Nicht stören! Er steuert gerade am Bildschirm einen (echten) Mietwagen durch den Verkehr
Wer schon mal ein Auto gemietet hat, kennt die damit verbundenen Umtriebe: Das Fahrzeug muss am Standort X des Vermieters abgeholt und an den gleichen oder einen anderen Standort des Vermieters retourniert werden.
Doch in Zukunft kommen Mietwagen zu uns nach Hause, respektive an den Ort, an den man sie per App hinbestellt. Und dabei sitzt nicht mal mehr ein Mensch drin.
In den USA ist die Zukunft bereits hier.
Das deutsche Start-up Vay sieht Telefahren als Alternative zum autonomen Fahren und hat nun in Las Vegas einen entsprechenden Service gestartet, auch wenn dieser geografisch noch ziemlich eingeschränkt ist. Europa soll folgen.
Was hat es mit «Teledriving» auf sich?
Die Berliner Firma Vay lanciert in der amerikanischen Wüstenstadt Las Vegas einen Mietwagen-Service, bei dem das Auto ferngesteuert zur Kundschaft gebracht wird. Danach setzen sich die Mietwagen-Besteller ans Steuer – und können das Fahrzeug am Ende der Fahrt entweder selbst parken oder wieder an einen sogenannten Telefahrer übergeben.
Telefahrer sind Vay-Angestellte, die die Wagen vom Computerbildschirm aus per Mobilfunk fernsteuern – dafür sitzen sie an der Teledrive-Station vor mehreren Bildschirmen:
- Der Computer-Arbeitsplatz ist mit einem Lenkrad, Pedalen und anderen Bedienelementen ausgestattet, die gemäss Vay «nach den Standards der Automobilindustrie entwickelt wurden».
- Die Umgebung des Fahrzeugs werde über Kamerasensoren erfasst und auf die Bildschirme der Teledrive-Station übertragen.
- Die Geräusche des Strassenverkehrs, wie etwa Sirenen von Rettungsfahrzeugen und andere Warnsignale, werden über Mikrofone auf die Kopfhörer des Telefahrers übertragen.
Das folgende Video erklärt die Auslieferung von leeren Mietwagen durch Telefahrer:
Wie bestellt man den Mietwagen?
Per Smartphone-App. Im US-amerikanischen App-Store von Apple ist die Vay-App fürs iPhone (iOS) verfügbar. Die Android-Version folge, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit.
Was kostet es?
Abgerechnet wird im Minutentakt, wie Vay zum Start des Dienstes am Mittwoch mitteilte. Fahren kostet 30 US-Cent die Minute und während Zwischenstopps zum Beispiel zum Einkaufen werden 3 US-Cent pro Minute berechnet.
Wie sicher ist das?
Vay arbeitete rund fünf Jahre an der Technologie und rüstete die eingesetzten Autos von Kia unter anderem mit zusätzlichen Kameras und Steuertechnik aus. Der Preis dafür liegt laut Vay-Mitgründer und Chef Thomas von der Ohe im vierstelligen Bereich pro Fahrzeug.
- Die Signale von und zum Fahrzeug werden zur Sicherheit vierfach übertragen. Die Redundanz soll durch die gleichzeitige Nutzung mehrerer 4G-Mobilfunknetzwerke gewährleistet sein, wie es in früheren Berichten hiess.
- Die Verzögerung durch die Mobilfunk-Übertragung liegt Vay zufolge etwa bei einem Bremsvorgang im zweistelligen Millisekundenbereich.
- Die Telefahrer werden in einem firmeneigenen Ausbildungszentrum, der Vay Driving Academy, speziell geschult, bevor sie auf die Strasse dürfen. Den Angestellten werde eine «defensive Fahrweise» vermittelt, heisst es.
Welches Fahrzeug wird ferngesteuert?
Es handelt sich offenbar um eine Flotte von E-Autos, konkret um vollelektrische Kia Niro EV, wie aus Medienberichten hervorgeht. Auf der Vay-Firmen-Website finden sich keine Angaben zu den eingesetzten Fahrzeugmodellen.
Gibt's das auch in Europa?
Nein. Noch nicht.
«Parallel zum Launch in den USA läuft der Genehmigungsprozess in Deutschland weiter», teilt Vay mit.
Im Herbst 2021 sei man eine Partnerschaft mit der Stadt Hamburg eingegangen, mit dem Ziel, dort den ersten ferngesteuerten Mobilitätsdienst Deutschlands einzuführen.
Wann der offizielle Start erfolgt, ist nicht bekannt. Seit 2022 hat das Start-up von den Hamburger Behörden eine Ausnahmegenehmigung, um ein Auto auf bestimmten öffentlichen Strassen ohne Sicherheitsfahrer an Bord zu leiten.
Wo führt das hin?
In Las Vegas startet Vay zunächst mit «einer Handvoll» Fahrzeuge im Uni-Viertel der Stadt und will die Verfügbarkeit des Dienstes schrittweise ausbauen. Das Ziel sei, den Kundinnen und Kunden im Schnitt binnen fünf Minuten ein Fahrzeug bereitzustellen.
Für die Zukunft sieht der Vay-Co-Gründer neue Geschäftsmöglichkeiten, weil in immer mehr Fahrzeugen nicht nur ausreichend Kameras, sondern auch digitale Steuertechnik direkt ab Werk eingebaut werden. Damit müsse nur noch die Übertragungstechnik zum Telefahren hinzugefügt werden.
Praktisches Beispiel: Dann könne man sich etwa vorstellen, sich nach einem Restaurantbesuch im eigenen Auto von einem Telefahrer nach Hause bringen zu lassen. Vay sei im Gespräch mit Autoherstellern, sagte von der Ohe.
Quellen
Mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA
- vay.io: Jetzt in Las Vegas: Vay fährt als erstes Unternehmen in Europa und den USA ohne Sicherheitsfahrer:in auf öffentlichen Strassen (15. Januar 2024)
- golem.de: Carsharing ohne Parkplatzsuche (2022)
(dsc)
