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Warum Trump Harvard den Krieg erklärt

Warum Trump Harvard den Krieg erklärt. Die Collage zeigt ein Bild von Donald Trump in der Mitte, Pro-Palästina Protesten in Harvard rechts und den Turm des Lowell Houses links.
Bild: watson/keystone/imago
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Warum Trump Harvard den Krieg erklärt

Der US-Präsident will die bekannteste Universität der Welt zerstören.
26.05.2025, 14:1526.05.2025, 17:33
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Harvard University ist die älteste und reichste Universität der Vereinigten Staaten. Sie wurde 1636 in Cambridge bei Boston gegründet, hat 52 Nobelpreis-Gewinner hervorgebracht und ist für Wissenschaftler das Grösste: Wer einen Abschluss von Harvard vorweisen kann, der kann sich fühlen wie ein Fussballer, der die Champions League gewonnen hat.

Seit Trump wieder im Weissen Haus sitzt, hat Harvard massiv Ärger am Hals. Der amerikanische Präsident wirft eine Bombe nach der anderen auf die altehrwürdige Universität: Zuerst hat er ihr Milliarden Dollar an Fördergeldern gestrichen, dann hat er verkündet, er wolle ihren privilegierten Status in Steuerfragen aufheben, und neuerdings will er ihr verbieten, ausländische Studenten aufzunehmen.

Spring buds appear on a tree near Eliot House, rear, at Harvard University, Tuesday, April 15, 2025, in Cambridge, Mass. (AP Photo/Charles Krupa)
Trump Harvard
Die Harvard University in Cambridge (Massachusetts).Bild: keystone

Harvard zählt derzeit rund 25’000 Studenten, ein Viertel davon stammt aus dem Ausland. Sie bilden nicht nur eine wichtige Einnahmequelle, sie sind auch ein entscheidender Bestandteil der Kultur der Universität. Jason Furman, ein ehemaliger Student und aktueller Ökonomieprofessor, stellt daher in der «Financial Times» fest:

«In meinen ersten Jahren in Harvard lebte ich mit zwei meiner engsten Freunde zusammen. Der eine war Kanadier, der andere aus Südafrika. Dank ihnen und vielen anderen ausländischen Studenten wurde ich mit neuen Ideen konfrontiert – und hatte schlicht Spass. Viele dieser Studenten blieben in den USA und wurden Ärzte, Akademiker, Journalisten und Geschäftsleute. Andere kehrten nach Hause zurück, behielten jedoch lebenslange Verbindungen zu den USA und allem, was das Land zu bieten hat.»

Für Trump und die MAGA-Meute zählt dies nicht. Für sie steht Harvard für alles, was sie verachten. Sie beschimpfen sie als «nationale Schande», als «woke Koran-Schule», als «maoistisches Indoktrinations-Camp» und als «Jauchegrube für Extremisten». Trump bezeichnet Harvard gar als «Gefahr für die Demokratie», die praktisch nur «Woke, radikal Linke, Idioten und Spatzenhirne» beschäftige.

Die MAGA-Meute macht Elite-Universitäten wie Harvard dafür verantwortlich, dass die Klima-Lüge verbreitet und die Menschen während der Pandemie gezwungen wurden, sich impfen zu lassen. J.D. Vance brachte es deshalb an einer nationalen Konferenz für Konservative schon vor mehr als drei Jahren auf den Punkt: «Die Universitäten sind der Feind.»

Steven Pinker ist ein weltweit bekannter Psychologie-Professor. Seit nunmehr 22 Jahren lehrt er in Harvard und stellt nicht in Abrede, dass – was die Sozialwissenschaften betrifft – die Linksliberalen in der Mehrheit sind. Gemäss einer Umfrage unter den Mitgliedern des Lehrkörpers bezeichnen sich gerade mal drei Prozent als «konservativ» oder «sehr konservativ».

epa06336122 Professor Steven Pinker of Harvard College gives the speech 'Beyond Violence' on the first day of the City of Ideas festival held in the city of Puebla, Mexico, 17 November 2017. ...
Renommierter Psychologe: Steven Pinker.Bild: EPA/EFE

Trotzdem stellt Pinker in einem Gastkommentar in der «New York Times» fest:

«Obwohl Harvard zweifellos von einer grösseren politischen und intellektuellen Diversität profitieren würde, ist es weit davon entfernt, eine ‹radikal linke Institution› zu sein. (…) Während Jahren sind beispielsweise die Einführungskurse in Ökonomie von Konservativen und Neoliberalen durchgeführt worden, und die Einführungskurse in Computerwissenschaften und Lebenswissenschaften sind strikt apolitisch.»

In Anlehnung an das von Konservativen so bezeichnete «Trump Derangement Syndrome» – einer irrationalen Wut auf den Präsidenten –, spricht Pinker daher von einem «Harvard Derangement Syndrome».

Antisemitismus dient Trump und den Konservativen als Vorwand für ihren Feldzug gegen Harvard. Sie machen geltend, dass Juden bei den Demonstrationen für Palästina massiv bedroht geworden seien und dass die Leitung der Universität nichts für ihren Schutz unternommen habe.

Dazu muss man wissen: Harvard ist sehr gross. Nebst den bereits erwähnten 25’000 Studenten gibt es auch 2400 Mitglieder des Lehrkörpers, die sich auf 13 unterschiedliche Institute verteilen. «Es ist unausweichlich, dass es angesichts dieser Vielfalt auch ein paar Exzentriker und Störenfriede darunter hat», stellt Pinker fest.

epa11364800 Harvard University's interim president Alan Garber applauds during the 373rd Commencement ceremony at the Harvard University in Cambridge, Massachusetts, USA, 23 May 2024. EPA/MARK ST ...
Jüdisch: Harvard-Präsident Alan Garber. Bild: keystone

Doch der Antisemitismus-Vorwurf steht auf sehr wackligen Beinen. Der aktuelle Präsident Alan Garber ist Jude und Harvard bietet nicht weniger als 60 Kurse mit jüdischen Themen an. «In meinen Jahrzehnten in Harvard habe ich keinen einzigen antisemitischen Vorfall erlebt», stellt Steven Pinker fest, «das gilt auch für alle anderen prominenten Mitglieder der Fakultät.»

Zu Recht stellt der renommierte Psychologe auch fest, dass die plötzliche Sorge um die Juden merkwürdig sei, «zumal Trumps Sympathien für Holocaust-Leugner und Hitler-Fans» bekannt ist. Schliesslich schreibt Pinker auch: «Mr. Trumps Würgegriff wird den Juden mehr Schaden zufügen als das, was alle anderen Präsidenten zeit meines Lebens getan haben. Viele praktizierende und angehende Wissenschaftler sind jüdisch, und sie betrachten sein Embargo der Staatsgelder mit Entsetzen. Denn sie werden entlassen, ihre Labore werden geschlossen, und ihre Lebensträume gehen in Rauch auf.»

Tatsächlich ist der Schaden, den Trumps Feldzug gegen Harvard und die anderen Elite-Universitäten führt, immens. Nicht nur materiell: Rund eine Million ausländische Studenten bringen jährlich rund 50 Milliarden Dollar nach Nordamerika.

Jetzt fliehen verunsicherte Wissenschaftler ins Ausland, und verunsicherte ausländische Studenten weichen an andere Hochschulen aus. «Der Ruf der USA als Land, das Talente willkommen heisst, wird nicht so schnell wieder repariert sein», stellt der «Economist» fest.

Das «Wall Street Journal» doppelt nach: «All dies wird Amerikas Möglichkeiten, junge Talente anzulocken, massiv beschädigen. Nicht-amerikanische Bürger haben 2022 für mehr als die Hälfte aller abgeschlossenen Doktor-Titel gesorgt. Viele von ihnen arbeiten heute bei Unternehmen wie Nvidia, oder haben ihre eigene Firma gegründet.»

epa12037741 People attend the National Day of Action for Higher Education rally at Foley Square in New York, New York, USA, 17 April 2025. The organizers oppose conservative politicians withholding fu ...
Demonstration in New York gegen Trumps Krieg gegen die Universitäten.Bild: keystone

Der kürzlich verstorbene Politologe Joseph Nye, ebenfalls ein Harvard-Professor, hat den Begriff «soft power» geprägt. Darunter versteht man die Möglichkeit, Einfluss auszuüben, ohne Gewalt anzuwenden. Harvard war bisher so etwas wie ein Flugzeug-Träger in Sachen Soft Power. Jetzt wollen ihn Trump und sein MAGA-Mob mutwillig und ohne Not zerstören.

Die lachenden Dritten sitzen einmal mehr in Peking. «Chinas Mitglieder des Politbüros müssen sich schütteln vor Lachen und können ihr Glück kaum fassen», stellt das «Wall Street Journal» fest. «Ihr grösster Gegner schiesst sich selbst ins Knie – zuerst mit den Zöllen, die seine Firmen weniger wettbewerbsfähig machen, und jetzt mit dem Angriff auf ausländische Talente.»

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Donald Trump: Das Leben (und die Psyche) des US-Präsidenten in Bildern
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Donald Trump: Das Leben (und die Psyche) des US-Präsidenten in Bildern

Sicherlich hatte er bereits 1987 in seinem Trump Tower Office davon geträumt, dass er einmal die ganze Welt in Händen halten würde.

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Einmaliger Gebrauch: Trump Mittlerer Osten Daily Show
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211 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Magnum
26.05.2025 15:18registriert Februar 2015
Die bildungsferne MAGA-Bagage greift die renommierteste Universität der Vereinigten Staaten. Dazu passt, dass das Bildungsministerium von einer ehemaligen Wrestling-Liga-Managerin abgewickelt werden soll.

Rechstpopulisten rund um den Globus hassen höhere Bildung. Denn Ungebildete sind einfacher zu beherrschen.
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spinfermions
26.05.2025 15:19registriert September 2024
Trump geht auf Harvard los, die SVP auf unsere Unis – beide kämpfen gegen die „Elite“. Christoph Mörgeli warnte schon 2007 vor „Horrorszenarien“ der Klimaforschung, Marcel Dettling nennt Klimaschutz „Geldmacherei“. Christoph Blocher sieht Hochschulen „links unterwandert“, Ueli Maurer verlor während Corona das Vertrauen in die Wissenschaft. Wer argumentiert, verliert – wer Zweifel sät, gewinnt. So wird Bildung zur Bühne für Kulturkampf. Vertrauen in Forschung? Zweitrangig.
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ReMoo
26.05.2025 14:45registriert Dezember 2020
Könnte es auch ein Grund sein, das sein Sohn Baron für Harvard abgelehnt wurde und eine Tochter von Obama aufgenommen wurde? dies war zumindest in anderen Medien zu lesen.
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