangehörige – festgenommen, die eine Drohne über der Festung Akershus steuerten, in der sich das Hauptquartier der norwegischen Streitkräfte und des Verteidigungsministeriums befindet.
Wie geht es weiter?
Dänemark wird am Freitag an einem Treffen mit dem EU-Verteidigungskommissar Andrius Kublius über die Verteidigung der EU gegen Drohnen teilnehmen, wie die britische Tageszeitung «The Guardian» berichtet. Auch Bulgarien, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Polen und Rumänien nehmen laut Bericht daran teil.
Entlang der Ostflanke der Europäischen Union soll ein Drohnenabwehrsystem – eine sogenannte Drohnenmauer – errichtet werden, um Russland von der Verletzung des gemeinsamen Luftraums abzuhalten.
Der dänische Justizminister Peter Hummelgaard sagte am Dienstag, dass die Drohnenaktivitäten über dem Kopenhagener Flughafen die Notwendigkeit eines schlagkräftigen Geheimdienstes unterstreichen.
Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen vertrat die Ansicht, dass Dänemark in Zukunft «robuster» gegen Bedrohungen durch Drohnen agieren müsse. Dazu könne auch der Kauf von «Störgeräten» gehören.
Das vorläufig letzte Wort hat die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen:
Quellen
- jyllands-posten.dk: Live-Ticker der grössten dänischen Tageszeitung zu den Drohnen-Aktivitäten
- nzz.ch: Drohnen legen Flugverkehr in Kopenhagen und Oslo lahm (23. Sept.)
- businessinsider.com: Ukraine is starting to move weapons production into NATO, where Russia's missiles can't reach it without risking all-out war (18. Sept.)
