Die Comedy-Sendung «Saturday Night Live» (SNL) gehört zum Alltag der Amerikaner wie Apfelkuchen mit Ice Cream. Regelmässig werden dabei auch Politiker veräppelt. Diese Woche mussten sich die SNL-Macher nicht lange den Kopf darüber zerbrechen, wer die oder der Auserwählte für den Polit-Sketch sein würde: Katie Britt, eine republikanische Senatorin aus dem Bundesstaat Alabama, war schlicht nicht zu übergehen.
Britt gilt aus ein aufgehender Stern in der Grand Old Party (GOP). Sie kann alle derzeit für Republikaner relevanten Kriterien für sich abhaken: Mutter, konservativ, mit einem ehemaligen Footballstar verheiratet – und bedingungslos loyal zu Trump. Deswegen wird sie gar als mögliche Kandidatin für das Amt der Vize-Präsidentin gehandelt.
Seit dem vergangenen Donnerstag dürften ihre Chancen allerdings deutlich gesunken sein. Britt war auserkoren worden, die Gegenrede zu Joe Bidens «State of the Union»-Rede zu halten. Auf den ersten Blick schien die Wahl eine aufgelegte Sache zu sein: Frau gegen Mann, jung gegen alt, konservativ gegen progressiv. Was konnte da schon schiefgehen?
So ziemlich alles. Britts Auftritt erzielt auf der Fremdschäm-Skala – oder Cringe, wie die Jugend zu sagen pflegt – eine glatte Zehn. Sie hielt ihre Rede ausgerechnet in der Küche, und signalisierte damit den Frauen, dass sie nach wie vor an den Herd gehören. Sie verlas ihre MAGA-Botschaft mit einer affektierten Mädchenstimme und wäre damit selbst beim Vorsprechen für ein Schülertheater durchgefallen. Und sie machte schliesslich noch faktische Fehler, die sich rasch widerlegen liessen. Selbst bei der Rennleitung der GOP löste ihr Auftritt Entsetzen aus.
Britts Gegenrede zu Biden war nicht nur peinlich, sie war auch ein Musterbeispiel dafür, wie die Republikaner ihre Demagogie einsetzen. Die Senatorin benützte dazu das Beispiel einer Mexikanerin, die bereits als Zwölfjährige mehrmals täglich vergewaltigt wurde. Hier das Lügengebäude der Katie Britt:
Die Fakten sprechen eine ganz andere Sprache: Das besagte Mädchen ist inzwischen eine erwachsene Frau und heisst Karla Jacinto Romero. Sie ist nicht das Opfer einer Schlepperbande, sondern wurde von ihrer Mutter aus dem Haus geworfen und fiel danach Zuhältern in die Hände. Die Vergewaltigungen fanden nicht in den USA, sondern in einem Bordell in Mexiko statt, und zwar noch zur Amtszeit von George W. Bush.
Zweites Beispiel eines Cringe-Kandidaten:
Im Bundesstaat North Carolina haben die Republikaner Mark Robinson zu ihrem Kandidaten für die Gouverneurswahl erkoren. Dieser könnte der erste Schwarze in diesem Amt sein. Die Begeisterung im MAGA-Lager schlägt hohe Wellen. Trump spricht gar von einem «Martin Luther King auf Steroiden» und jubelt ihm zu: «Ich denke, du bist mindestens doppelt so gut wie MLK.»
Schauen wir uns also diesen 55-jährigen Wunderknaben näher an: Am Aussehen kann es nicht liegen. Robinson ist krass übergewichtig und strapaziert den Spruch, wonach Politik Showbusiness für hässliche Menschen sei, aufs Äusserte. Auch in Sachen Politik hat er wenig zu bieten. Sein Aufstieg begann 2018 mit einer Hassrede. Er wehrte sich erfolgreich dagegen, dass eine Waffenmesse wegen des Schulmassakers in Florida abgesagt wurde. 2019 wurde er deswegen zum Vize-Gouverneur von North Carolina gewählt.
Robinson hat sich inzwischen als bigotter Hater einen Namen geschaffen: Auf seiner Facebook-Seite finden sich antisemitische Sprüche und gar freundliche Worte für Hitler. Diese hat er allerdings inzwischen gelöscht. Trans Personen bezeichnet er als «Kuh-Scheisse». Weht eine Regenbogen-Fahne auf einer Kirche, ist das eine Beleidigung Gottes. Michelle Obama sei in Wirklichkeit ein Mann und ihr Gatte sei nicht in den USA auf die Welt gekommen, so Robinson. Die Schüler, die gegen die Attentate an ihre Schulen protestieren, sind in seinen Augen «verwöhnte Bengel». Natürlich war der Sieg von Joe Biden das Resultat einer manipulierten Wahl etc. etc.
Dass Anspruch und Wirklichkeit bei Robinson weit auseinanderklaffen, versteht sich fast von selbst. So will er ein Abtreibungsverbot nach bereits sechs Wochen einführen, muss jedoch zugeben, dass seine Frau einst selbst abgetrieben hat. Zudem hat er bei den Steuern geschummelt und seine Frau hat übermässig von den staatlichen Covid-Zuwendungen profitiert.
Kurz: Robinson ist die perfekte Verkörperung des Zustandes der GOP unter Trump. «Ihm geht es nicht um Rechenschaft. Ihm geht es um Zorn. Er verkauft nicht etwas Vernünftiges. Er ist das Instrument chaotischer Wut», stellt Frank Bruni in der «New York Times» fest.
Katie Britt und Mark Robinson sind zwei weitere Zugänge im Horror-Kabinett von Donald Trump. Die Demokraten werden es nicht ungern zur Kenntnis nehmen. Bei den Zwischenwahlen 2022 waren es genau die Extremisten unter Trumps Günstlingen, die versagt haben, Herschel Walker in Georgia beispielsweise, oder Kari Lake in Arizona. Im Fall von Robinson kommt hinzu, dass die Gouverneurswahl traditionell in North Carolina sehr viele Menschen an die Urne lockt. In der Regel profitieren davon die Demokraten. Da dieser Südstaat mittlerweile als «purple» gilt, will heissen, die Wahl kann auf beide Seiten kippen, könnte es gar dazu führen, dass Biden im November diesen Staat für sich entscheiden kann.
Trumps Cringe-Kandidaten sind auch der Beweis dafür, dass es falsch ist, von einer Polarisierung der amerikanischen Politik zu sprechen. Jennifer Rubin, Kolumnistin in der «Washington Post», weist zu Recht darauf hin, dass sich die Demokraten in jüngster Zeit eher gemässigt als radikalisiert haben. Selbst in San Francisco, der Hochburg der Progressiven, haben die Vertreter des äussersten linken Flügels zugunsten der Gemässigten an Einfluss verloren.
Nicht so die Republikaner. Der Einfluss von Trump ist inzwischen total. «Die MAGA-republikanische-Partei ist erschreckend irrational und radikal geworden», so Rubin. «Sie umarmt inzwischen den Totalitarismus, den weissen Nationalismus und den Isolationismus.»
Frau Britt war dermassen unglaublich peinlich und das sogar für bei republikanischen Standards. Schrecklich.
Und sowas ist also ein bürgerlicher "US-Ständerat"
Das mit der Karierre in Washington wars dann. Gut so.