«Wolfenstein The New Order» bewies vor einem Jahr eindrücklich, dass klassische Shooter noch nicht tot sind. Unzählige Massenabfertigungen à la «Call of Duty» haben das Genre gebeutelt. Und dann schafft es ausgerechnet der Nazi-Shooter «Wolfenstein» das Genre aus seiner Lethargie zu befreien. Nun ist mit «The Old Blood» das Prequel erschienen. Für das Add-on benötigt man das Hauptspiel nicht. Ich erkläre euch, wo ihr Jubeln und wo ihr Seufzen könnt.
Erneut übernimmt man die Rolle des Quadratschädels B.J. Blazkowicz. Das Spiel kann problemlos ohne Vorkenntnisse gespielt werden. Zwar schliesst es mit der Geschichte nahtlos an den Vorgänger an und ein paar Insiderwitze bleiben einem vorenthalten, im Grossen und Ganzen existiert «Wolfenstein The Old Blood» aber perfekt als eigenständiges Produkt.
«Wolfenstein The Old Blood» wird von der id-Tech-Grafik-Engine angetrieben – früher die Messlatte in Sachen Spielegrafik. Auch heute noch sorgt die Engine für ein beeindruckendes Schauspiel. Nur schon der Auftakt, wenn man in einer Seilbahn zur Burg Wolfenstein hinauffährt, ist ein Augenschmaus. Später darf man sich über schummrige Gemäuer und hünenhafte Roboter-Gegner freuen, die ebenso spektakulär auf- wie abtreten.
Akustisch wird ebenfalls einiges geboten. Von den ratternden Knallbüchsen, über die Explosionen bis hin zur Sprachausgabe. Letztere glänzt besonders in der Originalversion, wo Amis Englisch und Nazis Deutsch sprechen. Und zwar Richtiges, kein Pseudodeutsch amerikanischer Synchronsprecher. Das kommt besonders bei den Dialoge der Wachleute zur Geltung, wenn sie mal wieder über die SS-Anführerin Helga von Schnabbs ablästern.
Die meisten Waffen sind überarbeitete Versionen von denen, die man aus dem Vorgänger kennt – angepasst für das 40er-Jahre-Szenario. Aber das macht nichts. Noch immer macht es extrem viel Laune, Waffen doppelt auszurüsten und damit Kopf voran ins Gefecht zu stürzen. Daneben gibt es auch ein paar Neuzugänge wie die Kampfpistole, die Granaten abfeuert. Damit tapeziert man die Wände im Handumdrehen mit Nazi-Innereien – mörderisch effizient.
Kaum ein Shooter schafft es, Schleichelemente und Ballereinlagen erfolgreich zu kombinieren. Aber wie schon in «The New Order» zahlt es sich auch in «The Old Blood» aus, wenn man die Schrotflinte ab und zu stecken lässt. Gegner murkst man lautlos aus dem Hinterhalt ab. Vorzugsweise mit den neuen Allzweckwaffen, zwei Leitungsrohren – dann gibt es eine extra Portion Ketchup. Die Rohre lassen sich praktischerweise auch als Kletterhilfen einsetzen. B.J. Blazkowicz rammt die Dinger ohne mit der Wimper zu zucken in Steinwände.
Das Spiel ist regelrecht übersät mit versteckten Anspielungen (Easter Eggs) an andere Spiele des Herstellers. Von «Doom» über «Skyrim» dürfen sich aufmerksame Spieler über zahlreiche Hommagen an alte und neue Klassiker freuen. Auch wieder mit dabei sind die Traumpassagen mit «Wolfenstein 3D». Das lässt die Herzen von Nostalgikern höher schlagen. Leider wartet man immer noch vergebens auf den Kultspruch: «Mein Leben».
Allen schönen Momente zum Trotz fühlt sich «The Old Blood» ein wenig ausgelutscht an. Vieles, was beim Vorgänger noch neu und aufregend war, wirkt nun repetitiv. Dazu kommt, dass zumindest auf der PC-Version immer noch der gleiche Fehler anzutreffen ist, den schon das fünf Jahre alte «Rage» geplagt hat – das erste Spiel mit der id-Tech-5-Grafik-Engine. Wenn man sich schnell umdreht, kann man zuschauen, wie Texturen von Matschig auf scharf wechseln. Unfassbar, dass dieses Problem immer noch besteht.
Abgesehen davon hatte ich auch mit «The Old Blood» wieder extrem viel Spass. Das Szenario zieht immer noch, wenn auch etwas weniger als vor einem Jahr. Die Levels sind stimmungsvoll und die Action knallt gewaltig. Für 25 bis 30 Franken erhält man eine äusserst unterhaltsame Kampagne, bei der nach vier bis fünf Stunden der Abspann flimmert. Da könnte man sein Geld schlechter anlegen.
«Wolfenstein The Old Blood» wurde uns von Bethesda zur Verfügung gestellt. Das Spiel ist auf PC, PS4 und Xbox One erhältlich.