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Wie das kleine Threema den mächtigen Techkonzern Apple zerpflückt

Illustration zu den umstrittenen Änderungen beim App-Store von Apple.
Illustration zu den umstrittenen Änderungen beim App-Store von Apple.Bild: Threema

Wie das kleine Threema den mächtigen Techkonzern Apple zerpflückt

Dieser Konter sitzt! Der Schweizer Messenger-Dienst Threema erklärt in einem Blog-Beitrag, woran der App-Store von Apple wirklich krankt.
09.03.2024, 12:2409.03.2024, 13:43
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Threema hat es wieder getan. Die Schweizer Softwarefirma, die den Messenger-Dienst Threema anbietet, knöpft sich eines der reichsten Unternehmen der Welt vor.

In einem am Donnerstag veröffentlichten Blog-Beitrag erklären die Macher der App, was bei Apple schiefläuft. Und so viel sei schon hier verraten: Das schonungslose Posting könnte auch überzeugten Apple-Fans die Augen öffnen.

Warum die Aufregung?

Hintergrund ist der «Digital Markets Act» (DMA), mit dem die Europäische Union übermächtige Grosskonzerne einschränken und den Wettbewerb fördern will. Seit dem 7. März 2024 müssen sich Apple, Alphabet, Amazon, ByteDance (TikTok), Meta und Microsoft an strengere Regeln halten, sonst drohen ihnen saftige Strafen in Milliardenhöhe.

Im Falle von Apple möchte die EU-Kommission die Monopolstellung des App-Stores aufweichen und ermöglichen, dass Apps auch aus Drittquellen installiert werden können.

Doch die Schlaumeier in der Firmenzentrale im kalifornischen Cupertino haben das Vorhaben durchkreuzt. Das US-Unternehmen lässt auch in Europa weiterhin nicht zu, dass Apps direkt von der Quelle bezogen werden können (sprich: bei den Entwicklern), wie Threema kritisiert.

Das Monopol des App-Stores bleibe de facto erhalten, und das US-Unternehmen könne auch in Zukunft als Zwischenhändler Milliardensummen «durch horrende Gebühren beim Verkauf von Drittanbieter-Apps» einstreichen.

«Besonders stossend dabei ist, dass Apple als Begründung für die Verweigerung einer echten Öffnung die Sicherheit von iOS-Nutzern vorschiebt.»

Was ist mit Datensicherheit und Datenschutz?

Threema führt mehrere Argumente ins Feld, warum Apples abgeschotteter App-Store nicht mehr Sicherheit biete und mit Blick auf den Datenschutz sogar schlecht sei:

  • Apple sei ein Tech-Unternehmen und sollte Sicherheit auf technologischem Weg gewährleisten, «nicht durch radikale Restriktion», argumentiert Threema.
  • Dass dies funktioniert, zeige sich bei Apples Betriebssystem für Desktop-Computer (macOS). Dort liessen sich seit jeher Apps direkt bei den Entwicklern beziehen. Und die Sicherheitsprobleme halten sich in Grenzen.
  • Um Sicherheit beim Direktbezug von Apps zu gewährleisten, komme unter macOS seit Längerem ein «Notarisierungssystem» zum Einsatz, so Threema. Damit lasse sich sicherstellen, dass Apps, die direkt bei Entwicklern bezogen werden, einen Malware-Test bei Apple durchliefen und nicht von Dritten manipuliert worden seien.
  • Sollte sich eine App nachträglich als bösartig herausstellen, könne Apple jederzeit das entsprechende Entwickler-Zertifikat widerrufen, worauf sich die fragliche App nicht mehr öffnen oder installieren lasse.
  • Apples App-Store-Monopol sei auch datenschutzfeindlich, argumentieren die Schweizer App-Entwickler. Wer Threema für Android aus dem Threema-Shop herunterlade, brauche höchstens Threema selbst ein gewisses Mass an Vertrauen entgegenzubringen, keinem Dritten. Die heruntergeladene App sei von Threema signiert, und dadurch lasse sich zweifelsfrei verifizieren, dass sie von niemandem manipuliert wurde und sich wie vorgesehen verhalte.
  • Wer hingegen eine iOS-App aus dem App-Store herunterlade, erhalte eine Datei, die von Apple signiert sei. iOS-Entwickler hätten hingegen nicht die Möglichkeit, ihre Apps selbst zu signieren. Daher lasse sich nicht ausschliessen, dass Apple zum Beispiel in bestimmten Ländern gewisse Apps auf Anordnung der jeweiligen Regierung modifiziere oder anderweitig Anpassungen vornehme.

Finanzielle Nachteile

  • Auch bezüglich Bezahlmethoden biete der Direktbezug von Apps bei den Entwicklern Vorteile. So lasse sich eine App etwa auch mit Bargeld erwerben, ohne dass irgendwelche Daten bei einem Finanzinstitut anfallen. Und es sei nicht erkennbar, wer wie viele Lizenzen kaufe.
  • Wer Threema für iOS erwerbe, bezahle bei Apple und das Unternehmen behalte 30 Prozent für sich. Weil im App-Store keine anonymen Zahlungsmethoden zur Verfügung stehen, wisse nicht nur Apple, wer wann welche App erwerbe, sondern auch die involvierten Finanzinstitute hätten Einblick in das Kaufverhalten von iOS-Nutzern.
  • Apples Restriktionen verunmöglichten auch, dass Threema-Nutzerinnen und -Nutzer auf ein anderes Betriebssystem wechseln (von Android zu iOS oder umgekehrt), ohne erneut für die App bezahlen zu müssen.
  • Das tieferliegende Problem besteht laut Threema darin, dass Apple Rahmenbedingungen schafft, die den Überwachungskapitalismus fördern. «Denn Entwickler, die ihre Apps über die Monetarisierung von Nutzerdaten finanzieren, haben keinerlei Gebühren oder Kommissionen zu entrichten.» Meta könne z. B. WhatsApp im App-Store einstellen, «ohne einen Cent zu bezahlen», während Dienste, denen ein datenschutzfreundliches Geschäftsmodell zugrunde liege, gehörig zur Kasse gebeten werden.
«Dass sich Apple ganz dem Zeitgeist entsprechend als Privatsphäre-Verfechterin inszeniert, wirkt vor diesem Hintergrund nicht nur unglaubwürdig, sondern geradezu zynisch.»

Und das Fazit?

Vor 40 Jahren, während des Super Bowl 1984, strahlte Apple einen Werbespot aus, der in die Geschichte eingehen sollte. Im einminütigen Clip befreit eine unerschrockene Heldin die Gesellschaft vom technologischen Totalitarismus, wie die Threema-Macher in Erinnerung rufen.

«Heute ist Apple nicht mehr die unerschrockene Heldin von damals. Das Unternehmen ist selbst zur eisernen Technologie-Diktatorin geworden, und statt für Freiheit und Offenheit setzt es sich nun – wie das Regime in ‹1984› unter Berufung auf Sicherheit – für Einschränkung und totale Kontrolle ein.»

Der legendäre Werbespot:

Apple habe nun bei seinem App-Store «ein bizarres Modell» eingeführt, kritisiert Threema. Dieses bringe «aus der Luft gegriffene Gebühren mit sich» und sei sowohl für App-Entwickler und iOS-User als auch für potenzielle Anbieter alternativer Marktplätze so unattraktiv wie möglich ausgestaltet.

Es sei an der Zeit, dass sich Apple auf seine ursprünglichen Ideale besinne, seine User nicht länger bevormunde und Entwicklern endlich ermögliche, ihre eigenen Apps so zu vertreiben, wie sie es selbst für angemessen halten.

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quelle: ap / patrick semansky
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139 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Jacob Crossfield
09.03.2024 13:14registriert Dezember 2014
Apple gebärdet sich wie ein Nannystaat. Die User und Entwickler sehen sie als unmündige Kinder denen man nichts zutraut. Alles von Apple ist gut und man braucht auch nicht zu wissen was im Hintergrund so alles abläuft. Diese "Wohlfühlzone" ist zwar bequem, aber kostet einiges. Ich lasse mich jedenfalls nicht veräppeln. Gute Argumente, Threema!
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Fred_64
09.03.2024 13:00registriert Dezember 2021
"Das schonungslose Posting könnte auch überzeugten Apple-Fans die Augen öffnen." 🫣
Das hingegen glaube ich nun wirklich nicht, da diese Fans fast gebetsmühlenartig immer das Gleiche sagen. Sollte doch mal einer abspringen, müssen sie nach einer Weile doch auch sagen, dass andere eben nicht nur schlecht sind.
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RüdigerBreitenhals
09.03.2024 13:10registriert Juli 2019
Dieser Blogbeitrag schmerzt Apple sicher kräftig!
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