Die Zürcher Piratenpartei reicht an diesem Mittwochmorgen bei der Kantonsverwaltung die gesammelten Unterschriften für ihre Digital-Volksinitiative ein.
Es ist ein politischer Vorstoss, der weit über den grössten Schweizer Kanton hinaus Wellen schlagen soll. Im Interview mit watson nimmt die Mitinitiantin und Piraten-Generalsekretärin Monica Amgwerd Stellung.
Die Zürcher Piratenpartei will per Volksinitiative den Überwachungs-Kapitalismus eindämmen und die Datensicherheit erhöhen. Nach dem Kanton Genf soll auch in Zürich das Grundrecht auf digitale Integrität in der Kantonsverfassung verankert werde. Alle Details erfährst du im Artikel, den watson im März dieses Jahres zum Start der Unterschriftensammlung publiziert hat.
Frau Amgwerd, die von Ihrer Partei gestartete kantonale Initiative kommt zustande, herzliche Gratulation, wie gross war der Kraftakt?
Monica Amgwerd: Die Zürcher Sektion der Piratenpartei wurde während den letzten beiden Jahren neu aktiviert. Wir sind inzwischen eine gute Gruppe von aktiven und sehr engagierten Mitgliedern. Diese haben hunderte von Stunden in das Zustandekommen dieser Initiative investiert. Ausserdem kamen immer wieder mal neue Mitglieder hinzu. Bei der Unterschriftensammlung wurden wir zudem von der Sektion Aargau unterstützt. Sehr erfreulich war auch, wie viele Unterschriften wir per Post zugesandt bekamen. Die Resonanz war allgemein enorm gut, viele Menschen beschäftigt unser Anliegen.
Was sind die dringlichsten Anliegen in Zusammenhang mit dem Grundrecht auf digitale Integrität, die von der Politik angegangen werden müssen?
Den immer breiteren Einsatz von Künstlicher Intelligenz sehen wir als Gefahr. Natürlich gibt es sehr sinnvolle Anwendungen und diese wollen wir keinesfalls einschränken, doch die KI macht Fehler und diese sind oft nicht nachvollziehbar. Der Einsatz von Gesichtserkennung ist daher gefährlich, aber auch die Bearbeitung von Bewerbungen ist heikel. Hierzu brauchen wir das Recht, nicht von einer Maschine beurteilt zu werden.
Das andere grosse Problem ist, dass diverse Akteure sich aus finanziellen Interessen und zur Kontrolle und Manipulation von Individuen und der Bevölkerung an unseren Daten bedienen – auch hier spielt Künstliche Intelligenz eine wesentliche Rolle. Daher ist es unerlässlich, dass man ein Recht auf ein Offline-Leben einführt, weil man sich so punktuell oder auch generell dazu entscheidet, gar keine Daten zu hinterlassen.
Gleichzeitig sollten allgemein Datensparsamkeit und Privacy by Design zum Standard werden. Auch damit lassen sich die von uns hinterlassenen Daten reduzieren – das eliminiert auch das Missbrauchsrisiko. Ohne Verarbeitung und Speicherung der Daten würden überdies die Kosten bei Unternehmen gesenkt, sowie der Stromverbrauch. Es wäre eine Win-Win-Situation.
Zürich ist der bevölkerungsreichste Kanton der Schweiz, gleichzeitig haben hier Techkonzerne wie Google und andere grosse IT-Unternehmen ihren Sitz. Was kann eine Annahme der Initiative über die Kantonsgrenzen hinaus bewirken?
Der Kanton Zürich ist ein wichtiges wirtschaftliches, kulturelles und gesellschaftliches Zentrum der Schweiz. Durch eine Annahme der Initiative erhoffen wir uns, dass die Bürgerinnen und Bürger über die Kantonsgrenzen hinaus von diesem Vorhaben hören, dessen Wichtigkeit erkennen und ebenfalls eine Implementierung in ihrem Kanton und der Schweiz wollen.
Längerfristig braucht es eine nationale Umsetzung. Zudem sollten Unternehmen, Behörden und Organisationen ihre Digitalisierungsstrategien entsprechend überdenken. Die Annahme wäre beispielsweise ein Zeichen dafür, dass eine Akzeptanz von Bargeld überall gewünscht ist und sich die Menschen privat bewegen möchten.
Die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran.
Wir brauchen allgemein eine seriöse Technologiefolgenabschätzung, was die Digitalisierung angeht. Diese betrifft weitere Aspekte, etwa den Umgang mit kritischen Infrastrukturen, aber auch mit sensiblen demokratischen Einrichtungen wie unserem Wahl- und Abstimmungsverfahren oder unseren Ausweisdokumenten. Auch hier dürfen wir keine leichtsinnigen Risiken eingehen, weil zu viel auf dem Spiel steht – es geht um unsere pluralistische Gesellschaft und freiheitlich-demokratische Grundordnung.
Die Zürcher Piratenpartei hat über 9000 Unterschriften für ihre kantonale Volksinitiative «ein Recht auf offline-Leben» beim Kanton eingereicht. Sind 6000 davon gültig, kommt das Anliegen vors Stimmvolk.
Als Nächstes wird das Zustandekommen der Initiative durch die zuständige Direktion innerhalb der Zürcher Kantonsverwaltung geprüft und daraufhin wird das kantonale Parlament (Kantonsrat) mit Empfehlung des Regierungsrats über das weitere Vorgehen entscheiden. Dies kann einige Monate in Anspruch nehmen.
Wie solch grundsätzliche Anliegen rund um die Digitalisierung auf kantonaler Ebene umgesetzt werden sollen, ist gemäss Einschätzung von Fachleuten offen.