Mit der «Neuen Klasse», einer technischen Plattform für kommende E-Modelle, will BMW den Einstieg in eine neue Ära der Elektromobilität schaffen – und dabei vor allem im grössten Automarkt der Welt verlorenen Boden gutmachen. Konzernchef Oliver Zipse zeigt sich überzeugt: «Ich bin überzeugt davon, dass wir mit der Neuen Klasse in China wieder wachsen werden.»
China gilt für BMW seit Jahren als Schlüsselmarkt – ist aber zuletzt schwieriger geworden, nicht zuletzt wegen der wachsenden Konkurrenz durch heimische Marken.
Noch vor dem offiziellen Start der Internationalen Automobil-Ausstellung IAA Mobility stellt BMW das erste Modell der neuen Plattform vor: den vollelektrischen iX3. Weitere Fahrzeuge sollen in den kommenden Monaten folgen.
BMW setzt bei der Entwicklung der China-Modelle stärker als bisher auf lokale Partner. Die für China bestimmten Varianten der neuen Modelle seien «so chinesisch wie noch nie», versprach Zipse. «Sie enthalten jede Menge Innovationen, die wir gemeinsam mit lokalen Tech-Partnern in China für China entwickelt haben.
Genau darauf legen die chinesischen Kunden grossen Wert.» Dem Politikportal «Politico» sagte er ausserdem: «Dieses Autokonzept bereitet uns darauf vor, im globalen Ausleseprozess der Autoindustrie ein sehr ernst zu nehmender Wettbewerber zu sein.»
BMW werde in diesem Jahr über 2,5 Millionen Fahrzeuge verkaufen, sagte Zipse. «Wir liegen per August über den Vorjahreszahlen.» In den ersten acht Monaten des Jahres sei BMW gewachsen, insbesondere in Europa.
Andreas Herrmann, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen und Direktor des Instituts für Mobilität, hält den Kurs für grundsätzlich richtig. Zu T-Online sagte er:
Neben BMW gehe auch Audi neue Wege bei der Fahrzeugentwicklung für China. Das sei notwendig, da sich der chinesische Markt fundamental vom europäischen unterscheide.
Ein entscheidender Hebel sei das Design. Die deutschen Marken hätten laut Herrmann mit dem Vorurteil zu kämpfen, für viele junge Chinesinnen und Chinesen die «Produkte ihrer Eltern» zu sein. Eine neue Designsprache könne helfen, die Markenidentität wieder klarer zu positionieren. «Die deutschen Marken brauchen eine Revitalisierung», so Herrmann.
Auch technologisch sehen sich die deutschen Hersteller einem wachsenden Wettbewerbsdruck ausgesetzt – etwa bei Akkutechnologie und Software. Doch Herrmann sieht auch hier eine Chance: «Es ist jetzt entscheidend, dass das beeindruckende Erbe der deutschen Hersteller eine substanzielle Erneuerung erfährt. Dann kommen die Erfolge auch wieder.» Chinesischen Herstellern gelinge auch nicht alles.
Was es dazu brauche? Aus Sicht des Mobilitätsforschers eine klare strategische Neuausrichtung: «Mehr Tempo bei der Entwicklung, rasche Updates und Facelifts, mehr Mut beim Design, Fokus auf Software und das autonome Fahren – kurzum: Der Wandel von einer car company zu einer tech company ist unausweichlich.»
Frank Schwope, Lehrbeauftragter für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule des Mittelstands Berlin, merkt an, mit den neuen Fahrzeugen sei das Unternehmen in China konkurrenzfähig. «Aber die Zeiten aus der Verbrennerära, als BMW in China starke Margen generiert hat, werden nicht zurückkommen», betont der Experte. «Wir werden in China weiterhin die tödliche Spirale aus mehr Technologie für weniger Geld sehen. Die Margen bleiben unter Druck.»
Auch Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des CAR-Instituts in Bochum, sieht die Neue Klasse als wichtigen Schritt in die Zukunft. Technisch besonders relevant seien die vier zentralen Steuergeräte, mit denen BMW zentrale Funktionen des Fahrzeugs steuert – von den Ingenieuren auch als «Superhirne» bezeichnet. Diese Technik lege das Fundament für zentrale Innovationen wie autonomes Fahren oder ein intelligentes Cockpit.
Dudenhöffer zufolge wird die eigentliche Bewährungsprobe für die neue Plattform in China stattfinden. «Wenn BMW da die Trendumkehr schafft, ist das ein gewaltiger Sprung.» Entscheidend sei aber auch die Preisstrategie: «Wenn der Preis stimmt, kann es BMW schaffen, den Negativtrend in China umzudrehen.»
Auch die Neuvorstellung des elektrischen Mercedes GLC mit bis zu 700 Kilometern Reichweite und der ID. Polo von Volkswagen seien wichtige Schritte, um deutsche Produkte nicht nur in China wieder attraktiver zu machen. «Die Deutschen haben etwas zu zeigen in München – und darauf können wir stolz sein», so der Experte.
(t-online/dsc)