Erinnerst du dich an den Moment, als dir klar wurde, wie unfassbar gross das Internet ist?
Tatsächlich hat das rasante Wachstum des World Wide Web (WWW), das in den 1990er-Jahren losging, so ziemlich alles verändert. Auch die Kindheit.
Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit war die Welt so vernetzt wie heute. Nie waren Informationen zu allen denkbaren Themen so leicht zugänglich.
In den allermeisten Haushalten gehört das Internet inzwischen zum Alltag von Jung und Alt. Viele haben es immer dabei, ob als Handy in der Jacke oder als Laptop im Schulrucksack. Und abends kommt es mit ins Schlafzimmer und lässt uns kaum einschlafen.
Als Vater einer bald erwachsenen Tochter habe ich mich vor geraumer Zeit intensiv mit den Gefahren und Risiken beschäftigt, die mit dem Internet einhergehen. Nun wurde es Zeit für ein Wissens-Update. Denn so viel ist sicher: Der technische Fortschritt bringt nicht nur faszinierende neue Möglichkeiten mit sich, sondern auch neue Bedrohungen, die vielleicht unterschätzt werden.
Der Erfinder des WWW, der britische Informatiker Tim Berners Lee, hat sein ganzes Leben lang daran gearbeitet, das Internet zu einem freien und offenen System zu machen, auf das alle zugreifen können.
Die Online-Enzyklopädie Wikipedia steht sinnbildlich für das ursprüngliche, demokratische Internet. Auf einfachen Webseiten wird ein immenser Wissensschatz über Schlüsselwörter verlinkt und allen Interessierten gratis zugänglich gemacht. Zehntausende Freiwillige engagieren sich quasi rund um die Uhr als Hüter dieses Wissens. Dabei herrscht rigorose Transparenz. Jede noch so kleine Änderung wird protokolliert und kann quasi auf Knopfdruck rückgängig gemacht werden.
Was der am CERN in Genf forschende Computerwissenschaftler Berners Lee nicht verhindern konnte: Für das freie Web und seine Milliarden Nutzerinnen und Nutzer rund um den Globus ist ausgerechnet aus dem Silicon Valley die bislang grösste Bedrohung erwachsen.
Zunächst haben Google, Facebook und Co. marktbeherrschende Plattformen aufgebaut, die nicht demokratisch funktionieren, sondern im Gegenteil mit ihren undurchsichtigen Algorithmen demokratiefeindlich sind.
Und nun setzen die Techkonzerne mit dem vermeintlich «nächsten grossen Ding» das freie Web aufs Spiel. Die Rede ist von ChatGPT. Respektive von der bahnbrechenden Technologie, die in der Fachsprache als generative künstliche Intelligenz bezeichnet wird.
KI birgt ein grosses Potenzial für die Bildung und Gesundheit von Kindern, sie stellt jedoch auch ein massives Risiko für die Privatsphäre und Sicherheit dar.
Ok, das klingt dramatisch. Ist es aber auch. Denn eigentlich sind es zwei Bedrohungen, die in ihrer Kombination ein Albtraum-Szenario bewirken: generative KI und die Plattformen der mächtigsten Techkonzerne.
Natürlich gibt es auch auf Wikipedia ein Problem mit missbräuchlicher Nutzung. Täglich wird versucht, Inhalte zu manipulieren und unbequeme Fakten zu beseitigen. Doch dort gibt es eine gesunde Fehlerkultur.
Wenn in Wikipedia-Beiträge Falschinformationen einfliessen, ob versehentlich oder gewollt, kann dies dank der Änderungsprotokolle (auch noch Jahre später) nachvollzogen und korrigiert werden. Bei den Algorithmus-basierten Social-Media-Plattformen von Google, Meta und Co. gibt es diese Transparenz nicht. Und die leistungsfähigen KI-Werkzeuge der Techkonzerne sind eine Blackbox, die kaum jemand durchschaut.
Was wir mit 100-prozentiger Sicherheit wissen: Hinter den KI-Plattformen steckt keine Intelligenz im engeren Sinn. Ihre Entwicklung und der Betrieb verschlingen Unmengen von Geld und elektrischem Strom. Und es zeichnet sich das gleiche Problem ab, das wir seit dem Aufkommen der Social-Media-Plattformen beobachten: Die gewinnorientierten Betreiberfirmen agieren absolut skrupellos und gehen auch über Leichen.
Spoiler: Es ist nicht das Darknet.
Die meisten heute verfügbaren interaktiven Spielzeuge und Internetplattformen für Kinder und Jugendliche basieren auf unregulierter KI-Technologie. Während die Entwicklung rasant voranschreitet, haben die Staaten vernachlässigt, wie sich KI auf das soziale und emotionale Wohlbefinden von Minderjährigen auswirkt.
Wie etwa Gesundheitsfachleute der Kinderhilfsorganisation UNICEF schon 2021 zu bedenken gaben, nutzen Kinder auf der ganzen Welt praktisch täglich KI. Und dieser Umgang ist insofern problematisch, als die meisten Erziehungsberechtigten damit völlig überfordert sind und dem Nachwuchs zu wenig Grenzen setzen.
Erziehungsberechtigte sollten Kinder beim Umgang mit KI-Plattformen anleiten und begleiten. Wenn sie das nicht tun, ist mit prägenden schlechten Erfahrungen und noch deutlich Schlimmerem zu rechnen.
Hinzu kommt die Verschärfung von hinlänglich bekannten Internet-Gefahren für Minderjährige. KI-Werkzeuge ermöglichen neue Formen des Cyber-Mobbings unter Gleichaltrigen. Und sexuelle Belästigung durch Erwachsene (Grooming) wird erleichtert.
Weil die bei der Jugend sehr beliebten Social-Media-Plattformen wie YouTube und TikTok zu wenig in Moderation investieren, bleiben auch die zum Teil lebensgefährlichen «Challenges» ein Dauerthema.
Und als Tüpfelchen aufs i wird generative KI, die halluziniert und Bildfälschungen salonfähig macht, immer stärker in die Social-Media-Plattformen integriert.
Auch wenn es sich für viele Erwachsene so anfühlen mag, sind wir den Risiken und Gefahren des modernen Internets, also den von Techkonzernen kontrollierten KI-Plattformen, nicht machtlos ausgeliefert. Wir haben es täglich in der Hand, die Situation zu verbessern.
Worauf Erziehungsberechtigte, aber auch Lehrpersonen und alle anderen Akteure zählen können, ist die Neugier, ja der ungeheure Wissensdurst der Kinder.
Wir können mit ihnen über toxische Plattformen und nicht altersgerechte Inhalte sprechen und sie – ohne ins Predigen abzudriften – auf Probleme hinweisen und ihnen bei der Internet-Nutzung Grenzen setzen.
Dabei sollten wir auch offen über einen unbequemen Fakt sprechen: Gerade bei etwas älteren Menschen steht es um die Medienkompetenz nicht zum Besten. Selbstkritisches Hinterfragen ist also Bürgerpflicht. 😉
Aus meiner Sicht fehlt es heute vor allem an einem gewissen Grundwissen in ICT: Was ist ein Algorithmus? Was kann eine Maschine und was nicht?
Das wäre noch vor Ende der obligatorischen Schulzeit zB in einer Intensivwoche oder halt über ein paar Wochen verteilt als Teil des Mathe-Unterichts durchaus leistbar.
Aber nein, man lehrt lieber Excel und Word, damit man dann (unkritisch) in der Wirtschaft nützlich ist.
Vor paar Jahren war für mich das Internet die Errungenschaft schlechthin in meinem Leben.
Unterdessen aber überwiegt bald das Negative, schade das so etwas geniales so dermassen Missbraucht wird.