Frau Höhn, der verunfallte Höhlenforscher liegt seit Tagen verletzt im Riesending-Schacht. Welchen Gefahren ist er ausgesetzt?
In Höhlen ist es wahnsinnig kalt. Zudem ist der Verletzte vielleicht nass. Der Wärmeverlust ist daher eine der grössten Herausforderungen. Bei einem Unfall versuchen Begleiter darum, erste medizinische Hilfe zu leisten und den Patienten vor Kälte zu schützen. Ausserdem muss ein Abstand zwischen dem Verletzten und dem Boden hergestellt werden.
Was, wenn es dafür keinen Platz gibt? Die Riesending-Höhle ist ja teilweise so eng, dass eine Person nur knapp durchpasst.
Ja, hier ist bei der Versorgung des Patienten Kreativität gefragt. Passiert beispielsweise etwas in einem engen Schacht, liegt der Verletzte senkrecht. Ist ein Bein kaputt, müsste dieses aber hochgelagert werden. Ausserdem muss aufgepasst werden, dass der Verletzte nicht wegrollt.
Welche Herausforderungen stellen sich den Rettern?
Generell sind die Zugänge zu den Unfallstellen immer schwer zu erreichen. Vor einem Jahr mussten wir einen Forscher in einer Höhle suchen, die überflutet war. Der Mann war in einem Hohlraum eingeschlossen. Wir mussten also Taucher schicken.
Und bei der Riesending-Höhle? Für die Rettung mussten ja Spezialisten aus ganz Europa geholt werden.
Der Verletzte liegt sehr tief. Das ist anspruchsvoll. In der Schweiz gibt es nur eine Höhle (Siebenhengst, Anm. d. R.), die tiefer ist. Nur wenige Höhlenforscher klettern regelmässig so tief und verfügen über genug Wissen, Erfahrung und Kondition. Dann muss der Patienten medizinisch versorgt werden, ohne dass man genau weiss, was los ist, weil man ihn nicht angemessen untersuchen kann.
Sorgen Sie sich um die Retter in der Riesending-Höhle?
Die Unterschiede zwischen einer normalen Befahrung und einer Rettung sind eigentlich klein. Was dazukommt sind der vermehrte Materialaufwand und die Verantwortung, die bei einer Rettung auf den Helfern liegt. Diese ist schon eine psychische Belastung für die Retter.
Höhlenforscher befinden sich stunden- oder tagelang unter der Erde. Gibt es Tiefenrausch?
Nein. Höhlenforscher bewegen sich immer auf der sicheren Seite. Schliesslich weiss jeder: Wenn etwas passiert, wird die Rettung langwierig, material- und personalaufwändig. Man muss seine Fähigkeiten deshalb gut einschätzen können. Denn der Abstieg geht rasch, aber man darf nie vergessen, dass man auch wieder raus muss. Ausserdem ist man bei einem Unfall auf die Kollegen angewiesen, die einem wieder rausbringen. Das sind ja keine Profi-Retter.
Es ist dunkel, nass und eng. Warum kriechen Sie überhaupt in Höhlen?
Es ist die Neugier, etwas zu entdecken, das noch niemand entdeckt hat. Das ist wie eine Schatzsuche ohne Schatz. Man hat keinen Strom, kann tagelang nicht duschen und muss das Essen für die ganze Expedition herumtragen. Das ist schon aussergewöhnlich. Und die Kameradschaft ist wahnsinnig eng. Teilweise befindet sich man mehrere Tage unter der Erde, da kommt es oft zu tiefschürfenden Gesprächen, die man oben vielleicht nicht hat.