Im Februar 2019 war dem Technologiekonzern Huawei nichts zu teuer, um in Europa gute Presse zu erlangen. Die Chinesen wollten dem Abendland die Vollendung von Schuberts «Unvollendeter», der 7. Sinfonie, schenken: Statt «bloss» aus zwei würde sie nun aus vier Sätzen bestehen.
Damals rief man nach London und präsentierte die Uraufführung der mit künstlicher Intelligenz (KI) erweiterten Schubert-Sinfonie. Beim Versuch sollten nicht bloss Skizzen und Umdeutungen anderer Schubert-Werke zu einem Ende führen, sondern die Analyse von Klangfarbe, Tonhöhen und Takten der vorhandenen Sätze der Sinfonie.
Es entstand Pop-Musik, die so bescheiden war, dass sie jeder Kompositionsschüler im 5. Semester besser hätte schreiben können. Das Resultat klang nach britischer Fahrstuhlmusik des mittleren 20. Jahrhunderts. Doch Huawei war begeistert, angesichts der grenzenlosen Möglichkeiten von KI-Kunst fragte man sich bereits hollywoodtauglich hochtrabend: «Wenn wir das schaffen, was kommt danach?»
«Danach» ist die Deutsche Telekom dran und entwirft Beethovens minimal skizzierte 10. Sinfonie. Tolle Schlagzeilen sind auch hier gewiss. Und das Resultat vernichtend schlecht: Da humpeln Töne einer Idee von Beethoven hinterher, dort schlagen die «Beethoven»-Motive Purzelbaum, bleiben aber auf halbem Weg stecken. Doch selbst wenn sie dreifach und neunfach gelungen wären, wenn der Computer «besser» als Beethoven komponieren würde: Wen interessiert das?
Beethoven schuf Visionäres. Nie war klar, was er als Nächstes komponieren würde. Er stiess die Tür ins 19. Jahrhundert weit auf, gelangte mit seinen späten Streichquartetten gar in Sphären, wo Komponisten nie mehr hinkamen. Und dazwischen versagte er. Genau das macht diesen Menschen einzigartig.
Der Computer aber kann nur mit Vorhandenem arbeiten, kann keine Abgründe schaffen, kann nur korrekt voranschreiten und nachplappern, was schon war. Das macht die zwei Sätze der vermeintlichen 10. Sinfonie furchtbar langweilig und so überraschend wie eine Schale Reis in China. Dieser «Beethoven» klingt wie einst «Vivaldi» von «Rondo Veneziano». Die Italiener schafften es damit immerhin in die Pop-Charts. Diese «Zehnte» gehört in den Abfall.
(aargauerzeitung.ch)