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Donald Trump will zurück ins Mittelalter

Fotomontage: Donald Trump rechts neben einen angeschnittenen Gemälde vom Gerichtsverfahren gegen Galileo von 1633. Darübergelegt sind Logos der EPA, NIH und CDC
Bild: watson/keystone/getty/imago
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Donald Trump will zurück ins Mittelalter

Der US-Präsident kämpft gegen die Wissenschaft und will die absolute Macht.
02.09.2025, 12:4302.09.2025, 13:11
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In seinem Roman «The Second Sleep» schildert Robert eine Welt, in der die Wissenschaft wie im Mittelalter verbannt und die Kirche wieder die absolute Deutungshoheit über alles hat. Betrachtet man die aktuelle Entwicklung in den USA, erweist sich, was als warnende Dystopie gemeint ist, zunehmend als realistische Zukunftsperspektive.

Donald Trump sagt der Wissenschaft immer offener den Kampf an. Nichts zeigt dies besser als die jüngsten Entwicklungen beim Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Susan Monarez wurde noch vor wenigen Wochen als neue Chefin installiert und dabei mit Lob überschüttet, um jetzt schon wieder gefeuert zu werden. Grund: Sie hat sich geweigert, die abstruse Anti-Impf-Kampagne ihres Chefs, des Gesundheitsministers Robert F. Kennedy Jr., mitzutragen und gestandene Wissenschaftler zu entlassen.

Es sei erwähnt: Das CDC gilt in Sachen Bekämpfung von Pandemien und wissenschaftlicher Forschung auf diesem Gebiet als weltweiter Goldstandard.

epa12324529 United States Secretary of Health and Human Services Robert F. Kennedy, Jr speaks as US President Donald J Trump chairs a Cabinet meeting in the Cabinet Room of the White House in Washingt ...
Kronjuwel der Regierung: Robert F. Kennedy Jr.Bild: keystone

Nun kann man das Ganze als Banalität abtun, denn dass Kennedy, was das Impfen betrifft, mehr als dubiose Thesen vertritt, ist hinreichend bekannt, und früher oder später dürfte er sich ohnehin – wie das so üblich ist – mit Trump überwerfen und aus dem Kabinett fliegen. Elon Musk lässt grüssen.

Weit gefehlt. Kennedy ist alles andere als ein geduldeter Aussenseiter im Weissen Haus. Er gehört zum harten Kern. «Minister Kennedy ist das Kronjuwel unserer Regierung», schwärmt Stephen Miller, der gemeinhin als bedeutendster Einflüsterer Trumps gilt. Pressesprecherin Karoline Leavitt beeilte sich denn auch umgehend zu versichern, der Gesundheitsminister habe mit der Entlassung der CDC-Chefin ganz im Sinne des Präsidenten gehandelt.

Warum das so ist, erklärt Steve Bannon, Trumps ehemaliger Chefstratege, in der «Washington Post»: «Bobby Kennedy ist das Werkzeug, dass MAGA und MAHA (Make America Healthy Again) zusammenschweisst. Wenn wir diese Kombination geschickt handhaben, werden wir unschlagbar sein.»

In den kommenden Tagen wird der Gesundheitsminister sich vor dem Senat rechtfertigen müssen. Bannon warnt davor, sich zu verteidigen, und ruft zu einer offensiven Kampagne auf: «Wenn wir die Zone mit Daten, Studien und Experten fluten, ist das für uns ein Thema, mit dem wir gewinnen werden.»

Romanian supporters of QAnon take part in a rally against the government's measures to prevent the spread of COVID-19 infections, like wearing a face mask, in Bucharest, Romania, Monday, Aug. 10, ...
QAnon-Anhänger mögen Donald Trump.Bild: keystone

Trump stützt nicht nur Kennedy und dessen Impf-Schwurblereien, er flirtet auch regelmässig mit Symbolen von QAnon, einer Kultbewegung, für die keine Verschwörungstheorie zu absurd ist. Vor allem jedoch kennen sein Narzissmus und seine Allmachtsfantasien keine Grenzen. An einer Kabinettssitzung erklärte er kürzlich unumwunden: «Ich bin der Präsident und kann machen, was ich will.»

Die Art und Weise, wie sich die Regierungsmitglieder an dieser Sitzung verhielten, hätte Kim Jong-uns Ministern zur Ehre gereicht. Arbeitsministerin Lori Chavez-DeRemer hatte am Gebäude des Departements of Labor ein riesiges Trump-Porträt anbringen lassen und säuselte: «Mr. Präsident, ich hoffe, Sie haben ihr schönes Gesicht dort gesehen.» Finanzminister Scott Bessent, einst ein geachteter Mann an der Wall Street, entblödete sich nicht, Trump vor laufenden Kameras zu versichern, «er sei der beste Kandidat» für den Friedensnobelpreis und fügte an: «Sie haben dieses Land gerettet.»

Trump führt sein Kabinett nicht nur als Haufen von rückgratlosen Speichelleckern vor, an die entscheidenden Stellen hat er auch Personen gesetzt, die es ihm erlauben, seinen Rachefeldzug gegen seine Feinde ohne Rücksicht auf den Rechtsstaat zu verfolgen. FBI-Direktor Kash Patel, Verteidigungsminister Pete Hegseth und Tulsi Gabbard, Director of National Intelligence, sie alle setzen die Wünsche des Präsidenten blindlings um, selbst wenn sie im krassen Widerspruch zur Verfassung stehen.

Cabinet members applaud President Donald Trump, center, during a cabinet meeting at the White House, Tuesday, Aug. 26, 2025, in Washington. (AP Photo/Mark Schiefelbein)
Donald Trump
Das Kabinett der Speichellecker.Bild: keystone

Der Machthunger des Präsidenten ist noch längst nicht gestillt. Täglich lotet er neue Grenzen des Rechtsstaates aus. So müssen Richter entscheiden, ob er überhaupt dazu ermächtigt ist, Lisa Cook, eine Gouverneurin der Notenbank, zu entlassen. Oder ob er das Recht hat, bereits vom Kongress bewilligte Kredite eigenmächtig zu widerrufen. Vor allem auch, ob seine «reziproken Zölle» verfassungskonform sind oder nicht. Dies hat ein Berufungsgericht jüngst verneint, das letzte Wort muss deshalb der Oberste Gerichtshof sprechen.

Grenzenlos ist auch die Korruption des Präsidenten. Das «Wall Street Journal» vermeldet soeben, dass die Trump-Familie mit ihrer Pseudo-Krpyto-Währung «World Liberty» einen Gewinn von rund fünf Milliarden Dollar eingefahren habe, zumindest auf dem Papier. Diese Währung sei nun «das wertvollste Asset» der Trumps, so das Finanzblatt, wertvoller noch als alle Immobilien. Pressesprecherin Leavitt versicherte jedoch umgehend und treuherzig, dass «weder der Präsident noch seine Familie je etwas tun würden, was je zu einem Interessenkonflikt führen könnte».

Ganz anders sieht dies Frank Bruni, Kolumnist in der «New York Times». Unter dem Titel «Die unkontrollierte, unbalancierte Herrschaft von König Trump» stellt er die rhetorische Frage: «Wie ist es möglich, dass Trump mit seinem Machthunger durchkommt? Weil er keine Skrupel kennt und kein Schamgefühl hat. Weil ihn Tradition und Anstand kaltlassen. Weil er raffgierig ist und sich nicht beherrschen kann.»

FILE - In this March 23, 2019 file photo, Bridgewater Associates Chairman Ray Dalio speaks during the Economic Summit held for the China Development Forum in Beijing, China. On Friday, April 5, Connec ...
Löbliche Ausnahme: Ray Dalio, Hedgefund-Manager.Bild: AP/AP

Die Hoffnung, dass die Wirtschaftsbosse und die Finanzmärkte Trump zur Räson bringen werden, hat sich bisher nicht erfüllt. Die Personen, die sich sonst gerne als die «Masters of the Universe», als die «Big swinging dicks» sehen, halten sich jetzt vornehm zurück. Deshalb spricht die «Financial Times» von einem «kalkulierten Schweigen». Einzige und löbliche Ausnahme stellt Ray Dalio dar. Der Gründer des grössten Hedgefunds warnt in der «Financial Times», dass Amerika unter Trump in Zustände zurück driftet, die an die Dreissigerjahre erinnern. «Auch damals», so Dalio, «haben die meisten aus Angst den Mund gehalten.»

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Trump empfängt Putin in Alaska
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Trump empfängt Putin in Alaska

Donald Trump bei der Ankunft in Anchorage.

quelle: keystone / julia demaree nikhinson
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Putin fährt mit Trump Auto
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146 Kommentare
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YvesM
02.09.2025 12:54registriert Januar 2016
Für meinen Geschmack sind mir die Amis zu ruhig. Wenn der Trump oder sein Nachfolger nicht abgewählt werden bei den nächsten Wahlen, gibt es für viele Amis nur die Flucht.
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Tokyo
02.09.2025 12:48registriert Juni 2021
Grundsätzlich hat der Kongress allein die Hoheit Zölle zu verhängen
Der Präsident nur in einem ausgerufenen Notstand
Das Gericht hat verneint, dass es einen Notstand gibt, der Trump es möglich macht Zölle zu verhängen.
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SC90
02.09.2025 12:55registriert Juli 2025
Google --> Doug Wilson

Der wird von Hegseth regelmässig auf Twitter rezitiert.

Wer etwas aufmerksam die Amerikanischen Geschehnisse beobachtet weiss, wohin der Weg führt: Eine Technokratie im Gewand einer Theokratie.

Mark my words, der nächste Präsident der USA wird ultra-fundamentalistisch christlich sein.
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