In seinen ersten 100 Tagen hat US-Präsident Donald Trump eine Menge Geschirr zerschlagen. Wohin das führt, zeigt sich im nördlichen Nachbarland. Trump will das geostrategisch wichtige und rohstoffreiche Kanada zum 51. US-Bundesstaat machen. Den früheren Premier Justin Trudeau bezeichnete er abschätzig als «Gouverneur».
Trumps Anhänger hatten ihren Spass, wie ein Auftritt von Heimatschutzministerin Kristi Noem in einer Bibliothek zeigte, die direkt auf der Landesgrenze liegt. Die Kanadier konnten darüber nicht lachen. Ein plumper Hurra-Patriotismus nach US-Vorbild war ihnen fremd, doch nun brandete eine Welle des Nationalstolzes durch das zweitgrösste Land der Welt.
Selbst Separatisten in der französischsprachigen Provinz Québec entdeckten auf einmal ihre kanadische Identität. Die politischen Folgen dieses «Ahornblatt-Nationalismus» zeigten sich bei der vorgezogenen Parlamentswahl am Montag. Die seit zehn Jahren regierende liberale Partei holte die meisten Sitze und bleibt in Ottawa weitere fünf Jahre an der Macht.
Es ist ein bemerkenswertes Comeback, denn noch zu Jahresbeginn lagen die Liberalen, deren Profil etwa jenem der Grünliberalen in der Schweiz entspricht, am Boden. Das lag nicht zuletzt an Justin Trudeau, dessen Strahlemann-Image sich abgenutzt hatte. Seine Niederlage gegen die Konservativen und ihren Chef Pierre Poilievre stand praktisch fest.
Der Premierminister zog die Konsequenzen und trat zurück. Zu seinem Nachfolger wählten die Liberalen mit grossem Mehr den 60-jährigen Quereinsteiger Mark Carney. Der Ökonom hatte zuvor die kanadische Notenbank und – als erster Ausländer – die Bank of England geleitet. Dabei erwarb er sich den Ruf eines fähigen Krisenmanagers.
Trotz oder eher wegen seines Images als trockener Technokrat konnte Carney bei den Kanadiern punkten. Denn damit bildete er einen deutlichen Kontrast zu Pierre Poilievre, dessen Neigung zu populistischen Rundumschlägen ihm das Etikett «Mini-Trump» beschert hatte. Nach den Attacken des realen Trump gegen Kanada wurde es für ihn zur Belastung.
Denn letztlich war es der US-Präsident, der den Liberalen die Auferstehung von den politisch Toten ermöglichte. Bis zuletzt konnte es Donald Trump nicht lassen, den Nachbarn zu provozieren. Im 100-Tage-Interview mit dem Magazin «Time» griff er zur Peitsche, indem er drohte, kein Holz, keine Energie und keine Autos mehr aus Kanada zu importieren.
Am Wahltag selbst versuchte er es mit Zuckerbrot. Auf Truth Social versprach Trump den Kanadiern eine glänzende Zukunft, sofern sie «den Mann wählen», der Kanada zum «geschätzten 51. Staat der Vereinigten Staaten von Amerika» macht. Wen er meinte, schrieb er nicht, doch vermutlich war es eine Empfehlung für Oppositionsführer Pierre Poilievre.
Der Chef der Konservativen konnte mit dieser «Wahlhilfe» nichts anfangen. Auf X forderte er Trump entnervt auf, sich «aus unserer Wahl» herauszuhalten. In Trumpscher Manier ergänzte er, Kanada werde «immer stolz, souverän und unabhängig und NIEMALS der 51. Staat sein». Es half ihm nichts. In der Nacht auf Dienstag gestand er seine Niederlage ein.
Mark Carney hingegen liess sich als Sieger feiern, auch wenn die Liberalen vermutlich die absolute Mehrheit im Parlament verpassen werden. Vor seinen Anhängern formulierte er eine klare Warnung an den ungeliebten Nachbarn: «Präsident Trump versucht uns zu brechen, damit Amerika uns besitzen kann – aber das wird niemals passieren.»
Der alte und neue Premierminister kündigte allerdings auch an, er werde sich mit Trump zusammensetzen und die künftigen wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Beziehungen «zwischen zwei souveränen Nationen» erörtern. Denn Carney kann nicht ignorieren, dass das Verhältnis sehr einseitig und Kanada wirtschaftlich enorm von den USA abhängig ist.
Rund drei Viertel aller Exporte gehen in den Süden. Damit kann Donald Trump einen mächtigen Druck erzeugen, auch wenn er vor Mark Carney offenbar mehr Respekt hat als vor dem verhassten «woken» Justin Trudeau. Mit seinen «Eroberungsgelüsten» aber hat der US-Präsident vor allem eines erreicht: Er hat Kanadas Liberale «great again» gemacht.
Die machen es genau richtig.
Nachdem Kanada zu einem kleinen Neben-Staat (Bundesstaat) degradiert wurde, mit angebl. null überlebenschancen ohne das mächtige USA?
Aber Kanada kann auch anders!?
Es hat viel Einfluss, Macht - u. viel mehr Trumph-Karten als man denk?
Hut ab vor dieser Regierung!
Die lässt wenigstens ihre Bevölkerung nicht im Stich.
Das gute daran ist; Der grösste Teil der Kanadier macht bei d. Anti-US-Boykott mit. Made CDN
Bitte auch eine Allianz mit Europa!
D. Platzhirsch DT muss von s. überh. Sockel gestossen werden.
Es wäre natürlich zu hoffen, dass die Partei nun wieder auf einen halbwegs vernünftigen Weg zurückfindet. Aber wenn man bedenkt, dass die kanadischen Tories schon seit dem fürchterlichen Stephen Harper beharrlich auf diesem Creepshow-Kurs sind, ist das wohl zu viel erwartet (Erin O'Toole hat ja zeitweise versucht, die Partei wieder etwas moderater auszurichten, aber wurde dann nach der verlorenen Wahl 2021 abgesägt).