Rund dreissig Kilometer südöstlich von Berlin baut Tesla seit diesem Frühling die Gigafactory 4. Das erste Elektroauto-Werk des US-Autobauers in Europa wird trotz Corona-Pandemie in einer «unvorstellbaren Geschwindigkeit» hochgezogen, wie neue Bilder und Videos zeigen.
Das Tesla-Werk im brandenburgischen Grünheide bei Berlin soll nach nur elf Monaten stehen. Es könnte nach Ansicht von Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) schneller gebaut werden als die zuvor in unter einem Jahr erstellte Gigafactory 3 in China.
«Das Ziel bei Tesla scheint es zu sein, die Bauzeit der Gigafactory 3 in Shanghai noch einmal zu unterbieten», sagte Steinbach der Zeitung Welt am Sonntag. Und: «Nach meiner Beobachtung könnte das durchaus gelingen.»
Den Eindruck des deutschen Ministers untermauern aktuelle Fotos und Luftaufnahmen, die von lokalen Tesla-Fans im Netz veröffentlicht wurden. Sie dokumentieren den rasanten Baufortschritt innerhalb der letzten Monate.
Tesla-Chef Elon Musk schrieb Ende Juli auf Twitter: «Giga Berlin wird in einer unmöglich erscheinenden Geschwindigkeit erstellt. Die Fertigteilbauweise in Deutschland ist äusserst beeindruckend.»
Geht alles nach Plan, könnte das Grossbauvorhaben bereits im kommenden April abgeschlossen sein. Damit wäre der Shanghai-Rekord gebrochen.
Mitte Juli gab das Brandenburger Landesumweltamt grünes Licht, damit Tesla mit den Arbeiten für das Fundament beginnen kann. Dies, obwohl die finale umweltrechtliche Genehmigung noch aussteht. Tesla baut die erste Ausbaustufe der Gigafactory 4 somit auf eigenes Risiko.
Nach diversen Vorarbeiten, beispielsweise musste das Gelände von Blindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg befreit und eine Kiefernplantage gerodet werden, begannen die eigentlichen Bauarbeiten erst Ende Mai, also vor gut drei Monaten.
Tesla hatte jedoch bereits zuvor Testpfähle ohne die nötige Erlaubnis in den Boden gerammt. Die Genehmigung wurde erst nachträglich eingeholt. Der Verstoss dürfte keine grösseren Konsequenzen haben, zeigt aber einmal mehr, dass Tesla an die Grenzen des Erlaubten oder auch darüber hinausgeht, um den ehrgeizigen Zeitplan einzuhalten.
In Grünheide will Tesla frühestens ab Sommer 2021 Fahrzeuge bauen bzw. ausliefern. Ob der Zeitplan eingehalten werden kann, ist weiter unsicher.
Musk betonte von Anfang an, dass er in Deutschland eine ähnliche Bauzeit wie in China erwarte. Was von vielen für unmöglich gehalten wurde, scheint nun doch nicht mehr so unrealistisch.
Trotzdem oder gerade deswegen ist das Projekt in der Region umstritten. Ein Kritikpunkt ist beispielsweise die geplante Wasserentnahme für den Betrieb der Akku- und Elektroautofabrik. Anwohner und Umweltschützer befürchten, dass dadurch der Grundwasserspiegel sinkt, was beispielsweise die Trinkwasserversorgung gefährde.
Einschränkend ist zu sagen, dass es sich hier um die erste von mehreren geplanten Ausbaustufen handelt. Künftig sollen jährlich bis zu 500'000 Teslas in der voll ausgebauten Fabrik gebaut werden. Mit der Vollendung der ersten Ausbaustufe soll zunächst das neue Model Y vom Band laufen.
Nebst Deutschland haben sich mehrere andere Länder um den Standort für die erste europäische Tesla-Fabrik beworben. Tesla profitiert in Brandenburg von der Nähe zur deutschen Auto-Zuliefererbranche und nicht zuletzt von einem riesigen Pool an talentierten Ingenieuren. Denn nebst der Fabrik in Grünheide will Tesla in Berlin auch ein neues Ingenieurs- und Designzentrum ansiedeln.
(oli)