Frauen in Afghanistan gehen zurzeit auf die Strasse, um für ihre Rechte, gegen die Taliban und gegen Pakistan zu demonstrieren. Afghanische Journalisten, welche über die Frauen-Demonstrationen berichten wollten, wurden von den Taliban schwer misshandelt.
Am Donnerstag, dem 2. September, zogen Frauen durch die Strassen von Herat – der grössten Stadt im Westen Afghanistans. Die Afghanin Sabira Taheri, welche die Demonstration organisiert hatte, sagte damals gegenüber der Washington Post: «Zwei Wochen war ich nun zu Hause und habe den Boden gewischt. Jetzt ist genug. Wir müssen unser Schweigen brechen.»
Am Freitag, dem 3. September, twitterte der afghanische Zeitungsherausgeber Zaki Daryabi ein Video eines Frauenrechts-Demonstrationszuges in Kabul in der Nähe des Präsidentenpalastes.
#Women march in #Kabul stopped by #Taliban’s violence. #Afghanistan pic.twitter.com/5UmAJNejEV
— Zaki Daryabi (@ZDaryabi) September 3, 2021
Während des Taliban-Regimes zwischen 1996 und 2001 waren die Rechte der Frauen stark eingeschränkt: Frauen durften in Afghanistan nicht mehr arbeiten, das Haus nur noch verschleiert und in Begleitung eines männlichen Familienmitglieds verlassen, und in der Öffentlichkeit weder laut sprechen noch lachen.
Zudem wurden Mädchen systematisch vom Schulunterricht ausgeschlossen. Viele Frauen befürchten seit der wiederholten Machtübernahme der Taliban, dass ihre Rechte erneut stark eingeschränkt werden. Darum hielten die Frauen Schilder hoch mit Statements wie «Wir sind nicht die Frauen von vor zwanzig Jahren!» oder «Gleichheit – Gerechtigkeit – Demokratie!»
Auch in den folgenden Tagen gingen die Frauen in Kabul für ihre Rechte auf die Strasse. Am Samstag, dem 4. September, sagte die Demonstrantin Taranum Sajidi gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, dass sie angesichts der Situation gezwungen sei, auf die Strasse zu gehen und ihr Recht einzufordern, denn sie habe drei Universitätsabschlüsse – und nun werde von ihr verlangt, dass sie zu Hause bleibe. Was sie entschieden nicht tun werde.
Auf einem Tweet der BBC-Journalistin Yalda Hakim vom 4. September ist zu sehen, wie eine Frau in ein Megaphon spricht, während sie von Taliban-Kämpfern umring ist. Videos zeigen, wie sich die Frauen Parolen-Duelle mit den Taliban liefern.
Brave Afghan women take to the streets of Kabul protesting for their rights. They've been beaten and injured but remain defiant #Afghanistan pic.twitter.com/fPLDEqnfoa
— Yalda Hakim (@BBCYaldaHakim) September 4, 2021
Bereits am Samstag wird die Stimmung zwischen den Taliban und den Frauen zunehmend aggressiv: Es kommt zu chaotischen Szenen, bei denen Taliban beginnen, die Frauen zu bedrohen und körperlich anzugreifen, um die Proteste zu stoppen. Das Kamera-Team von Daryab hält einige dieser chaotischen Szenen fest:
Look to the footage:
— Zaki Daryabi (@ZDaryabi) September 4, 2021
What is happening with #women marches in #Kabul.
It seems civilian and political protest are not allow any more.
Taliban trying to stop women march which happening second day in row. #Afghanistan pic.twitter.com/vqa8QONLOj
Afghanischen Print-Medien unterstützen die demonstrierenden Frauen:
خانم مبارز توضیح داد که طالبان به نوع پوشش معترضان اعتراض کرده و گفته است که «با استفاده از نام اسلام چهها که نکردهاند!». به گفتهی او، هدف از این گفتههای طالبان آزادیهای فردی زنان بوده است که در دو دههی گذشته به آن دست یافتهاند.#Afghanistanhttps://t.co/ibKljNpKXW
— اطلاعات روز | Etilaatroz (@Etilaatroz) September 4, 2021
Am Montag, dem 6. September, ändern sich die Forderungen auf den Strassen Kabuls, denn die Taliban haben nach eigenen Angaben das Pandschir-Tal eingenommen. Der Widerstandskämpfer Ahmad Massoud hatte zuvor Truppen im Pandschir-Tal gesammelt, um von dort aus den Widerstand gegen die Taliban zu koordinieren.
Nach der Übernahme des Pandschir-Tales durch die Taliban rief Massoud öffentlich dazu auf, weiterhin Wiederstand gegen die Taliban – sowie deren Verbündeten Pakistan – zu leisten.
Doch warum auch gegen Pakistan? Der Chef des pakistanischen Geheimdienstes ISI, Fais Hamid, hatte sich in den Tagen zuvor in Kabul mit Taliban Vertretern getroffen. Deshalb gehen viele Afghaninnen und Afghanen davon aus, dass die pakistanische Regierung die Taliban bei der militärischen Machtübernahme unterstützt hätten.
Für die demonstrierenden Frauen wurden dadurch nicht nur die Taliban, sondern auch die pakistanische Regierung zur Bedrohung ihrer Rechte. Seit Dienstag, 7. September, sind darum auch Schilder mit Slogans wie «Tod Pakistans» oder «Lang lebe der Widerstand» an den Frauendemos vertreten.
Am selben Tag sagt Zabiullah Mujahid, der Sprecher der Taliban im Fernseher, dass die Demonstrationen illegal seien.
Am Mittwoch, 8. September, spricht eine Demonstrantin mit der BBC-Journalistin Yalda Hakim und sagt: «Wie ich sind hunderte, tausende Frauen und Mädchen in Afghanistan bereit zu sterben. Das ist unser Schicksal. Sie werden uns unsere Rechte nicht nehmen können, denn wir werden weiter protestieren, auch wenn wir dabei sterben.»
"Like me, hundreds, thousands of women & girls around #Afghanistan are ready to die. This is our destiny... they are not able to remove us, to take our rights, we will continue our protests even if we die" A young woman in Kabul tells me why she was out on the streets today. pic.twitter.com/Bt0N04h8dB
— Yalda Hakim (@BBCYaldaHakim) September 7, 2021
Am selben Tag tauchen Videos auf, die zeigen, wie die Taliban versuchen, die Demonstrantinnen durch Schüsse in die Luft zu zerstreuen.
For several kilometres well-disciplined Taliban members allowed a protest of approx 300-500 to continue through the streets of Kabul. Talibs guarding Zanbak Square, however, fired in the air, beat protesters, vandalised a vehicle leading them and tore cameras from journalists. pic.twitter.com/e9kPPTquUL
— Andrew Quilty (@andrewquilty) September 7, 2021
Am Mittwoch, 8. September twitterte der Zeitungsherausgeber Daryabi, dass einige seiner Journalisten von den Taliban gefoltert wurden, als sie über die Proteste berichteten.
Auch weitere Journalisten berichten von Misshandlungen und Drohungen – auch ausländische Medienschaffende seien betroffen.
Imran Falzy, @kabulnewstv reporter, was beaten by the Taliban as he was reporting today’s demonstration in Kabul. Taliban had detained 14 journalists who were covering the demonstrations. pic.twitter.com/QWTkNlCU4u
— Sami Mahdi (@Samiullah_mahdi) September 7, 2021
Am Dienstag hatten die Taliban die ersten Mitglieder der neuen Übergangsregierung vorgestellt. Eine Frau sucht man darin vergeblich.
Vor allem ist es beschämend, dass man nichts von anderen islamischen Ländern, oder islamischen Führern hört die diese Schande klar anprangern und verurteilen.