Das frauenverachtende Regime der Taliban hält wieder Einzug im Leben der Afghaninnen. Der neueste Clou der Gotteskrieger: Nachrichtensprecherinnen müssen ihr Gesicht verschleiern.
Doch die Taliban haben nicht mit der Solidarität der männlichen Nachrichtensprecher mit ihren Kolleginnen gerechnet. Denn plötzlich tragen auch die Männer zur exklusivsten Primetime Gesichtsbedeckungen.
Wie es dazu kam:
Seit August sind die Taliban in Afghanistan wieder an der Macht. Und seit da wird das Leben der Frauen systematisch Schritt für Schritt eingeschränkt. Für Mädchen wird der Zugang zu Bildung stark erschwert und Frauen dürfen das Haus maximal im Umkreis von 72 km verlassen – es sei denn, sie sind in männlicher Begleitung. Frauen wurde sogar der Zugang zu medizinischen Einrichtungen ohne männliche Aufsicht untersagt.
Seit Anfang Mai gilt noch eine weitere Vorschrift: Frauen müssen in der Öffentlichkeit nicht nur ihre Haare und den Körper, sondern auch das Gesicht verhüllen. In einem Erlass des Taliban-Chefs Haibatullah Achunsada vom 8. Mai heisst es:
Heutzutage tragen die meisten Frauen in Afghanistan ein Kopftuch – aber viele bedecken ihr Gesicht nicht. Doch nun feiern der Gesichtsschleier und die Burka wohl ein grossflächiges Comeback im Land am Hindukusch. Bereits in der ersten Taliban-Herrschaft von 1996 bis 2001 war die Burka das weltweite Symbol – das Schreckgespenst – für die frauenverachtende Herrschaft der Taliban.
Weiter heisst es in dem Dekret des Ministeriums für die Verbreitung von Tugend und die Verhinderung von Lastern (Ministerium für Sitte und Tugend), dass der Vater oder der engste männliche Verwandte einer Frau aufgesucht, inhaftiert oder aus dem Staatsdienst entlassen werde, wenn eine Frau ihr Gesicht ausserhalb des Hauses nicht bedeckt.
In einem Gespräch mit Al-Jazeera sagte Fawsia Koofi, ehemalige stellvertretende Sprecherin des afghanischen Parlaments, dass die Dekrete der Taliban schlicht ein Zeichen der Unterdrückung der Frauen sei:
Und weiter spricht Koofi die scheinbar verquere Innenpolitik der Taliban-Regierung an:
Denn in Afghanistan herrscht zurzeit eine der schlimmsten Wirtschafts- und Hungerkrisen weltweit. Nicht zuletzt auch darum, weil seit der Machtübernahme durch die Taliban die USA und andere Länder die Entwicklungshilfe gekürzt und strenge Sanktionen gegen das Bankensystem verhängt haben. Doch sowohl die Anerkennung der Taliban als auch eine Lockerung der Sanktionen sind von der internationalen Gemeinschaft unter anderem an die Forderung nach Bildung von Mädchen gekoppelt.
Ob der Fokus der Taliban auf Frauenkleider mitunter ein Ablenkungsmanöver ist, ist unklar. Klar ist aber, dass unter der Talibanregierung kein einziges Dekret erlassen wurde, um dieser Wirtschaftskrise und dem Hunger im Land Herr zu werden.
Am 19. Mai haben die Taliban-Behörden ‹Öffentlichkeit› auch auf Fernsehsender ausgeweitet: Weibliche Moderatoren sollen nun auch ihr Gesicht bedecken, wenn sie auf Sendung sind. Die Eliminierung der Frau in der Gesellschaft schreitet also voran.
Moderatorinnen mit bedecktem Gesicht wären gute Vorbilder für alle Frauen in Afghanistan, erklärte Akif Muhajir, ein Sprecher des Taliban-Ministeriums für Sitte und Tugend, gegenüber Al-Jazeera.
Der afghanische nationale Nachrichtensender ToloNews gab die neue Regelung am Donnerstag auf seinem offiziellen Twitter-Account bekannt. Dazu vermeldet er, dass Vertreter der Ministerien für Sitte und Tugend sowie für Information und Kultur das Urteil als nicht verhandelbar ansähen.
Informing MOBY Group of the order, representatives of the ministries of Vice and Virtue and Information and Culture called it a final verdict and not up for discussion. Based on information received by TOLOnews, the order has been issued to all media outlets in Afghanistan. 2/2
— TOLOnews (@TOLOnews) May 19, 2022
Bei Missachtung der Regeln drohe Entlassung. Auch männliche Verwandte wie Väter, Ehemänner oder andere der Frauen müssen mit einer Strafe rechnen – ebenso wie TV-Manager, die diese Anordnung nicht durchsetzen.
ToloNews-Moderatorin Sonja Niazin sagte gegenüber Al-Jazeera:
Muhajir präzisierte, dass weibliche Moderatoren ihr Gesicht auch durch das Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske bedecken könnten, wie es während der COVID-19-Pandemie weit verbreitet war, wie Reuters schreibt.
Und genau diese Präzisierung fliegt den strenggläubigen und konservativen Taliban nun in Form eines unerwarteten Protestes um die Ohren.
Zuerst kamen nur eine Handvoll Nachrichtensender der neuen Anordnung der Taliban nach. Doch bereits am Sonntag waren die meisten Moderatorinnen mit verschleiertem Gesicht zu sehen.
Doch nicht nur die Frauen tragen im Fernsehen eine Maske: In einem Akt der Solidarität verdeckten plötzlich auch die männlichen Mitarbeiter einiger Sender ihre Gesichter – darunter auch der Hauptnachrichtensprecher von ToloNews und 1TV.
Mit akkurater Frisur, einer goldenen Krawatte und passendem Pochette sass zum Beispiel Nesar Nabil auf ToloNews neben einem Taliban-Vertreter im Nachrichtenstudio – und protestiert so dezent.
Doch die Rebellion der afghanischen Moderatoren gefällt nicht allen: Auf den sozialen Medien gibt es mindestens so viel verachtende Posts über die Rebellen wie Applaus für sie. So schreibt ein Gotteskrieger, dass Journalisten sowieso keine gute Arbeit leisten würden – immerhin postet er dazu ein Bild, auf dem auch die Moderatorinnen von ToloNews zu sehen sind.
#دطلوع تلویزون
— داسلامي امارت لاروی (@WakhilAhmadMukh) May 22, 2022
خبریالان هم ډیر جاهله دي داغه په کومه انګریزي نیکټایې چې یې ځانونه خپه کړي دي هیڅ بد نه ورته ښکاري،
ددي لپاره مناسب کار دا وو چې دښځينه ژوند ترغوره کولویې دنارینو ژوند غوره کړي واي،
مطلب دماسک پرځای یې نبوي سنت ږره پريښي واي،
که څنګه یارانو. pic.twitter.com/b0D310a9k7
Der Kampf der Frauen in Afghanistan um ihre Rechte ist also in die nächste Runde gegangen. Und diese Runde ist noch nicht entschieden. Denn der Widerstand wird in jedes Wohnzimmer des Landes getragen. Er ist sichtbar.
Mir tun die Frauen leid, die sich hier unter Gewaltandrohung fügen müssen und nichts tun können, um aus ihren Lebensverhältnissen zu entkommen.
Und auch die Jungen und Mädchen, die schon in frühester Kindheit von diesen rückständigen Bartfuzzis indoktriniert werden.
So etwas ähnliches (nicht die Verschleierung aber der Rückschritt in der Geschichte mit unterdrückung der Frauenrechte und Selbstbestimmtheit) könnte auch euch blühen wenn ihr den konservativen Strenggläubigen noch mehr Macht gebt!
Keine Macht den sektenartigen Glaubensvereinigungen!