Darum schöpft die deutsche Autoindustrie neue Hoffnung
Die krisengeschüttelten Autokonzerne VW und BMW sorgen mit positiven Meldungen für Aufsehen. Und generell scheint sich die Stimmung in der deutschen Autoindustrie zu bessern. Die wichtigsten Antworten:
Warum sind die deutschen Firmen wieder zuversichtlicher?
Die Stimmung in der deutschen Autoindustrie hat sich deutlich verbessert. Der Geschäftsklimaindex für die Branche stieg im Oktober um 8,4 Punkte an, wie das Münchner Ifo-Institut am Mittwoch mitteilte.
Mit minus 12,9 Punkten liegt er zwar immer noch im negativen Bereich, aber steht sehr viel besser da als noch zu Jahresbeginn, als er vorübergehend mehr als minus 40 Punkte erreichte. «Vor allem die Geschäftserwartungen in der Autoindustrie haben sich ausgesprochen stark aufgehellt», sagte Ifo-Expertin Anita Wölfl.
Dahinter steckt eine ganze Reihe positiver Entwicklungen: Unter anderem sei die Nachfrage sehr stark gestiegen, und die Kapazitätsauslastung habe den bisher höchsten Wert des Jahres erreicht. Weniger Unternehmen klagen über Auftragsmangel, und auch die Exporterwartungen sind weiter gestiegen.
Die aktuelle Lage bewerteten die Unternehmen dagegen etwas schlechter mit minus 21,6 Punkten. Das passt zu einer Vielzahl schlechter Nachrichten in letzter Zeit. Nicht nur, dass die grossen Hersteller zuletzt schwache oder gar dramatisch schlechte Zahlen vorgelegt haben, auch viele Zulieferer sind in Schwierigkeiten.
Wie geht es in der Chip-Krise weiter?
Die Versorgungsprobleme bei den Zulieferbetrieben für die europäische Autoindustrie halten vorerst an.
Hintergrund des Konflikts ist die Entscheidung der niederländischen Regierung vom 30. September, den Chiphersteller Nexperia wegen Bedenken gegenüber der chinesischen Muttergesellschaft Wingtech unter staatliche Kontrolle zu stellen. Kurz darauf hatte Peking Exportbeschränkungen für bestimmte Nexperia-Chips verhängt, die auch europäische Autohersteller treffen.
Wegen fehlender Chips drohe nun beim Autozulieferer Bosch in zwei deutschen Werken Kurzarbeit, berichteten die Nachrichtenagenturen am Mittwoch. «Derzeit priorisieren wir alles, um unsere Kunden zu bedienen und Produktionseinschränkungen zu vermeiden oder so gering wie möglich zu halten», teilte ein Sprecher des deutschen Konzerns mit.
Hintergrund sind Lieferprobleme beim Chip-Hersteller Nexperia, nachdem die niederländische Regierung die Kontrolle über die von einer chinesischen Konzernmutter geführte Firma übernommen hatte. China stoppte daraufhin die Ausfuhr von Nexperia-Produkten wie Chips für die Autoindustrie.
Die Engpässe haben neben deutschen Standorten auch Folgen für das Bosch-Werk im portugiesischen Braga. Dort sind etwa 2500 der insgesamt rund 3300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von zeitweiligen Arbeitszeitanpassungen oder Freistellungen betroffen.
Nexperia produziert vor allem Standardchips, die in grossen Stückzahlen in der Autoindustrie und in elektronischen Geräten verwendet werden. Am vergangenen Freitag hatte die chinesische Regierung in Peking angekündigt, unter bestimmten Voraussetzungen wieder Ausnahmen für Nexperia-Exporte zuzulassen.
Dann machte der Volkswagen-Konzern zur Wochenmitte ebenfalls eine Chip-Ankündigung...
Wieso investiert VW in China in eigene KI-Chips?
Im Wettlauf um die Entwicklung im Bereich autonomes Fahren will der Volkswagen-Konzern in China wichtige Chips selbst entwickeln. VW übernehme damit die Kontrolle einer «Schlüsseltechnologie, welche die Zukunft des intelligenten Fahrens bestimmen wird», sagte Konzernchef Oliver Blume in Shanghai zu Eröffnung von Chinas internationaler Importmesse (CIIE).
Carizon, ein Gemeinschaftsunternehmen der VW-Softwaretochter Cariad und des chinesischen Computing-Spezialisten für autonomes Fahren, Horizon Robotics, soll den Chip, der Daten von Kameras und Sensoren für das Fahren verarbeitet, entwickeln. Die Lieferung erwartet VW binnen der kommenden drei bis fünf Jahre. Erstmals entwickle Carizon nicht nur die Software für automatisiertes Fahren, sondern auch einen KI-Chip, sagte Cariad-Vorstand Peter Bosch.
Mit dem hauseigenen China-Chip will sich VW bei autonomem Fahren mit der chinesischen Konkurrenz messen. Mehr als 200 Millionen Euro steckt der Autobauer in das neue Projekt, hiess es aus Konzernkreisen.
Im weltgrössten Automarkt, auf dem das Geschäft deutscher Marken zusehends wegschmilzt, preschen vor allem lokale Hersteller gegen ihre ausländische Konkurrenz bei Fahrassistenzsystemen vor. Bekannte Tech-Konzerne helfen den grossen Marken bei der Entwicklung oder sind bereits selbst im Autogeschäft, wie der Smartphone-Hersteller Xiaomi.
Tödliche Unfälle im Zusammenhang mit Fahrassistenzsystemen hatten allerdings Fragen zur Sicherheit aufgebracht. Chinas Regulatoren mahnten die Hersteller vor zu grossen Versprechungen für die Technologie.
Fahrassistenzsysteme werden in fünf Stufen eingeteilt – vom Tempomat (Stufe eins) bis zum vollautonomen Fahren (Stufe fünf). In China arbeiten sich die Marken derzeit zu Stufe drei vor – die Stufe, die VW mit dem Chip anvisiert. Der Mensch hinter dem Steuer dürfte dabei zeitweise und in bestimmten Situationen dem Auto das Fahren überlassen und könnte etwa Zeitung lesen.
Warum schreibt BMW einen Milliardengewinn?
BMW hat im abgelaufenen dritten Quartal seinen Gewinn mehr als verdreifacht. Unter dem Strich verdiente der Münchner Konzern laut einer Mitteilung vom Mittwoch rund 1,7 Milliarden Euro.
Der massive Anstieg ist allerdings nur bedingt ein Zeichen von Stärke, sondern geht vor allem darauf zurück, dass das Vergleichsquartal aus dem Vorjahr durch Probleme mit Bremsen ungewöhnlich schlecht war. Damals reichte es nicht einmal für eine halbe Milliarde.
BMW sieht sich mit den aktuellen Zahlen auf Kurs, seine Ziele für das laufende Jahr zu erreichen. Man habe gezeigt, «wie robust und tragfähig unser Geschäftsmodell ist», sagt BMW-Chef Oliver Zipse. Auch die europäischen CO2-Flottenziele werde man im laufenden Jahr erreichen, «und zwar ohne Flexibilisierung oder Pooling», betonte er. Andere deutsche Hersteller sind da in einer ungünstigeren Position.
Positive Nachrichten gibt es zudem vom iX3, dem ersten Modell der neuen Klasse – dem Grundkonzept für BMWs künftige Elektroautos. «Die Auftragseingänge in Europa liegen deutlich über unseren Erwartungen und belegen das hohe Kundeninteresse», sagt Zipse. Bisher ist das Auto erst in Europa bestellbar.
Aber auch BMW spürt die aktuelle Krise der Branche. Der Konzern, zu dem auch Mini und Rolls-Royce gehören, leidet unter dem schwierigen chinesischen Markt und Zöllen. Im Oktober hatte BMW deswegen sogar die Jahresprognose leicht gesenkt. Dennoch stehen die Münchner vergleichsweise solide da. Nach drei Vierteln des Jahres haben sie schon 5,7 Milliarden Euro Gewinn nach Steuern eingesammelt.
Wieso ist BMW aktuell besser dran an als die Konkurrenz?
Vergleicht man die BMW-Zahlen mit den jüngsten Meldungen der deutschen Konkurrenz, sind sie angesichts des Sturms, der über die Branche fegt, mehr als solide:
- Mercedes kommt nach neun Monaten nur noch auf 3,9 Milliarden Euro Gewinn,
- der viel grössere Volkswagen-Konzern sogar nur auf 3,4 Milliarden. Darin sind auch die Töchter Audi und Porsche enthalten. Audi meldete jüngst inklusive Lamborghini, Bentley und Ducati knapp 2,1 Milliarden Euro Gewinn in den ersten neun Monaten, Porsche liegt nur noch knapp in den schwarzen Zahlen.
Stabile Strategie hilft
«Dass BMW im Vergleich mit dem Rest der deutschen Hersteller noch am besten dasteht, liegt auch daran, dass sie eine stabile Langzeitstrategie verfolgen», sagt Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer. Und:
Audi komme zwar langsam aus der Krise, leide aber letztlich immer noch an den Nachwirkungen der Dieselkrise, die den Hersteller damals aus der Bahn geworfen habe, sagt der Branchenexperte. «Und VW ist – neben den kriselnden Töchtern Audi und Porsche – mit seinem Stellenabbauprogramm beschäftigt.»
Aber auch bei BMW sieht Dudenhöffer Schwachpunkte. So fördere der Hersteller seine Verkäufe zumindest in Deutschland mit teilweise hohen Rabatten. «Und in China müssen sie aufpassen» – wenn man dort keinen Erfolg habe, werde es «auf Dauer unmöglich, ganz vorne mitzuspielen». Der Autoexperte weist auf die neue «In China für China»-Strategie von Audi und VW hin. Damit seien Preise möglich, «die bei BMW und Mercedes heute nicht sichtbar sind».
Quellen
- Nachrichtenagenturen SDA/AWP/DPA
(dsc)
