Migration, Pandemie, Klimawandel, Investitionen: Bei einem gemeinsamen Gipfel wollen die Europäische Union (EU) und die Afrikanische Union (AU) ihre Zusammenarbeit vertiefen. Zu dem zweitägigen Treffen in Brüssel werden am Donnerstag und Freitag die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten sowie von rund 40 afrikanischen Ländern erwartet. Die Erwartungen beider Seiten gehen teils weit auseinander. Ein EU-Sondertreffen zur Ukraine sowie die Frage, ob und wie Frankreich seinen Militäreinsatz in Mali fortführen wird, könnten den Gipfel jedoch überschatten.
Der Nachbarkontinent Afrika mit seinen 55 Ländern und rund 1.3 Milliarden Einwohnern ist für die EU von strategisch grosser Bedeutung. Politische Instabilität, Terror und die teils schlechte wirtschaftliche Lage in Teilen des Kontinents sorgen dafür, dass viele Menschen in der EU ein besseres Leben suchen. Zugleich ist das überalterte Europa auf Fachkräfte aus der jungen afrikanischen Bevölkerung angewiesen. Länder wie Russland, China und die Türkei versuchen über riesige Infrastrukturinvestitionen, Waffenlieferungen und Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich an Einfluss auf dem Kontinent zu gewinnen.
Die EU zählt die Zusammenarbeit mit Afrika deshalb zu ihren Prioritäten. Weite Teile des Kontinents wurden von einigen EU-Ländern bis weit ins 20. Jahrhundert brutal kolonisiert. Heute bemüht sich die EU, den afrikanischen Ländern auf Augenhöhe zu begegnen. Etliche EU-Initiativen befassen sich mit Afrika und betonen die enge Zusammenarbeit etwa bei der Digitalisierung, dem Übergang zur klimaneutralen Wirtschaft oder dem Ausbau von Energienetzen. Zugleich dringt die EU auf eine bessere Kooperation im Kampf gegen unerwünschte Migration – und ist auch bereit, die Vergabe von Visa oder die Handelsbeziehungen als Druckmittel zu nutzen.
Ziel des Gipfels ist es, eine gemeinsame Erklärung zu verabschieden. Aus EU-Sicht dürften vor allem die umfangreichen Investitionen im Zentrum des Treffens stehen, mit denen Europa sich im Wettbewerb mit China und anderen Ländern Einfluss in Afrika sichern will. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte vergangene Woche bereits an, dass die EU dafür mehr als 150 Milliarden Euro mobilisieren werde. Im Mittelpunkt sollen etwa Digitalisierung, Bildung und der Verkehrssektor stehen.
Für viele afrikanische Länder kämen derzeitige Investitionen zur richtigen Zeit: Die Wirtschaft liegt aufgrund der Corona-Pandemie seit fast zwei Jahren brach, die öffentlichen Kassen sind leer und die Arbeitslosigkeit hoch.
Für Streit zwischen der EU und der AU hatte in den vergangenen Monaten vor allem der Kampf gegen Covid-19 gesorgt. Zum einen entstand in Afrika der Eindruck, dass Europa Impfstoff horte. Tatsächlich sind in Afrika erst knapp 12 Prozent der Bevölkerung geimpft, während es in der EU mehr als 70 Prozent sind. Hinzu kommt Unmut, weil Europa die Freigabe der Impfstoff-Patente verweigert.
Die EU betont hingegen immer wieder, wie spendabel sie ist: Bislang seien 148 Millionen Dosen Impfstoff an Afrika gespendet worden, heisst es – bis Sommer 2022 soll die Zahl auf 450 Millionen steigen. Beim Gipfel könnte nun eine konkrete Zusage über weitere 29 Millionen Dosen gemacht werden, von denen allein 21 Millionen von Deutschland kommen könnten, wie es aus Regierungskreisen hiess.
Überschattet werden könnte der Gipfel zudem von der Lage im westafrikanischen Mali sowie von der Ukraine-Krise. Am Mittwochabend diskutierten Frankreich und seine internationalen Partner darüber, ob der Anti-Terrorkampf in Mali fortgeführt werden soll. Es gebe wachsende Skepsis, das Engagement in Mali aufrechtzuerhalten, hiess es vor einem Treffen europäischer und afrikanischer Entscheidungsträger aus Élyséekreisen. Die Entscheidung sollte am Donnerstagmorgen im Élyséepalast verkündet werden. Noch vor dem EU-AU-Treffen wollen die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten ausserdem zu einem Sondertreffen in Sachen Ukraine-Krise zusammenkommen.
Der Afrika-Gipfel war wegen der Pandemie um mehr als ein Jahr verschoben worden. Zuletzt waren EU und AU 2017 zu einem Gipfel zusammengekommen. Die Themen haben sich seitdem nicht wirklich verändert, allerdings steht für die AU mittlerweile der Umgang mit der Corona-Pandemie im Vordergrund. Schon damals sicherten sich beide Seiten zu, ihre Zusammenarbeit intensivieren zu wollen. (saw/sda/dpa)