Nach drei Anläufen und jeder Menge von Peinlichkeiten haben die Abgeordneten der Grand Old Party (GOP) ihren Speaker, ihren Anführer im Repräsentantenhaus, gewählt. Das ist vergleichbar mit unserem Nationalratspräsidenten, nur ist der Job viel bedeutender. Der Speaker kann bestimmen, welche Gesetze zur Abstimmung kommen, wer in welchen Komitees Einsitz nehmen darf – und er oder sie ist der oder die Dritte in der Nachfolge für das Amt des Präsidenten.
Das Amt des Speakers ist daher in der Regel altgedienten und respektierten Abgeordneten vorbehalten, Politikern, welche die äusserst komplexe Maschine des amerikanischen Kongresses in- und auswendig kennen, die wissen, welche Knöpfe man drücken muss, um ein Gesetz zu verabschieden, und die über einen hochprofessionellen Stab verfügen.
Die Republikaner haben nun Mike Johnson gewählt, einen 51-jährigen Abgeordneten aus dem Südstaat Louisiana, der erst seit 2016 im Kongress sitzt. Mike wer?, fragen sich selbst politisch versierte Insider. Auch die eigenen Parteimitglieder kannten ihn bisher nicht. Kay Granger, ein Abgeordneter aus Texas, verwechselte ihn mit einem Mike Rogers, sein Kollege Paul Gosar sprach ihn in seiner Gratulationsrede als Jim Johnson an, und die Senatorin Susan Collins bekannte, dass sie den Namen zunächst googeln musste.
Die wahrscheinlich zutreffendste Beschreibung von Mike Johnson lieferte indes der Comedian Jimmy Kimmel: «Er sieht aus wie ein Knabe, der sich an Halloween als Abgeordneter verkleidet hat.»
Tatsächlich sieht Johnson noch jünger aus als er tatsächlich ist, und er gilt als umgänglich. Diese Eigenschaften – und paradoxerweise die Tatsache, dass er bisher in den hinteren Bänken gesessen hat – haben ihm nun das Amt des Speakers eingebracht. Anders als der Hardliner und Schreihals Jim Jordan ist er bisher nicht angeeckt. Er gilt auch nicht als Washingtoner «Sumpf-Kreatur», als Politiker, der von so vielen Lobbyisten Geld erhält, dass er nicht mehr in der Lage ist, die Interessen seiner Wählerinnen und Wähler wahrzunehmen.
Und ja, die Republikaner waren erschöpft. Zuerst die idiotische Absetzung ihres Speakers Kevin McCarthy, dann das wochenlange Theater um dessen Nachfolge, all dies zehrte an den Nerven und spaltete die GOP in verschiedene Lager, die sich einen eigentlichen Bürgerkrieg innerhalb der Partei lieferten. Die Republikaner wollten einen, irgendeinen Kandidaten, der die nötigen 217 Stimmen auf sich vereinen konnte, und hätten wahrscheinlich auch einen Goldfisch auf den Stuhl des Speakers gesetzt.
Nun haben sie Mike Johnson erhalten. Er mag bisher ein Hinterbänkler gewesen sein, doch er ist kein Mann ohne Eigenschaften. Johnson ist ein tief gläubiger Evangelikaler. Er ist gegen Abtreibung, gegen die Homo-Ehe, will keinen Sexualunterricht in der Primarschule und keine Unterstützung für die LGBTQIA+-Gemeinde. Als fiskalisch-konservativer Politiker will er die Staatsausgaben kürzen, insbesondere die Sozialausgaben und Medicare. Kurz: Johnson ist ein Südstaaten-Redneck erster Güte.
Dazu kommt, dass Johnson ein bedeutender Faktor bei Trumps Big Lie war. Er hat sich geweigert, die Wahl von Joe Biden zu zertifizieren und war einer der 126 Abgeordneten, welche den Obersten Gerichtshof aufforderten, die Wahlresultate in Georgia, Pennsylvania, Wisconsin und Michigan zu annullieren. Kein Wunder, dass der Ex-Präsident und die «Verrückten» um Matt Gaetz und Marjorie Taylor Greene von seiner Wahl begeistert sind. «Mike Johnson, bring es so rasch wie möglich über die Bühne», liess denn auch Trump auf seiner Plattform verlauten.
Ob Johnson lange Freude an seinem Amt haben wird, ist jedoch fraglich. Harte Entscheidungen warten auf ihn. So muss er demnächst die Frage der Verabschiedung des Haushalts klären. Sein Vorgänger Kevin McCarthy wurde von acht Rebellen aus den eigenen Reihen aus dem Amt gekickt, weil er einem Kompromiss zugestimmt hatte, welcher einen Shutdown der Regierung verhindert hat. Zumindest vorläufig: Dieser Kompromiss ist zeitlich begrenzt, die Frist wird Mitte November abgelaufen sein.
Wie weiter? Wird Johnson den Kompromiss akzeptieren oder steuert er auf einen neuen Shutdown der Regierung zu? Bereits haben die Hardliner des House Freedom Caucus, einer Vereinigung von Spar-Fanatikern innerhalb der GOP, erste Drohungen ausgesprochen. Chip Roy, einer ihrer Anführer, erklärte gegenüber Bloomberg News, er werde einem Haushaltsgesetz nur dann zustimmen, wenn mindestens 30 Prozent der Ausgaben gestrichen würden.
Diese Forderung ist illusorisch. Ein von den Demokraten beherrschter Senat und ein demokratischer Präsident werden eine solche Forderung niemals akzeptieren. Wird Speaker Johnson also einem Shutdown zustimmen im Wissen, dass dies in der aktuellen geopolitischen Lage so ziemlich das Dümmste ist, was sich die Amerikaner leisten können? Auch im Wissen, dass ein solcher Shutdown der GOP weit mehr schaden würde als den Demokraten?
Apropos Geopolitik: Auch hier muss der neue Speaker über seinen Schatten springen, will er die bisher ungeklärte Frage der Hilfe für Israel und für die Ukraine lösen. Er selbst hat gegen das letzte Hilfspaket an die Ukraine gestimmt, mit dem dümmlichen Argument, dieses Geld würde besser zur Sicherung der Grenze gegen Mexiko verwendet.
Nun muss er entscheiden, ob er das neue Hilfspaket von Joe Biden, das 105 Milliarden Dollar für Israel, die Ukraine und Taiwan umfasst, zur Abstimmung bringen will oder nicht. Eine Weigerung kann sich Johnson als Speaker eigentlich nicht mehr leisten, will er nicht völlig unverantwortlich dastehen. Angesichts der neuen «Achse des Bösen» – Russland, China und der Iran – müsse er seine Meinung ändern, wird er selbst von den konservativen Kommentatoren des «Wall Street Journal» aufgefordert.
Als unbefleckter Speaker wird Mike Johnson zunächst eine Honeymoon-Phase geniessen können. Lange dürfte diese nicht dauern. Mehr als ein kurzfristiger Waffenstillstand ist damit innerhalb der GOP nicht erreicht worden. Die Republikaner sind damit zwar «wieder im Geschäft», wie die «Washington Post» kommentiert. «Aber, wie die ersten Störmanöver der Hooligans im Saal klargemacht haben, so dysfunktional wie zuvor.»
Ich bin immer wieder erstaunt über diese Kombi. Den Heiland preisen und die Armen versumpfen lassen. Ekelhaft, so ein Glaube.
Ich meine, die Gründerväter haben sich zusammen an den Tisch gesetzt und gewisse Dinge angenommen, in gutem Treu und Glauben und so die Verfassung geschrieben. Die konnten und mussten auch nicht davon ausgehen, dass sich über 200 Jahre später Betriebsunfälle wie Trump ereignen würden.
Und jetzt hocken sie im Seich.
Nennt mich naiv, aber ich glaube, ein Speaker Johnson ist besser als kein Speaker.
Wir werden sehen.
Der neue Speaker ist ein gefährlicher, demokratiefeindlicher Extremist!
Er teilt die Lügen von Trump und hetzt wo er nur kann.
Die Republikaner sind eine Gefahr für die freie Welt. Leider wird dies immer noch verharmlost.