Neue AfD-Jugend soll zahmer auftreten – die Gegner müssen hoffen, dass es keine Show ist
Junge Leute sind meist radikaler als Ältere, das gilt auch und gerade für jenes Segment der Bevölkerung, das politisch aktiv ist: Jungsozialisten dürften manchem sozialdemokratischen Funktionär mehr Mühe bereiten als die bürgerliche Konkurrenz, und Friedrich Merz, der christdemokratische deutsche Kanzler, scheint im Streit um eine geplante Rentenreform mehr Ärger mit dem Nachwuchs seiner eigenen Partei zu haben als mit seinem Koalitionspartner, der SPD.
Ein Sonderfall ist die AfD, die nicht selten derart schrill auftritt, als bestehe sie nur aus Jungen und Junggebliebenen. Dies scheint sich allerdings zu ändern, je mehr die Wahrscheinlichkeit wächst, dass die Partei irgendwann doch regieren könnte. Die deutschen Rechten werden professioneller und geben sich gemässigter, wobei noch unklar ist, ob dahinter lediglich taktische Überlegungen stehen oder – zumindest beim ein oder anderen Mitglied – auch Überzeugung.
Junge Leute wählen häufig die AfD
So soll auch die Parteijugend künftig weniger radikal auftreten. Bereits im Januar hat sich die AfD von ihrer bisherigen Nachwuchsabteilung, der Jungen Alternative (JA), getrennt, die sich daraufhin auflöste. Dieses Wochenende wollen sich die Jung-AfDler neu konstituieren, vermutlich unter dem Namen «Generation Deutschland». Die Trennung von der bisherigen Jugendorganisation geschah wohl auch unter äusserem Druck: Der deutsche Inlandsgeheimdienst hatte die JA als rechtsextrem eingestuft, und als Verein hätte man sie leichter verbieten können als eine Partei.
Zudem hatten sich die rechtsradikalen Jungpolitiker als Imageproblem für die Mutterpartei erwiesen, machten sie doch vor allem durch verbale Ausfälle oder paramilitärische Trainings von sich reden. Die Nachfolgeorganisation, so das wahrscheinliche Kalkül der Parteiführung um Alice Weidel, dürfte sich leichter kontrollieren lassen.
Für die AfD ist die Jugend strategisch wichtig: Schon jetzt schneidet die Partei bei Wählern unter 35 überdurchschnittlich ab. In den sozialen Medien, die für viele junge Leute an die Stelle von Zeitungen oder Fernsehnachrichten getreten sind, sind AfD-Politiker wie Maximilian Krah der Konkurrenz längst enteilt. Auch als Kaderschmiede für die Partei könnte die neue Organisation eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen.
Ein wendiger Chef soll die Jugend führen
Der wahrscheinliche Chef der «Generation Deutschland», Jean-Pascal Hohm, scheint wendig genug zu sein, um seine neue Rolle zur Zufriedenheit Weidels auszufüllen: In der Vergangenheit hatte der Abgeordnete im brandenburgischen Landtag noch die Nähe der Identitären Bewegung gesucht. Nun bedauert der 28-Jährige öffentlichkeitswirksam, einst auf einer Wahlparty gesungen zu haben: «Hey, jetzt geht’s ab, wir schieben sie alle ab.» Das sei doch nicht das Bild, das von einer Feier zurückbleiben solle, sagte er dieser Tage.
Der politische Gegner nimmt der AfD nicht ab, dass sie sich mässigen will: Nicht weniger als siebzehn Gegenveranstaltungen wurden zur Gründung der neuen Jugendorganisation angemeldet, die am Samstag und Sonntag in Giessen stattfinden soll. Bis zu 50’000 Demonstranten könnten den tausend bis 2000 AfD-Jungpolitikern gegenüberstehen, die in der hessischen Universitätsstadt erwartet werden.
Der Giessener Stadtrat tadelte die örtliche Messegesellschaft dafür, der AfD Räumlichkeiten zu vermieten; ein Cateringunternehmen und ein Hotel sagten der Partei ab. Auf linksextremen Internetportalen wie «Indymedia» wird dazu aufgerufen, den Zugang zur AfD-Veranstaltung zu blockieren und die Stadt «zum Brennen zu bringen»; eine stärkere Polizeipräsenz als an diesem Wochenende, so heisst es, habe der 90’000-Einwohner-Ort in seiner Geschichte noch nicht gesehen.
Den Gegnern bleibt womöglich nur eine Hoffnung
Sollte es am Wochenende zu grösseren, womöglich gewalttätigen Auseinandersetzungen kommen, dürfte sich die AfD freuen: Die Extremisten wären dann in den Augen des Publikums die anderen. Die Berührungsängste der Gesellschaft gegenüber der Partei nehmen derweil ab: So hob der Verband der Familienunternehmer dieser Tage ein offizielles Kontaktverbot gegenüber der AfD auf. Viele Mitglieder des Verbands, in dem 6500 vorwiegend kleine und mittelgrosse Unternehmen vertreten sind, dürften sich ohnehin nicht daran gehalten haben.
So spielt die normative Kraft des Faktischen den Rechten in die Hände: In einigen Umfragen ist die AfD bereits die stärkste Partei im Land. Womöglich bleibt ihren Gegnern auf längere Sicht nur eine Hoffnung: Dass sie sich tatsächlich mässigt – und nicht nur so tut, als ob. (aargauerzeitung.ch)
