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Explosion vor deutschem Konsulat in Afghanistan

Sechs Tote bei Angriff auf deutsches Konsulat in Afghanistan

10.11.2016, 21:1011.11.2016, 07:05
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Die radikalislamischen Taliban-Milizen haben am späten Donnerstagabend das deutsche Generalkonsulat in der nordafghanischen Stadt Masar-i-Scharif angegriffen. Bei der Autobomben-Attacke starben mindestens sechs Menschen, über 120 weitere wurden verletzt.

Der Chef des Zivilspitals der Stadt, Nur Mohammed Fais, sagte, bisher seien fünf Leichen eingeliefert worden. Nach Polizeiangaben war auch ein Attentäter ums Leben gekommen, als er vor dem Konsulat die Bombe zündete. Ein Sprecher des deutschen Auswärtigen Amtes erklärte, alle deutschen Mitarbeiter des Konsulats seien «sicher und unverletzt».

Die «schwer bewaffneten Angreifer» seien vom Sicherheitspersonal des Generalkonsulats, von afghanischen Sicherheitskräften und Sondereinsatzkräften der NATO-Militärmission Resolute Support aus dem etwa zehn Kilometer entfernten, von der Bundeswehr geführten Camp Marmal zurückgeschlagen worden. In dem Lager sind derzeit noch etwa 1000 deutsche Soldaten stationiert, darunter auch eine sogenannte Schnelle Eingreiftruppe. Der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier hatte einen Krisenstab einberufen.

Gewaltige Explosion

Im Generalkonsulat, das erst im Juni 2013 eröffnet worden war, sind etwa zwei Dutzend deutsche Mitarbeiter beschäftigt. Es ist die zweite deutsche Auslandsvertretung neben der Botschaft in der Hauptstadt Kabul. Sie befindet sich im Zentrum der Stadt, unweit der berühmten Blauen Moschee. Aus Sorge vor Anschlägen ist sie streng gesichert, unter anderem durch eine etwa fünf Meter hohe Mauer.

Der Angriff begann laut Einsatzführungskommando der Bundeswehr gegen 23.05 Uhr Ortszeit. Anwohner berichteten von einer gewaltigen Explosion, die einen mehrere Meter tiefen Krater in die Strasse gerissen habe. Ein Sprecher des Gouverneurspalasts, Munir Farhad, sagte, sie sei so mächtig gewesen, dass in weitem Umkreis Fensterscheiben zersplitterten. Der Strom fiel aus. Ein Anwohner sagte, «wir sitzen hier im Dunkeln und haben Angst, zu fliehen. Da draussen könnten noch mehr Taliban sein.»

Gebäude schwer beschädigt

Der Polizeichef der Stadt, Saied Sadat, sagte, am Morgen sei gegen 6.00 Uhr ein zweiter Attentäter entdeckt und festgenommen worden. Er sei unter Schutt begraben gewesen oder habe sich dort versteckt. Afghanische Spezialkräfte seien vor Ort und blieben bis zum Morgen, weil das Tor und Teile der Aussenmauern schwer beschädigt worden seien.

Beim Attentat sei ein mit Sprengstoff gefüllter Lastwagen gegen eine Aussenmauer des Konsulats gefahren worden, sagte Polizeichef Sadat weiter. Es habe sich um einen Kohlelaster gehandelt.

Vergeltungsschlag

Die Taliban bekannten sich zu der Tat. Der Angriff habe sich gegen das «Invasorenland Deutschland» gerichtet und sei Vergeltung für einen Luftangriff in der nordafghanischen Provinz Kundus. Deutschland sei an dem US-Luftangriff beteiligt gewesen, sagte der Sprecher der Taliban, Sabiullah Mudschahid. Die Deutschen hätten den US-Streitkräften die notwendigen nachrichtendienstlichen Informationen zukommen lassen.

Am 3. November waren in Kundus US-Streitkräfte afghanischen Streitkräften unter Beschuss mit einem Luftangriff zu Hilfe gekommen. Dabei waren mehr als 30 Zivilisten ums Leben gekommen. Der Angriff löste international Kritik aus.

Erinnerung an Anschlag in Kabul

Seit März ist ein kleines Kontingent deutscher Soldaten in Kundus zur Beratung der afghanischen Armee. An dem Luftangriff waren sie nach Auskunft der Bundesregierung aber nicht beteiligt.

Es war einer der bisher schwersten Angriffe auf ein deutsches Ziel in Afghanistan. Im Januar 2009 war die deutsche Botschaft in Kabul bei einem Autobombenanschlag beschädigt worden. Ein Talibansprecher gab damals an, zwei deutsche Diplomatenfahrzeuge seien das Ziel gewesen. Experten hielten es damals für wahrscheinlicher, dass die Taliban ein gegenüberliegendes US-Militärcamp angreifen wollten. (gin/cma/sda/dpa/afp)

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«Man sieht allmählich ein, wie töricht es war, so viele Wähler zur AfD zu vertreiben»
Nur wenige kennen die politische Landschaft Ostdeutschlands so gut wie Werner Patzelt. Dass die AfD in den nächsten Jahren absolute Mehrheiten in Ländern wie Sachsen erringt, hält der Politologe für wahrscheinlich. Darauf müsse sich die CDU vorbereiten.
Herr Patzelt, im Januar 2019, als wir uns zuletzt trafen, kritisierten Sie die deutschen Christdemokraten, die Wähler «bis hin zum rechten Narrensaum» nicht mehr an sich binden wollten und so die AfD stark gemacht hätten. Damals war Angela Merkel Kanzlerin. Ist die CDU unter Friedrich Merz wieder auf dem richtigen Weg?
Werner Patzelt: Zumindest sieht man in der CDU und in der Öffentlichkeit allmählich ein, wie töricht es war, so viele Wähler zur AfD zu vertreiben, weil man Politik mit kenntlich üblen Nebenwirkungen einfach nicht korrigieren wollte. Jetzt bezahlt die Strafgebühr nicht bloss die Union, nämlich durch ihre Abhängigkeit von SPD und Grünen, sondern auch unser Land, das von einander gern blockierenden Koalitionären regiert wird. Doch solange die Union keine begehbaren Brücken hin zur Partei ihrer verlorenen Wählerschaft bauen will, muss sie eben weiterhin mit Grünen, Sozialdemokraten und Linken zusammenarbeiten. Dadurch riskiert sie aber weitere Machtverluste zugunsten der AfD. Braucht es wohl einen ersten Landtag mit absoluter AfD-Mehrheit, bevor die Unionsführung das begreift?
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