Die Frage drängt sich logischerweise auf: Profitiert Donald Trump davon, dass Ron DeSantis das Handtuch in den Ring geworfen hat? Die Antwort ist ein klares Jein.
Sicher, um Trump die Position des Präsidentschaftskandidaten der Grand Old Party streitig zu machen, bräuchte es ein politisches Erdbeben oder ein politisches Wunder – oder beides. Zu eindeutig sind die Umfragen. Selbst wenn Nikki Haley heute in New Hampshire die Vorwahl gewinnen sollte – mit einer gehörigen Portion Fantasie und Optimismus ist das denkbar –, würde ihr das wenig nützen. Schon bei den nächsten Wahlen in South Carolina – dort war sie immerhin einmal Gouverneurin – wird sie von Trump in Grund und Boden gestampft werden.
Der Rücktritt von Ron DeSantis spielt dabei eine untergeordnete oder gar keine Rolle, war doch der Gouverneur vor Florida nach seinem enttäuschenden Abschneiden bei den Vorwahlen in Iowa bereits ein «dead man walking». Wenn überhaupt, dürfte der Ex-Präsident davon profitieren, schliesslich wollte sich DeSantis als «Trump mit Gehirn» in Szene setzen, und das Fähnlein der aufrechten DeSantis-Fans dürfte nun wohl geschlossen ins Trump-Lager wechseln.
Nikki Haley ihrerseits hat zwar das Duell von zwei, das sie sich gewünscht hat; von «einem Mann und einer Frau», wie sie süffisant kommentiert. Sie hat auch – zumindest vorläufig noch – die finanzielle Unterstützung der Milliardäre rund um Charles Koch. Angesichts der hoffnungslosen Lage, in der sich die ehemalige UN-Botschafterin befindet, ist es jedoch bloss eine Frage der Zeit, bis dieser Geldstrom versiegt und auch sie kapitulieren wird.
Spiel, Satz und Macht also für Trump? Nicht ganz. Ein Sieg in den Vorwahlen ist noch lange keine Garantie für einen Einzug ins Weisse Haus. Es gibt Gründe, weshalb sich das Biden-Team den Ex-Präsidenten als Gegner wünschte und immer noch wünscht. Hier sind sie:
Mit breitem Pinsel gemalt kann man sagen, dass sich die amerikanische Wählerschaft in drei ungefähr gleich grosse Gruppen aufteilt. Es gibt die MAGA-Meute, die bedingungslos hinter Trump steht. Eine ungefähr gleich grosse Gruppe lehnt den Ex-Präsidenten ebenso entschieden ab.
Die Wahlen entscheiden wird die dritte Gruppe; die unabhängigen Wähler respektive Wählerinnen. Die einst «soccer moms» genannten Frauen in den Vorstädten werden das Zünglein an der Waage sein. Um diese Stimmen für sich zu gewinnen, müsste Trump Nikki Haley zu seiner Vize-Präsidentin ernennen. So könnte es ihm gelingen, wenigstens einen Teil der Wählerschaft zurückzugewinnen, die sich 2020 von ihm abgewendet hatte.
Trump wird sich jedoch kaum für Haley entscheiden. Einerseits sind die Wunden, die sich die beiden geschlagen haben, zu gross. Vor allem aber ist die MAGA-Meute strikt dagegen. Haley gilt wegen ihrer Vergangenheit als UN-Botschafterin als «Globalistin». Derweil sehen die Evangelikalen in der Tochter von gebürtigen Indern eine suboptimale Repräsentantin für einen christlichen Staat.
Nun ist es keineswegs so, dass Trump tun und lassen kann, was er will, und ihm die MAGA-Meute blind folgt. Als der Ex-Präsident einen der wenigen Erfolge seiner Amtszeit ins Feld führen wollte – die rasche Entwicklung eines Impfstoffes gegen das Coronavirus –, wurde er von seiner Schwurbler-Basis ausgebuht. Seither meidet er das Thema. Sollte er Haley zu seiner Vize ernennen, müsste er mit der gleichen Reaktion rechnen. In den sozialen Medien sind bereits entsprechende Posts aufgetaucht.
Daher ist es wahrscheinlich, dass Trump eine MAGA-Meute-taugliche Kandidatin, etwa Elise Stefanik oder Kari Lake, auswählen wird. Damit vergrault er jedoch die Soccer Moms, deren Stimme er so dringend braucht.
Weitere Faktoren, die gegen Trump sprechen, sind:
Schliesslich sollte man nicht vergessen, dass es Trump noch nie gelungen ist, eine Mehrheit im Volk zu erringen, und dass er in den letzten Jahren eigentlich vor allem teils peinliche Niederlagen erlitten hat. Das heisst nicht, dass er nicht reelle Chancen hat, die Wahlen im November zu gewinnen. Es heisst aber auch, dass alle, die ihn bereits dort wähnen, sich entweder zu früh freuen – oder zu früh in Panik geraten.
Iowa ist sehr konservativ, irrelevant für die meisten.