Überschattet von mehreren globalen Krisen, ist die Weltklimakonferenz COP27 in Ägypten eröffnet worden. Die diesjährige Konferenz sei Teil einer 30 Jahre langen Reise seit Unterzeichnung der Klimarahmenkonvention 1992, sagte der Präsident der COP27, Ägyptens Aussenminister Samih Schukri, beim Auftakt im Badeort Scharm el Scheich am Sonntag. Aus den zerstörerischen Klimaereignissen in Pakistan, Afrika, Teilen Europas und Amerika müssten Lehren gezogen werden. Mit Blick auf die Klimaverhandlungen sagte Schukri: «Bei Nullsummenspielen wird es keine Gewinner geben.»
Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock unterstrich, wie wichtig es sei, die Erderwärmung einzudämmen. «Die Menschheit steuert auf einen Abgrund zu, auf eine Erwärmung von über 2,5 Grad, mit verheerenden Auswirkungen auf unser Leben auf dem einzigen Planeten, den wir haben», teilte Baerbock (Grüne) mit. Die Welt habe «alle nötigen Instrumente in der Hand, um die Klimakrise zu begrenzen und auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen».
In Scharm el Scheich am Roten Meer beraten Vertreter aus knapp 200 Staaten zwei Wochen lang darüber, wie der Kampf gegen die Erderhitzung verstärkt werden kann. Die Zeit drängt, wie ein am Sonntag vorgestellter Bericht der Weltwetterorganisation (WMO) zeigt. Unter den rund 100 anreisenden Staats- und Regierungschefs ist neben dem deutschen Kanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden auch der neue britische Premierminister Rishi Sunak. Am Sonntag waren 44'000 Teilnehmer vor Ort registriert.
Der Präsident der Vorjahreskonferenz COP26 in Glasgow, Alok Sharma, sagte vor der Übergabe des Amts an Schukri am Sonntag, ganze Regionen der Welt seien inzwischen unbewohnbar geworden. Der Druck auf viele Menschen, die umsiedeln müssten, sei fast unvorstellbar. «Diese Konferenz muss sich um konkretes Handeln drehen», forderte Sharma. «Putins brutaler und illegaler Krieg in der Ukraine hat multiple globale Krisen herbeigeführt - Energie- und Lebensmittel-Unsicherheit, Druck durch Inflation und eine Schuldenspirale.» Diese Krisen hätten ohnehin bestehende Verletzlichkeiten durch den Klimawandel noch verschlimmert.
Wie aus dem WMO-Bericht zum aktuellen Zustand des Klimas hervorgeht, deuten sich die vergangenen acht Jahre als wärmste der Aufzeichnungen an. Die weltweite Durchschnittstemperatur lag zuletzt schätzungsweise rund 1,15 Grad über dem Durchschnitt der vorindustriellen Zeit.
Die Konzentration der wichtigsten Treibhausgase - Kohlendioxid (CO₂), Methan (CH4) und Lachgas (N2O) - hat laut WMO 2021 einen neuen Höchststand erreicht, bei Methan war die Zunahme sogar so gross wie nie. Auch im noch laufenden Jahr stieg die Konzentration aller drei Gase in der Atmosphäre weiter an. «Wir haben so hohe Werte an Kohlendioxid in der Atmosphäre, dass das 1,5-Grad-Ziel kaum noch in Reichweite ist», hält Generalsekretär Petteri Taalas fest. Je höher die Erderhitzung sei, desto schlimmer würden die Auswirkungen.
Klimaforschern zufolge muss die Erderhitzung bei 1,5 Grad gestoppt werden, um die Überschreitung gefährlicher Kipppunkte zu vermeiden und die katastrophalsten Folgen des Klimawandels abzuwenden. Zwar gilt es theoretisch noch als möglich, allerdings nur durch ein radikales Umsteuern in der Klimapolitik. Die internationale Gemeinschaft hat sich auf dieses Ziel verständigt, tut aber längst nicht genug, um dieses politisch umzusetzen.
UN-Generalsekretär António Guterres sagte: «Der jüngste Bericht über den Zustand des Weltklimas ist eine Chronik des Klimachaos.» Die Welt müsse mit ehrgeizigen, glaubwürdigen Klimaschutzmassnahmen antworten. «Die COP27 muss der Ort dafür sein, und jetzt muss die Zeit dafür sein.»
Wetterextreme im laufenden Jahr haben der WMO zufolge Millionen Menschen betroffen und Kosten in Milliardenhöhe verursacht. Durch extrem langanhaltende Dürren im Osten Afrikas waren bis Mitte des Jahres bis zu 19,3 Millionen Menschen von unsicherem oder unzureichendem Zugang zu Nahrungsmitteln betroffen. Die Flutkatastrophe in Pakistan kostete demnach im Spätsommer mindestens 1700 Menschen das Leben und vertrieb fast acht Millionen Menschen aus ihrer Heimat.
Über die Finanzierung von klimabedingten Schäden und Verlusten - etwa Schäden von Extremwetterereignissen sowie von langsamen Veränderungen - wird schon lange gestritten. Die Entwicklungsländer, die besonders anfällig sind für Klimaschäden, kämpfen schon lange für förmliche Verhandlungen bei dem Thema. Nun mit Erfolg: Die Finanzierung ist bei der COP27 erstmals Teil der offiziellen Agenda bei einer Weltklimakonferenz. Darauf einigten sich die Teilnehmer am Sonntag. Die COP-Präsidentschaft sprach von einem «historischen Schritt». Die Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt, Jennifer Morgan, sprach von einem «wichtigen Schritt» zum Auftakt. Er zeige die Bereitschaft der Staaten, «bei der Bewältigung der Klimakrise zusammenzuarbeiten».
UN-Klimachef Simon Stiell sagte: «Niemand kann auf dieser Reise nur Passagier sein. Dies ist ein Signal, dass sich die Zeiten geändert haben.» Er fügte hinzu, das Herz der Umsetzung sei, «dass jeder, überall auf der Welt, jeden Tag alles in seiner Macht stehende tut, um die Klimakrise zu bewältigen». Die Stimmen der Wissenschaft zum Klimawandel und seinen Folgen könnten kaum «schärfer, stärker und ernüchternder sein», sagte der Vorsitzende des Weltklimarats (IPCC), Hoesung Lee.
Die Organisation Human Rights Watch sieht in Ägypten trotz wiederholter Kritik keinerlei Besserung bei den Menschenrechten. «Bei Ankunft der COP27-Teilnehmer wird klar, dass die ägyptische Regierung keine Absichten hat, ihre missbräuchlichen Sicherheitsmassnahmen zu lockern», sagte Adam Coogle, zuständig für Nordafrika-Themen bei der Organisation. Das gelte auch für die in Ägypten stark beschnittene Rede- und Versammlungsfreiheit. Bei der COP27 sind Proteste nur zu bestimmten Zeiten und in einer speziell eingerichteten Zone erlaubt. In Deutschland protestierten Klimaaktivisten am Sonntag am Schloss Neuschwanstein im Allgäu für mehr Klimaschutz. (saw/sda/dpa)