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Analyse: «Drohnen-Attacke» gegen Dänemarks kritische Infrastruktur

epa12399414 The police and members of the Danish Security and Intelligence Service (PET) inspect an area at DSB on Kystvejen near Copenhagen Airport in Copenhagen, Denmark, 23 September 2025. Drones w ...
Verstärkte Sicherheitsvorkehrungen in der Nähe des Kopenhagener Flughafens.Bild: keystone
Analyse

«Drohnen-Attacke» gegen Dänemarks kritische Infrastruktur – das steckt dahinter

Das kleine Dänemark mausert sich zur wichtigen Ukraine-Unterstützerin und kündigt an, wegen der Bedrohung durch Russland massiv aufzurüsten. Dann kommt es plötzlich zu bedrohlichen Vorfällen.
23.09.2025, 16:5825.09.2025, 06:47

Der gesamte Flugverkehr am Flughafen Kopenhagen musste am Montagabend wegen unbekannter Drohnenaktivitäten für mehrere Stunden eingestellt werden. Auch der Flughafen Oslo war wegen angeblicher Drohnenaktivitäten vorübergehend geschlossen.

Alles blickt nach Russland, aber der Kreml bestreitet, etwas mit den Vorfällen zu tun zu haben.

watson hat sich auf Spurensuche begeben.

Warum gerade Dänemark?

epa12399276 Prime Minister Mette Frederiksen holds a doorstep at Christiansborg Palace and comments on drone activity at Copenhagen Airport, in Copenhagen, Denmark, 23 September 2025. Drones were spot ...
Die dänische Ministerpräsidentin gilt als entschlossene Unterstützerin der Ukraine.Bild: keystone

Anhand der öffentlich bekannten Informationen muss davon ausgegangen werden, dass Dänemark ein neues Hauptziel in Wladimir Putins hybridem Krieg gegen die europäischen Ukraine-Unterstützer ist.

Unter der Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hat die dänische Regierung die Bemühungen massiv verstärkt, der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen das imperialistische Russland zu helfen.

  • Ein Anfang September vorgestellter Plan soll es ukrainischen Rüstungsunternehmen ermöglichen, in Dänemark militärische Güter zu produzieren.
  • Dies bedeutet, dass die von der Ukraine benötigten Waffen fernab von der Bedrohung durch russische Angriffe hergestellt werden können.
  • Dänemark ist ein NATO-Mitgliedsstaat und damit durch das transatlantische Verteidigungsbündnis geschützt. Mit einem Militärangriff würde Putin eine entschiedene Antwort des Bündnisses riskieren.
  • Für das Förderprogramm «Build for Ukraine» stellt Dänemark 50 Millionen Dollar bereit.

Das Ganze geschieht alles andere als uneigennützig. Für Dänemark und seine Verbündeten biete die Kooperation die Gelegenheit, vom einzigartigen militärischen Know-how der Ukraine zu profitieren. Diese Erkenntnisse sind von unschätzbarem Wert, wenn man nur schon die innovativen ukrainischen Drohnen-Entwickler nimmt.

Am vergangenen Mittwoch kündigte die dänische Ministerpräsidentin Frederiksen zudem an einer viel beachteten Medienkonferenz einen «Paradigmenwechsel» an, was die eigene Landesverteidigung betrifft. Demnach beschafft die dänische Armee zwecks militärischer Abschreckung – sprich: wegen Russland – Langstrecken-Präzisionswaffen, die Ziele über das NATO-Gebiet hinaus erreichen und zerstören könnten.

Die «Neue Zürcher Zeitung» schrieb vom grössten Waffenkauf in der Geschichte des kleinen Landes, das gut sechs Millionen Einwohner zählt. In diesem Jahr gebe Dänemark erstmals über drei Prozent seines Bruttoinlandproduktes für die Verteidigung aus.

Dazu erklärte der dänische Sicherheitsexperte Peter Viggo Jakobsen:

«Wenn Russland Raketen aus einer Entfernung von 1000 Kilometern auf das NATO-Gebiet abfeuert, braucht man eine Langstrecken-Präzisionsrakete, um den Abschussort zu treffen, bevor weitere Raketen gestartet werden.»
quelle: nzz.ch

Professor Peter Viggo Jakobsen lehrt an der dänischen Militärakademie und ist laut Bericht auf die dänische Verteidigungspolitik spezialisiert. Er sagte weiter:

«Da man nicht mehr sicher sein kann, dass die USA ihre Beistandspflicht nach Artikel 5 der NATO einhalten, muss Dänemark seine eigenen – derzeit in sehr schlechtem Zustand befindlichen – Streitkräfte aufbauen.»

Das Problem: Wie in der friedensverwöhnten Schweiz wurden zuletzt auch in Dänemark kritische Stimmen laut, die das militärische Aufrüsten verurteilten.

Was wissen wir (noch) nicht zur Drohnen-Attacke?

Die grösste dänische Tageszeitung «Jyllands-Posten» begleitet die aktuellen Ereignisse und hielt nach einer Medienkonferenz am Dienstagmorgen fest:

  • Wir wissen nicht, woher die Drohnen kamen.
  • Wir wissen nicht, um welche Art von Drohnen es sich handelt.
  • Wir wissen nicht, wie viele Drohnen es genau waren.
  • Wir wissen nicht, wen die Polizei hinter dem «Angriff» vermutet.
  • Wir wissen nicht, wie die Behörden versucht haben, die Drohnen vom Flughafen-Perimeter wegzuschaffen.

Was spricht gegen Russland als Angreifer?

Die russische Regierung bestreitet eine Beteiligung an den Drohnen-Aktivitäten über dem Flughafen Kopenhagen.

Der russische Botschafter in Dänemark, Wladimir Barbin, liess verlauten:

«Der Vorfall am Flughafen Kopenhagen offenbart den offensichtlichen Wunsch, die NATO-Staaten zu einer direkten militärischen Konfrontation mit Russland zu provozieren. Es ist inakzeptabel, dazu beizutragen.»

Versucht der diplomatische Vertreter Putins damit, den Verdacht auf die Ukraine zu lenken?

Sicher ist: Die ukrainische Regierung unter Präsident Wolodymyr Selenskyj wäre sehr dumm, ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt einen kriminellen Akt gegen das wichtige Unterstützerland Dänemark zu begehen.

Was spricht dafür, dass Putin verantwortlich ist?

1. Frühere und aktuelle Drohungen

Unmittelbar nach der oben erwähnten Medienkonferenz, in der die dänische Regierung letzte Woche die Beschaffung von Langstrecken-Raketen ankündigte, meldete sich Russlands Botschafter in Dänemark zu Wort und drohte indirekt mit einer Reaktion des Kremls.

«Niemand, nirgendwo auf der Welt, hat jemals daran gedacht, eine Atommacht öffentlich zu bedrohen. Diese Aussagen werden nicht unbeachtet bleiben.»
Stellungnahme von Wladimir Barbin an den dänischen Sender TV2quelle: nzz.ch

Die dänische Oppositionspolitikerin Francisca Rosenkilde sagte nun in einer aktuellen Stellungnahme:

«Es ist bemerkenswert, dass dies [gemeint sind die Drohnenangriffe, Anmerk. der Red.] im Zuge der massiven Aufrüstung der Regierung geschieht. Es besteht kein Zweifel, dass es oft zu Gegenreaktionen kommt, wenn man sich bewaffnet.»
quelle: jyllands-posten.dk

Schon zuvor hatte Russland damit gedroht, westliche Ziele anzugreifen, und etwa erklärt, dass es alle Stützpunkte ins Visier nehmen könnte, auf denen die F-16-Kampfflugzeuge der Ukraine stationiert sind.

2. Die dänische Ministerpräsidentin scheint sich ziemlich sicher ...

Auf die Frage eines Journalisten, ob sie Russland hinter der jüngsten Drohnen-Aktivitäten vermutet, sagte Mette Frederiksen zurückhaltend:

«Ich kann jedenfalls nicht leugnen, dass es Russland ist.»

Sie rief in Erinnerung, dass es in jüngster Zeit russische Drohnen über Polen und Rumänien gegeben habe und dass am Freitag drei russische Kampfflugzeuge den estnischen Luftraum verletzt hätten.

Laut der Politikerin ist das Motiv, das hinter der Störung des dänischen Luftraums steckt, «offensichtlich»: Den Tätern gehe es darum, Unruhe zu stiften, zu verunsichern und herauszufinden, wie weit sie gehen können.

3. Die EU-Kommission positioniert sich ebenfalls so

Ein Sprecher in Brüssel erklärte:

«Wir müssen das endgültige Ergebnis der Untersuchung abwarten. Aber es weist in Richtung Russland. Wir haben in letzter Zeit gesehen, wie Russland den Luftraum von mindestens drei Mitgliedstaaten verletzt hat. Dabei handelt es sich um Polen, Rumänien und zuletzt Estland.»
quelle: jyllands-posten.dk:

4. Es waren wohl Profis am Werk

Gemäss den bislang verfügbaren Informationen waren es keine Amateure mit kleinen Quadrocoptern.

Jens Jespersen, Polizeichef in Kopenhagen:

«Die Art und Weise, wie die Drohnen operieren, ihre Grösse und die Zeit, die sie über dem jeweiligen Standort verbrachten, haben uns zu dem Schluss gebracht, dass hinter dem Drohneneinsatz wahrscheinlich ein fähiger Akteur steckt.»

Dänische Augenzeugin:

«Zuerst dachten wir, es sei ein Flugzeug, aber dann holte mein Partner das Fernglas heraus und sah, dass es eine riesige Drohne war.»
quelle: jyllands-posten.dk

Der dänische Justizminister Peter Hummelgaard:

«Es besteht kein Zweifel, dass dies eine sehr, sehr ernste Angelegenheit ist. Wenn Drohnen einer bestimmten Kapazität den Verkehr von und nach Kopenhagen stören, handelt es sich um einen Angriff auf kritische Infrastrukturen.»

5. Dänemarks Inlandsgeheimdienst vermutet hybride Aktion

Für Terrorismusabwehr und Staatsschutz ist in Dänemark der Inlandsgeheimdienst PET zuständig – die Behörde wird auch Nachrichtendienst der Polizei bezeichnet. Dessen Chef Flemming Drejer erklärte am Dienstag, es könnte sich bei den Drohnen-Aktivitäten um hybride Kriegsführung handeln. Seine Behörde betrachte den Fall im «Rahmen dessen, was um uns herum geschieht» und im Lichte der Tatsache, dass Dänemark derzeit einer «hohen» Sabotagegefahr ausgesetzt sei.

Sicher ist: Wladimir Putin lässt seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, 2022, geheimdienstliche Attacken gegen die Unterstützer-Länder in Europa ausführen. Zum hybriden Krieg, den Russland gegen zahlreiche Staaten führt, gehören Desinformations-Kampagnen, Sabotageakte und andere perfide Aktionen, die die Bevölkerung verunsichern sollen.

Ziel ist es, demokratisch gewählten Regierungen zu schaden und rechte Parteien an die Macht zu bringen, die sich auf Kuschelkurs mit dem Kreml befinden.

Was ist mit den Drohnen-Aktivitäten in Norwegen?

Die norwegische Justiz- und Katastrophenschutzministerin Astri Aas-Hansen erklärte öffentlich, dass die norwegischen Behörden die Vorfälle am Flughafen Gardermoen ernst nehmen. Sie fügte aber hinzu, dass «keine Anzeichen für einen Zusammenhang mit den Vorfällen in anderen Ländern» festgestellt worden seien.

Laut dem norwegischen Staatssender NRK hat die norwegische Polizei zwei Ausländer – singapurische Staatsangehörige – festgenommen, die eine Drohne über der Festung Akershus steuerten, in der sich das Hauptquartier der norwegischen Streitkräfte und des Verteidigungsministeriums befindet.

Wie geht es weiter?

Dänemark wird am Freitag an einem Treffen mit dem EU-Verteidigungskommissar Andrius Kublius über die Verteidigung der EU gegen Drohnen teilnehmen, wie die britische Tageszeitung «The Guardian» berichtet. Auch Bulgarien, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Polen und Rumänien nehmen laut Bericht daran teil.

Entlang der Ostflanke der Europäischen Union soll ein Drohnenabwehrsystem – eine sogenannte Drohnenmauer – errichtet werden, um Russland von der Verletzung des gemeinsamen Luftraums abzuhalten.

Der dänische Justizminister Peter Hummelgaard sagte am Dienstag, dass die Drohnenaktivitäten über dem Kopenhagener Flughafen die Notwendigkeit eines schlagkräftigen Geheimdienstes unterstreichen.

epa12399548 Danish Justice Minister Peter Hummelgaard speaks with the media outside the Ministry of Justice in Copenhagen, Denmark, 23 September 2025, following the closure of Copenhagen Airport on 22 ...
Der dänische Justizminister Hummelgaard.Bild: keystone

Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen vertrat die Ansicht, dass Dänemark in Zukunft «robuster» gegen Bedrohungen durch Drohnen agieren müsse. Dazu könne auch der Kauf von «Störgeräten» gehören.

Das vorläufig letzte Wort hat die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen:

«Während die Fakten noch ermittelt werden, ist es klar, dass wir an unseren Grenzen ein Muster anhaltender Konflikte beobachten. Unsere kritische Infrastruktur ist gefährdet. Und Europa wird dieser Bedrohung mit Stärke und Entschlossenheit begegnen.»

Quellen

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33 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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En Espresso bitte
23.09.2025 17:20registriert Januar 2019
Ich habe so keinen Bock auf die weitere Eskalation, die sich da langsam abzeichnet. Können die Russen nicht einfach mal ein bisschen kiffen?
1074
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Zum Kommentar
avatar
el cóndor terminado
23.09.2025 19:43registriert Juni 2021
Unser BR schaut zu, beobachtet die Lage und verschwindet langsam aber sicher in Sachen Weltpolitik und Know-how von der Bildfläche.
336
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Zum Kommentar
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Touché
23.09.2025 19:36registriert Februar 2019
"Alles blickt nach Russland, aber der Kreml bestreitet, etwas mit den Vorfällen zu tun zu haben."

Hää? Bitte?

Dieser Lügenstaat und ihre
'Niet"
Typisch! Ihre RUS-Einstellung!

Jedesmal! "Wir waren es Nicht!?"
sollte nicht unterschätzt werden?

Hoffe, sie sind mit ihrem Terror bald am Ende?

F*"ck Russland! Da kann man einfach nichts Gutes beigeben!
276
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33
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