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Wahlen in Kanada: Donald Trump macht die Liberalen «great again»

epa12061719 Canadian Prime Minister Mark Carney celebrates his election win at the Liberal Party election night event in Ottawa, Ontario, Canada, 28 April 2025. Carney was elected prime minister after ...
Donald Trumps Attacken bescherten Mark Carney und den Liberalen einen bis vor kurzem fast undenkbaren Wahlsieg.Bild: keystone
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Donald Trump macht Kanadas Liberale «great again»

Anfang Jahr war die liberale Partei in Kanada am Boden. Jetzt hat sie die vorgezogenen Wahlen gewonnen. Ihren Sieg verdankt sie zwei Namen: Mark Carney und Donald Trump.
29.04.2025, 11:2729.04.2025, 13:41
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In seinen ersten 100 Tagen hat US-Präsident Donald Trump eine Menge Geschirr zerschlagen. Wohin das führt, zeigt sich im nördlichen Nachbarland. Trump will das geostrategisch wichtige und rohstoffreiche Kanada zum 51. US-Bundesstaat machen. Den früheren Premier Justin Trudeau bezeichnete er abschätzig als «Gouverneur».

Trumps Anhänger hatten ihren Spass, wie ein Auftritt von Heimatschutzministerin Kristi Noem in einer Bibliothek zeigte, die direkt auf der Landesgrenze liegt. Die Kanadier konnten darüber nicht lachen. Ein plumper Hurra-Patriotismus nach US-Vorbild war ihnen fremd, doch nun brandete eine Welle des Nationalstolzes durch das zweitgrösste Land der Welt.

FILE - U.S. President Donald Trump, left, and Canadian Prime Minister Justin Trudeau talk prior to a NATO round table meeting at The Grove hotel and resort in Watford, Hertfordshire, England, Dec. 4,  ...
Donald Trump konnte mit Ex-Premier Justin Trudeau wenig anfangen.Bild: keystone

Selbst Separatisten in der französischsprachigen Provinz Québec entdeckten auf einmal ihre kanadische Identität. Die politischen Folgen dieses «Ahornblatt-Nationalismus» zeigten sich bei der vorgezogenen Parlamentswahl am Montag. Die seit zehn Jahren regierende liberale Partei holte die meisten Sitze und bleibt in Ottawa weitere fünf Jahre an der Macht.

Aus für den Strahlemann

Es ist ein bemerkenswertes Comeback, denn noch zu Jahresbeginn lagen die Liberalen, deren Profil etwa jenem der Grünliberalen in der Schweiz entspricht, am Boden. Das lag nicht zuletzt an Justin Trudeau, dessen Strahlemann-Image sich abgenutzt hatte. Seine Niederlage gegen die Konservativen und ihren Chef Pierre Poilievre stand praktisch fest.

Der Premierminister zog die Konsequenzen und trat zurück. Zu seinem Nachfolger wählten die Liberalen mit grossem Mehr den 60-jährigen Quereinsteiger Mark Carney. Der Ökonom hatte zuvor die kanadische Notenbank und – als erster Ausländer – die Bank of England geleitet. Dabei erwarb er sich den Ruf eines fähigen Krisenmanagers.

Trump provozierte bis zuletzt

Trotz oder eher wegen seines Images als trockener Technokrat konnte Carney bei den Kanadiern punkten. Denn damit bildete er einen deutlichen Kontrast zu Pierre Poilievre, dessen Neigung zu populistischen Rundumschlägen ihm das Etikett «Mini-Trump» beschert hatte. Nach den Attacken des realen Trump gegen Kanada wurde es für ihn zur Belastung.

Canada Conservative leader Pierre Poilievre arrives during a news conference in New Westminster, British Colombia, Canada, on Sunday, April 6, 2025. (Ethan Cairns/The Canadian Press via AP)
Canada US  ...
Pierre Poilievres Image als «Mini-Trump» wurde ihm letztlich zum Verhängnis.Bild: keystone

Denn letztlich war es der US-Präsident, der den Liberalen die Auferstehung von den politisch Toten ermöglichte. Bis zuletzt konnte es Donald Trump nicht lassen, den Nachbarn zu provozieren. Im 100-Tage-Interview mit dem Magazin «Time» griff er zur Peitsche, indem er drohte, kein Holz, keine Energie und keine Autos mehr aus Kanada zu importieren.

Entnervter Oppositionschef

Am Wahltag selbst versuchte er es mit Zuckerbrot. Auf Truth Social versprach Trump den Kanadiern eine glänzende Zukunft, sofern sie «den Mann wählen», der Kanada zum «geschätzten 51. Staat der Vereinigten Staaten von Amerika» macht. Wen er meinte, schrieb er nicht, doch vermutlich war es eine Empfehlung für Oppositionsführer Pierre Poilievre.

Der Chef der Konservativen konnte mit dieser «Wahlhilfe» nichts anfangen. Auf X forderte er Trump entnervt auf, sich «aus unserer Wahl» herauszuhalten. In Trumpscher Manier ergänzte er, Kanada werde «immer stolz, souverän und unabhängig und NIEMALS der 51. Staat sein». Es half ihm nichts. In der Nacht auf Dienstag gestand er seine Niederlage ein.

Von den USA abhängig

Mark Carney hingegen liess sich als Sieger feiern, auch wenn die Liberalen vermutlich die absolute Mehrheit im Parlament verpassen werden. Vor seinen Anhängern formulierte er eine klare Warnung an den ungeliebten Nachbarn: «Präsident Trump versucht uns zu brechen, damit Amerika uns besitzen kann – aber das wird niemals passieren.»

«Amerika will unser Land»

Video: extern/Hanna Dedial

Der alte und neue Premierminister kündigte allerdings auch an, er werde sich mit Trump zusammensetzen und die künftigen wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Beziehungen «zwischen zwei souveränen Nationen» erörtern. Denn Carney kann nicht ignorieren, dass das Verhältnis sehr einseitig und Kanada wirtschaftlich enorm von den USA abhängig ist.

Rund drei Viertel aller Exporte gehen in den Süden. Damit kann Donald Trump einen mächtigen Druck erzeugen, auch wenn er vor Mark Carney offenbar mehr Respekt hat als vor dem verhassten «woken» Justin Trudeau. Mit seinen «Eroberungsgelüsten» aber hat der US-Präsident vor allem eines erreicht: Er hat Kanadas Liberale «great again» gemacht.

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1. George Washington, 1789 - 1797, Parteilos. (bild: wikipedia/gilbert stuart)
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Hier teilt Mark Carney gegen Trump aus
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34 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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YvesM
29.04.2025 12:21registriert Januar 2016
Der Rest der Welt könnte sich im Umgang mit Trump einiges von den Kanadiern abkupfern. Jedes Land, dass jetzt fleissig in Washington weibelt, gibt Donald in seinem Vorgehen recht. Allen voran natürlich die Schweiz. Und die Bundesräte sind noch stolz darauf.
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Touché
29.04.2025 12:15registriert Februar 2019
Ich bewundere soeben die Haltung von Kanada.

Die machen es genau richtig.
Nachdem Kanada zu einem kleinen Neben-Staat (Bundesstaat) degradiert wurde, mit angebl. null überlebenschancen ohne das mächtige USA?

Aber Kanada kann auch anders!?

Es hat viel Einfluss, Macht - u. viel mehr Trumph-Karten als man denk?

Hut ab vor dieser Regierung!
Die lässt wenigstens ihre Bevölkerung nicht im Stich.

Das gute daran ist; Der grösste Teil der Kanadier macht bei d. Anti-US-Boykott mit. Made CDN

Bitte auch eine Allianz mit Europa!

D. Platzhirsch DT muss von s. überh. Sockel gestossen werden.
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Gurgelhals
29.04.2025 12:02registriert Mai 2015
Fun Fact: Dieser schleimige Mini-Trump Pierre Poilievre hat nicht nur die Wahl als ganzes, sondern auch noch seinen eigenen Parlamentssitz verloren, den er seit 2004 innehatte.

Es wäre natürlich zu hoffen, dass die Partei nun wieder auf einen halbwegs vernünftigen Weg zurückfindet. Aber wenn man bedenkt, dass die kanadischen Tories schon seit dem fürchterlichen Stephen Harper beharrlich auf diesem Creepshow-Kurs sind, ist das wohl zu viel erwartet (Erin O'Toole hat ja zeitweise versucht, die Partei wieder etwas moderater auszurichten, aber wurde dann nach der verlorenen Wahl 2021 abgesägt).
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    Eigentlich könnte Hanneke Faber rundum zufrieden sein. Die Niederländerin ist seit Ende 2023 Chefin des Computerzubehör-Herstellers Logitech mit Sitzen in Lausanne VD und im kalifornischen Silicon Valley. Die einstige Spitzen-Taucherin, Unilever-Managerin und einzige weibliche CEO eines SMI-Unternehmens übernahm die Leitung der Firma zu einer Zeit, in der die Analysten mit den Logitech-Resultaten nicht mehr zufrieden waren. Nach dem Homeoffice-Boom während Corona verfehlte Logitech die Wachstumsziele.

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