
Gedenkfeier für die Opfer der Nazi-Konzentrationslager und den Tag der Befreiung, den 27. Januar 1945. Twitter soll viel zu wenig gegen antisemitische und volksverhetzende Tweets tun.Bild: keystone
Auf der Social-Media-Plattform kann man seit Jahren antisemitische Inhalte beobachten. Ein Gerichtsprozess in Berlin soll nun die Verpflichtung zur Moderation von strafbaren Inhalten klären.
27.01.2023, 18:1327.01.2023, 18:26
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Gemeinsam mit der European Union of Jewish Students (EUJS) hat die gemeinnützige deutsche Organisation HateAid vor dem Landgericht Berlin eine Zivilklage gegen Twitter eingereicht. Darin kritisieren sie die mangelhafte Moderation von volksverhetzenden Inhalten auf der Plattform.
Worum geht es konkret?
Gegenstand der Klage sind sechs antisemitische und rechtswidrige Kommentare, die trotz Meldung nicht gelöscht wurden. In einem konkreten Fall von Holocaust-Leugnung wurde die Löschung sogar explizit abgelehnt.
Die klagende Organisation schreibt:
«Seit Jahren lässt sich die massenhafte Verbreitung antisemitischer Äusserungen im Netz beobachten. Vor allem in den sozialen Netzwerken brechen regelmässig alle Tabus: Gewaltandrohungen gegen Jüdinnen*Juden, Verharmlosung und offene Leugnung der Shoah sind dort auch mehr als 77 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs an der Tagesordnung.»
quelle: hateaid.org
HateAid betont, dass solche Praxis im Widerspruch zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Plattform steht. Dort gibt Twitter an, Hass schürendes Verhalten und Gewaltandrohungen nicht dulden zu wollen.
Zudem heisst es in der Richtlinie zu missbräuchlichem Verhalten, dass Twitter Inhalte verbiete, «die leugnen, dass ein Massenmord oder ein anderes Ereignis mit zahlreichen Toten und Verletzten stattgefunden hat», darunter unter anderem «Ereignisse wie den Holocaust».
Der Gerichtsprozess sollte daher klären, ob Nutzende einen Rechtsanspruch auf Durchsetzung der AGB haben, schreibt HateAid in seiner Pressemitteilung. Damit wäre es ihnen zukünftig möglich, etwa die Entfernung von volksverhetzenden Inhalten einzuklagen. Bislang sind sie einer «willkürlichen und intransparenten Moderationspraxis ausgeliefert».

screenshot: twitter
Die Leugnung des Holocaust ist in Deutschland ein Verbrechen – es gelten strenge Gesetze, die antisemitische Hassreden verbieten, wie es in Medienberichten heisst.
Seit Tesla-Chef Elon Musk Twitter Ende Oktober 2022 übernommen hat, wurde die Angestelltenzahl drastisch reduziert. Die Sparmassnahmen betrafen auch die für Plattform-Sicherheit und Inhalte-Moderation zuständigen Teams.
Appell einer Holocaust-Überlebenden
Die Holocaust-Überlebende Rozette Kats hat in Berlin dazu aufgerufen, alle Opfergruppen des Nationalsozialismus gleichermassen anzuerkennen.
«Jeder Mensch, der damals verfolgt wurde, verdient achtungsvolle Erinnerung», sagte die 80 Jahre alte Niederländerin am Freitag bei einer Gedenkstunde des Deutschen Bundestags für die Opfer des Nationalsozialismus.
In ihrer emotionalen Rede bezog sich Kats unter anderem auf Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität von den Nationalsozialisten verfolgt wurden und im Mittelpunkt der Gedenkfeier standen. Unter anderem Homosexuelle wurden von den Nazis massiv verfolgt nach Gesetzen, die noch lange Jahrzehnte auch in der Bundesrepublik galten.
Kats wurde 1942 in einer jüdischen Familie geboren und überlebte den Holocaust bei einem Ehepaar in Amsterdam, bei dem sie unter falscher Identität aufwuchs. Ihre leibliche Familie wurde in Auschwitz ermordet.
Allein in Auschwitz im von der Wehrmacht besetzten Polen ermordete die SS mindestens 1,1 Millionen Menschen, zumeist Juden. In ganz Europa fielen dem Holocaust rund sechs Millionen Juden zum Opfer.
Am 27. Januar 1945 hatten Soldaten der Roten Armee die Überlebenden des deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagers befreit. Seit 1996 wird das Datum in Deutschland als Holocaust-Gedenktag begangen. An vielen Orten wurden an diesem Freitag zur Erinnerung Kränze niedergelegt. (sda)
Quellen
(t-online/dsc)
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quelle: dpa dpa-zentralbild / z5466/_britta pedersen
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