In der EU soll am 7. März eine neue Zeit mit mehr Wettbewerb bei digitalen Angeboten anbrechen: Dominante Plattformen wie Apples App Store, Googles Browser Chrome oder WhatsApp von Meta müssen sich an die Regeln des Digital Markets Act (kurz DMA) anpassen – oder drastische Strafen fürchten.
Der DMA soll die Marktmacht der Internetriesen einschränken, für faireren Wettbewerb sorgen und Konsumenten mehr Wahlfreiheit bei Online-Angeboten verschaffen. Das Digitalmarktgesetz soll bei Betriebssystemen, App-Stores, Webbrowsern, Suchmaschinen etc. für bessere Chancen für neue Rivalen sorgen.
Die Grundannahme dabei: Einige besonders grosse Plattformbetreiber wie Amazon, Google oder Microsoft sind so mächtig geworden, dass sie ihre Marktposition zementieren konnten. Der Digital Markets Act soll diese Monopolisierung mit strengeren Regeln für dominante Anbieter, sogenannte «Gatekeeper» (Torwächter), aufbrechen.
Ein Beispiel für einen Gatekeeper ist Apples App Store, da Apple mit dem Verbot konkurrierender App-Stores jahrelang Konkurrenz und somit Wettbewerb auf dem iPhone verhindern konnte. Dies dürfte dem Konzern Milliardengewinne beschert haben.
Die EU-Kommission machte bisher 22 «Gatekeeper»-Dienste von sechs Unternehmen aus. Wenig überraschend sind darunter die US-Schwergewichte Apple, Amazon, Microsoft, die Google-Mutter Alphabet und der Facebook-Konzern Meta. Daneben kam die populäre Video-App TikTok des chinesischen Bytedance-Konzerns auf die Liste.
Bei Apple wurden iOS, der App Store und Safari als Gatekeeper eingestuft, sprich als Dienste, die aufgrund ihrer grossen Verbreitung und Marktmacht speziell reguliert werden müssen. Bei Google gelten Dienste wie Chrome, Android, Play Store, Google Suche und YouTube als Torwächter. Bei Meta unter anderem WhatsApp, Instagram und Facebook und bei Microsoft Windows und LinkedIn.
Auch in den Bereichen Werbung und Datensammlung gibt es neue Einschränkungen für die Techgiganten.
Diese DMA-Auflagen stechen hervor:
WhatsApp soll sich für andere Dienste öffnen, sprich den Nachrichtenaustausch mit kleineren Messenger-Apps ermöglichen. Dies soll es Rivalen erleichtern, sich gegen WhatsApps Dominanz zu behaupten. Der Haken: Während WhatsApp den Zugang für seine Rivalen ermöglichen muss, wollen konkurrierende Apps wie Signal und Threema sich bisher gar nicht vernetzen.
Apple muss erstmals zulassen, dass auf dem iPhone – aber nicht auf dem iPad – Apps aus anderen App-Stores installiert werden können, wie dies auf anderen Betriebssystemen normal ist. Allerdings können iOS-Apps nach wie vor nicht frei aus dem Web, sprich direkt und günstiger auf der Webseite des App-Anbieters heruntergeladen werden, wie es auf Mac, Windows, Android und Linux möglich ist.
Ein weiterer Haken: Mit Apples umstrittener Umsetzung des EU-Gesetzes – neue Gebühren für App-Entwickler – ist offen, wie viele App-Anbieter sich auf alternative App-Stores einlassen – oder lieber wie bisher nur im App Store des Konzerns bleiben (siehe Fragen 5 und 6).
Apple muss zudem die NFC-Schnittstelle für andere Bezahl-Apps öffnen. Bislang kommt an Bezahl-Terminals standardmässig Apple Pay zum Einsatz. Künftig sollen iPhone-User, wie es Android-User gewohnt sind, die Wahl haben, welchen Bezahldienst sie nutzen wollen.
Ausserdem können Internetnutzer in der EU beim Aufrufen ihres Smartphone-Browsers ab sofort unter zwölf Anbietern ihren Standard-Webbrowser beziehungsweise ihre Standard-Suchmaschine wählen.
Der Digital Markets Act (DMA) verpflichtet Google für alle Android-Smartphones und Apple für alle iPhones dazu, einen Auswahlbildschirm beim Öffnen von Chrome respektive Safari einzublenden. Das soll für mehr Wettbewerb unter den Suchmaschinen-Anbietern sorgen.
Eine Auswahl auf dem iPhone bei App-Stores und Bezahl-Apps wird es vorerst nur innerhalb der EU geben. Apple hat sich mit Händen und Füssen gegen die neuen DMA-Regeln gewehrt und entsprechend werden sie ausschliesslich dort angewendet, wo Apple keine andere Wahl hat. Der Konzern hat die geforderten Änderungen diese Woche mit einem Update auf iOS 17.4 für User in der EU zugänglich gemacht. Schweizer iPhone-User bleiben aussen vor.
WhatsApp hingegen öffnet sich gegenüber anderen Messenger-Apps auch für User ausserhalb der EU.
Der Bund geht davon aus, dass andere Tech-Konzerne die neuen Vorgaben auch hierzulande anwenden. Es lohne sich wohl nur in Ausnahmefällen, den relativ kleinen hiesigen Markt anders zu behandeln als den EU-Markt.
User können zunächst eine alternative Store-App über den Webbrowser installieren. Apple warnt dabei vor möglichen Gefahren. Allerdings ist auch Apples App Store nicht vor betrügerischen Apps gefeit. Wer generell keine alternativen App-Stores nutzen will, kann diese Möglichkeit in den Einstellungen deaktivieren.
App-Entwickler können entweder alles beim Alten lassen und ihre Anwendungen wie bisher nur über Apples App Store mit einer Abgabe an Apple von 15 oder 30 Prozent der Erlöse vertreiben – oder sie machen von den neuen App-Stores Gebrauch. Dann gelten für sie aber neue Konditionen, da Apple auch bei App-Stores von Konkurrenten mitverdienen möchte.
Bei Anwendungen, die App-Entwickler über Apples App Store vertreiben, sinkt die Abgabe auf jeweils zehn und 17 Prozent – plus weitere drei Prozent, wenn sie das Abrechnungssystem des Konzerns nutzen. Apple hat sich aber auch eine neue Methode ausgedacht, um an Bezahl-Apps und Abos mitzuverdienen, die über rivalisierende App-Stores verkauft werden.
Neu führt der Konzern die sogenannte «Kerntechnologie-Abgabe» ein: Eine Gebühr, die anfällt, sobald eine App mehr als eine Million Mal während zwölf Monaten installiert wurde. Ab dann wird für jede weitere Installation ein Betrag von 50 Cent fällig, den Apple erhält. Populäre Anwendungen erreichen diese Millionen-Grenze schnell, da Apple auch ein automatisches App-Update als Installation zählen will.
Die neue Gebühr wird deshalb von Kritikern als «Strafzoll für abtrünnige App-Entwickler» bezeichnet.
Apples neue Gebühren seien eine «totale Farce» und «Erpressung», kritisierte Spotify-Chef Daniel Ek. Auch Firmen wie Meta, Microsoft, Epic Games oder Threema kritisieren Apples Gebührenmodell. Es ziele allein darauf ab, rivalisierende App-Stores bzw. mehr Wettbewerb auf dem iPhone zu verhindern. Die Schweizer Messenger-App bezeichnete Apples Umsetzung der EU-Verordnung als «eine einzige Enttäuschung».
Threema schreibt:
Threema gehört zu einer Reihe von Unternehmen, welche die EU aufforderten, Apples «Scheinlösung nicht zu akzeptieren». Die für Sicherheit und Datenschutz bekannte Messenger-App kritisiert insbesondere, dass Apple die freie Installation von Apps aus dem Web weiterhin verbietet. Android-User können die Threema-App direkt bei Threema beziehen (anonym ohne Google-Konto), auf dem iPhone wird dies weiterhin nicht möglich sein. Stattdessen kontrolliere Apple nun die konkurrierenden App-Stores und verlange «unverhältnismässige Gebühren».
Apples Umsetzung erfülle «nicht einmal annähernd» die DMA-Vorgaben, sagt Spotify. Aus Sicht des schwedischen Streaming-Anbieters widersprechen unter anderem der Umstieg auf eine neue Gebührenstruktur und die «Kerntechnologie-Abgabe» dem DMA.
Spotify gehört zu den grösseren Diensten (rund ein Prozent der App-Anbieter nach Apples Rechnung), für die die «Kerntechnologie-Abgabe» fällig würde. Und diese könnte richtig teuer werden: Denn sie müsste nicht nur bei im Moment aktiven Nutzern bezahlt werden. Auch wenn jemand die App nur ungenutzt auf seinem iPhone hat, kostet das Spotify beim ersten automatischen Update in einem Zwölfmonatszeitraum 50 Cent.
Apple habe die neuen Abgaben so gestaltet, dass es für Entwickler nicht attraktiv oder tragbar sei, ihre Apps über andere Stores zu vertreiben, kritisieren unter anderem Epic und Spotify.
Apples Vorgaben und das neue Gebührenmodell, sollte es so bleiben, dürften eine breite Auswahl an App-Stores vorderhand verhindern.
Die Spielefirma Epic Games, deren Spiel «Fortnite» aus Apples App Store verbannt wurde, will dennoch seinen App-Store für Mobile-Games mit tieferen Gebühren auf das iPhone bringen. Auch der App-Store Setapp, der Anwendungen im Abo-Modell nutzen lässt, will im April starten. Mit Mobinvention hat ein deutsches Unternehmen angekündigt, einen alternativen App-Store anzubieten. Die Plattform soll auch von anderen Firmen genutzt werden können, um mit geringem Aufwand eigene App-Stores einzurichten.
Der Konzern beharrte schon im DMA-Vorlauf darauf, dass der App-Vertrieb nur über den hauseigenen Store die bessere Lösung für die Nutzer sei: So könne man sie besser vor Datendiebstahl und Betrug schützen. Auch jetzt betont der Konzern, dass er in Apps aus anderen Quellen ein potenzielles Sicherheitsrisiko sehe, das eingedämmt werden müsse.
Deshalb werde man auch bei ihnen prüfen, ob sie eventuell falsche Angaben über ihre Funktionen enthielten. Behörden und einige Unternehmen forderten von Apple Zusicherungen, dass sie den App-Download aus anderen App-Stores unterbinden könnten.
Anzumerken bleibt, dass Apple (und Google) in Unrechtsstaaten wie China oder Russland in ihren App-Stores diverse Apps nicht anbieten, um den dortigen Machthabern, respektive den geltenden Gesetzen, Folge zu leisten. Die freie App-Installation aus dem Web würde Regierungskritikern ermöglichen, von den Machthabern unerwünschte Apps auch auf dem iPhone zu installieren und sich besser vor weitreichender Überwachung zu schützen.
Die Nachrichten aus anderen Messenger-Diensten sollen in einem separaten Bereich landen. Das solle deutlich machen, dass für die Nachrichten andere Sicherheitsstandards gelten könnten, sagte WhatsApp-Manager Dick Brouwer dem Magazin «Wired».
WhatsApp nutzt die Verschlüsselungstechnologie von Signal – und das macht die Vernetzung mit anderen Diensten, die ebenfalls darauf zurückgreifen, einfacher. Man werde aber auch andere verlässliche Verschlüsselungsprotokolle unterstützen.
Signal verweist darauf, dass die App über den Schutz von Inhalten hinausgehe: «Wir haben neuartige Techniken entwickelt, um auch vertrauliche Metadaten wie Profilnamen, Profilfoto, Kontaktlisten, Gruppenmitgliedschaften und Informationen darüber, wer wem Nachrichten sendet, zu verschlüsseln.» Andere grosse Apps erfüllten «nicht annähernd die Datenschutzstandards von Signal».
Bei Threema hiess es, WhatsApp gebe alle Protokolle vor, «und wir wüssten nicht mit Sicherheit, was mit den Nutzerdaten geschieht, wenn sie an WhatsApp übertragen werden, zumal WhatsApp nicht Open Source ist».
Auch gebe es ungelöste Probleme wie die Adressierung, da WhatsApp die Telefonnummer verwende und Threema eine zufällig generierte ID. Dies könne Threema-Nutzer potenziell deanonymisieren.
Die EU-Kommission, unter anderem mithilfe von Marktuntersuchungen. Bei Verstössen drohen Strafen von bis zu zehn Prozent des jährlichen Umsatzes – und bis zu 20 Prozent im Falle wiederholter Verletzungen. Als letzte Option steht auch eine Zerschlagung im Raum. Am Ende könnten Gerichte über mögliche Strafen entscheiden.
Mit Material der Nachrichtenagentur DPA
Für unsere Geschäftsgeräte werde ich dies daher, wo immer möglich, unterbinden lassen…