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Putins Geheimplan zu Ukraine-Krieg: Spannungen schüren, AfD unterstützen

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Die AfD-Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla: Russland sieht ihre Positionen in Einklang mit den eigenen – und organisierte Unterstützung.Bild: keystone

Aufgedeckt: Wie Putins Desinformations-Krieger Deutschland und Co. destabilisieren

Ein von den USA publiziertes Dossier beschreibt detailliert, wie Putin seinen Informationskrieg gegen den Westen führt. Als besonders anfälliges Ziel erachteten die Russen offenbar Deutschland.
05.09.2024, 19:25
Jonas Mueller-Töwe, Lars Wienand / t-online
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Ein Artikel von
t-online

Jetzt gibt es Belege aus den USA: Die russische Führung hat unter Einsatz erheblicher Mittel versucht, soziale Konflikte in Deutschland zu schüren und Beziehungen zu anderen Staaten zu verschlechtern. Dem US-Justizministerium ist mit Ermittlungen ein Schlag gegen die seit gut zwei Jahren laufende Operation gelungen, die als «Doppelgänger»-Kampagne bekannt ist.

Mit der Kampagne und dazu massenhaft zentral gesteuerten Fake Accounts in sozialen Medien sind seit dem Frühjahr 2022 fast ununterbrochen Texte im Sinne des Kremls verbreitet worden.

US-Behörden haben nun Fake-Seiten des Netzwerks lahmgelegt – und Beweise vorgelegt, die zeigen: Die Spur zur riesigen Einflusskampagne führt hinauf bis in die Spitze des Kremls. Und: Die Kampagne hat auch zum Ziel, die AfD zu unterstützen.

Das geht aus Unterlagen des US-Justizministeriums hervor, die dem deutschen watson-Medienpartner T-Online vorliegen. Teil davon sind verschiedenste Originaldokumente der mutmasslichen Drahtzieher.

Was wurde nun durch das FBI aufgedeckt?

Bei aktuellen US-Ermittlungen zu russischer Einflussnahme geht es zum einen um rechte Influencer wie Tim Pool und Lauren Southern, die für Geld aus Russland pro-russische Videos produziert haben. Zehn Millionen US-Dollar sollen dafür geflossen sein.

Etwas weniger Beachtung finden in der US-Öffentlichkeit dabei mindestens genauso brisante Erkenntnisse, die Europa und vor allem Deutschland betreffen. Die Akten bringen nämlich Licht in die sogenannte «Doppelgänger»-Kampagne, die T-Online aufgedeckt hat, ehe der Facebook-Mutterkonzern Meta die Operation schliesslich bestätigte.

Für diese Operation wurden zahlreiche Webseiten internationaler Medien unter sehr ähnlich wirkenden URLs nachgebaut und mit pro-russischen Fake News versehen. Betroffen war auch T-Online. Das FBI hat den Unterlagen zufolge vier Onlineprofile identifiziert, die genutzt wurden, um Internetadressen für falsche T-Online- oder «Spiegel»-Seiten zu generieren.

Verbreitet wurden die Inhalte dort dann von automatisierten Profilen über soziale Medien. Eine eindrucksvolle Zahl zum Ausmass dieser Kampagne hat im Januar das deutsche Aussenministerium geliefert:

  • Alleine im Zeitraum vom 20. Dezember 2023 bis 20. Januar 2024 wurden demnach mehr als eine Million deutschsprachiger Tweets abgesetzt. Stimmung gemacht wurde gegen die Ukraine, gegen die USA und die NATO.

Wer steckt dahinter?

Putins rechte Hand: Sergej Kirijenko (l.) machte den Ermittlungen zufolge bei der "Doppelgänger"-Kampagne Vorgaben.
Putins rechte Hand: Sergej Kirijenko (l.) machte den Ermittlungen zufolge bei der «Doppelgänger»-Kampagne interne Vorgaben.Bild: imago-images.de

Hinweise zu den Hinterleuten der mysteriösen Bot-Wellen gab es bereits: Mehrere kremlnahe Unternehmen wurden seit 2022 identifiziert, an der Stimmungsmache mit massenhaft verbreiteten Falschnachrichten beteiligt zu sein: die Social Design Agency (SDA), die Structura National Technology (Structura) und Ano Dialog. T-Online hat zudem Beteiligte staatlicher russischer Medien identifiziert, die für Beiträge genehme Interviewpartner im Westen suchten.

Nun sind die US-Behörden sicher: Die dubiosen Unternehmen handelten auf direkte Anweisungen aus Putins Präsidialadministration – unter Aufsicht des russischen Chefpropagandisten Sergej Kirijenko. Er ist früherer Ministerpräsident und heute enger Putin-Mitarbeiter im Präsidialstab.

Was war das Ziel?

Die Dokumente bestätigen zudem: Offenkundig war die Desinformations-Kampagne darauf angelegt, soziale Spannungen zu schüren – um Russlands Position im Ukraine-Krieg zu stärken.

Deutschland wurde demnach vorrangiges Ziel der Bemühungen, weil es «abhängiger sei als Frankreich», wie es in einem Protokoll aus dem Kreis der Kreml-Propagandisten heisst. Ein Verantwortlicher erstellte acht Protokolle von Meetings, in denen auch Kirijenko und eine enge Mitarbeiterin genannt wurden. Sie zeigen, dass der Putin-Vertraute die grossen Linien vorgab.

Mit einem klaren Ziel: «In erster Linie müssen wir die USA, Grossbritannien und die Nato diskreditieren», dann müssten pro-russische Narrative verbreitet und die Deutschen von der «Ineffizienz» der Russland-Sanktionen überzeugt werden, heisst es in den Protokollen.

Dabei sollen einem der Dokumente zufolge drei Erzählungen zentral sein: «Ukrainer» und abwertende Darstellungen von ihnen; «der Unterschied zwischen Ukraine und Deutschland» und: «Die USA stecken hinter allem».

«Gefälschte Videos, Dokumente, Telefongespräche»

Die Unterlagen zeigen, wie Beteiligte offenbar fast Freude daran hatten. Im mutmasslichen Ursprungskonzept für die Doppelgänger-Kampagne heisst es etwa: «Wenn wir das können, brauchen wir eine eigene Abteilung für Fakes – eine Fabrik!» Es werden zahlreiche Propagandaideen erwogen. So könnte eine Vergewaltigung durch einen US-Soldaten erfunden werden. «Das wäre grossartig!», hiess es dazu.

Zwar wurde die Idee nicht umgesetzt. Dafür tauchten im Sommer 2022 frei erfundene Stories zu von Ukrainern in Deutschland begangenen Verbrechen auf. Auch derlei Ideen finden sich in den Konzepten.

Eine der entlarvendsten Stellen in den Dokumenten findet sich im Projekt «Anstiftung internationaler Konflikte», das auf Deutschland und Frankreich zielt. Um solche Konflikte zu schüren und sogar «künstlich zu erschaffen», sollen die Kreml-Beauftragten alle Register ziehen:

  • Kommentare in sozialen Medien,
  • analytische Artikel,
  • gefälschte Nachrichtenseiten,
  • Fake News – auch «gefälschte Videos, Dokumente und aufgezeichnete Telefongespräche».

Zur Verbreitung sollen sowohl Bots als auch Russland wohlgesonnene Influencer dienen. Die Vorgabe: in Deutschland 30'000 Kommentare im Monat abzusetzen.

Welche Rolle spielt die AfD bei Russlands Plänen?

AfD-Politiker sollten zu «Märtyrern» gemacht werden

Dabei hatten die Propagandisten offenbar die AfD im Auge, die sie im Einklang mit russischen Interessen sehen. «Wir unterstützen die Partei mit allen Mitteln», heisst es in der Beschreibung zu dem Projekt. Geschaffen werden solle «das Bild von Märtyrern, die für die Demokratie und Deutschlands nationale Interessen» litten.

Die ersten Fake-Accounts, die T-Online hatte finden können, hatten im Juli 2022 auch einen Facebook-Beitrag des als besonders russlandnah bekannten AfD-Bundestagsabgeordneten Stefan Keuter geteilt. Er hatte einen Text des «Deutschlandkuriers» geteilt, der voll in die russische Agenda passte: Darin wurde in Frageform nahegelegt, Selenskyjs Geheimdienst habe die OSZE bespitzelt, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.

Zudem gaben AfD-Politiker einer für die Kampagne zentralen Website («Reliable Recent News») immer wieder Interviews. Diese Seite ist jetzt nicht mehr erreichbar. Das FBI hat sie beschlagnahmt, wie auf der Seite zu lesen ist.

Auch einige deutschsprachige Adressen, die von dem Netzwerk betrieben wurden, sind seit Dienstag abgeschaltet. Insgesamt wurden 32 Internet-Adressen (Domains) sichergestellt, die von der russischen Regierung oder von ihr bezahlten Akteuren genutzt worden seien. Die Justiz spricht von Verstoss gegen Geldwäsche- und Markenschutz-Gesetze.

Wie gingen die Russen vor?

Um Interviews für Beiträge auf den Seiten zu führen, kontaktierte offenbar ein früherer Mitarbeiter von RT Deutsch mögliche Ansprechpartner und konnte dabei zum Teil auf bestehende Kontakte zurückgreifen.

Der Putin-Vertraute Kirijenko hatte offenbar zugestimmt, «unsere Influencer ausserhalb» einzubinden, wie es in den Protokollen heisst. In einem Meeting der «Doppelgänger»-Beteiligten wurde demnach festgehalten, SVK – Kirijenkos Kürzel – sei nicht gegen deren Mitwirken. Interviewpartner waren etwa die Abgeordneten Steffen Kotré und René Springer, beide im Vorstand der AfD Brandenburg.

Die AfD-Abgeordneten Kotré und Springer: Sie gaben den Fake-News-Portalen Interviews.
Die AfD-Abgeordneten Kotré und Springer: Sie gaben den Fake-News-Portalen Interviews.Screenshot: Twitter

Die Rolle von möglicher Unterstützung für die AfD durch russische Netzwerke kam nach der Europawahl wieder auf. Trollarmeen auf X hatten zur Wahl demnach massiv für die AfD Stimmung gemacht. Das war das Ergebnis einer Untersuchung des privaten Forschungsinstitut Trollrensics im Auftrag der niederländischen Sozialdemokraten: Tausende zentral gesteuerte Accounts haben demnach neben russischer Propaganda und Falschinformation Werbung für die AfD verbreitet. In geringerem Ausmass auch für das Bündnis Sahra Wagenknecht.

Kurz vor der Wahl waren bereits Vorwürfe bekannt geworden, dass der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron in Tschechien Gelder aus dem Umfeld des Putin-treuen Oligarchen Viktor Medwedtschuk bekommen haben soll. Bei Übergabe von kleinen Päckchen wurde er offenbar durch Ermittler auch dokumentiert. Die Immunität des Zweitplatzierten der AfD-Liste zur Europawahl wurde aufgehoben, bei ihm wurde durchsucht. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.

Quellen

(t-online/dsc)

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183 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Der Micha
05.09.2024 20:45registriert Februar 2021
Das Problem ist, dass die AfD von sich aus prorussiche Falschinformationen streuen und das viel größere Problem ist, dass es Menschen gibt, die leichtgläubig sind und dafür empfänglich sind.

Auch hier in der Kommentarsektionen fallen immer wieder die gleichen Leute mit prorussische Falschinformationen auf.
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Idealisst, Fabulisst, Alchemisst
05.09.2024 20:05registriert Januar 2014
Für alle, welche nur minimal bei Verstand sind, ist das keine Überraschung. Putin hat ein grosses Interesse, dass seine Freunde aus AfD, Front national, Rebuplikaner an‘s Ruder kommen. Das gilt gleichermassen für die SVP, welche mit Halbierungs- und 200-sind-genug-Initativen, alles daran setzen, dass die «alternativen» Quellen an Reichweite gewinnen.
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Jackie Brown
05.09.2024 20:42registriert Oktober 2022
Wenn solche üblen Geschichten aufgedeckt werden frage ich mich immer wieder, wo eigentlich die europäischen Geheimdienste sind und was diese so den ganzen Tag tun...
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