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Trump, Putin und die Ukraine: Die Putinisierung Amerikas

Die Putinisierung der USA. Putin als Puppenspieler hinter Donald Trump
Bild: watson/keystone/imago
Analyse

Die Putinisierung Amerikas

Die USA sind nicht mehr Führer der freien Welt.
25.02.2025, 14:5725.02.2025, 14:57
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Seit gestern ist es de facto offiziell: Die USA stehen nicht mehr für Demokratie und Rechtsstaat. Zusammen mit Staaten wie dem Iran und Nordkorea haben sie sich geweigert, eine UN-Resolution zu unterstützen, welche den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilt. «Das ist ein Moment der Wahrheit, ein historischer Moment», erklärte daraufhin Mariana Betsa, die stellvertretende Aussenministerin der Ukraine, vor der UN-Generalversammlung.

Auch das konservative «Wall Street Journal» ist entsetzt und verweist auf die ehemalige Lichtfigur der Republikaner. «Ronald Reagan wollte ebenfalls Frieden stiften, und es gelang ihm auch», kommentiert das Blatt. «Aber er ist nie davor zurückgeschreckt, der Sowjetunion auch die Wahrheit zu sagen. Die Wahrheit war es auch, die Reagan massgeblich geholfen hat, das ‹Reich des Bösen› zu besiegen.»

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Mariana Betsa, stellvertretende Aussenministerin der Ukraine, in der UNO-Generalversammlung.Bild: keystone

Die neue Weltordnung gemäss Trump zeichnet sich immer deutlicher ab. Es geht nicht mehr darum, dass die Souveränität auch kleinerer Nationen geschützt und die Regeln des Völkerrechts eingehalten werden. Vielmehr wird die Welt eingeteilt in die drei Machtblöcke USA, China und Russland. Diese befehlen, und die Kleinen haben zu gehorchen.

Die Macht der Grossen geht dabei Hand in Hand mit unverhohlener Ausbeutung. Die Ukraine hat einen grossen Teil ihrer Bodenschätze auszuhändigen, will sie nicht vollständig von Putin verschlungen werden. Auf die gleiche Weise will Trump offenbar auch gegen Taiwan vorgehen. «In der Gerüchteküche von Washington wird bereits die These herum geboten, wonach die USA Taiwan mit Strafzöllen drohen will, es sei denn, Taiwan sei bereit, einen grossen Teil von TSMC, dem weltweit führenden Chip-Hersteller, einem amerikanischen Käufer abzutreten», stellt Gideon Rachman in der «Financial Times» fest.

Nicht nur die Welt wird nach der Mafia-Logik neu geordnet, auch im Innern sollen sich die USA am Vorbild von Russland orientieren. Die renommierte Journalistin Susan Glasser titelt daher im «New Yorker»: «Trumps Putinisierung von Amerika» und sie weiss, wovon sie spricht: Sie war einst jahrelang Korrespondentin in Moskau und hat Putins Aufstieg hautnah verfolgt.

Was in den USA derzeit abgeht, überrascht selbst die hartgesottenen Falken Russlands. So kommentierte Dimitri Medwedew, der ehemalige Marionettenpräsident, Trumps «Selenskyj ist ein Diktator»-Zitat auf X wie folgt: «Hätte man mir vor drei Monaten gesagt, das seien die Worte eines amerikanischen Präsidenten, hätte ich laut gelacht.»

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Trump als Karikatur mit Kim Jong-un und Putin an einem Karneval-Umzug in Nizza.Bild: keystone

Psychoanalytisch gesehen ist Trumps Selenskyj-Zitat eine Projektion in reinster Form. Er selbst will Diktator sein und macht auch gar kein Hehl mehr daraus. So veröffentlichte er kürzlich ein Bild mit einer Königskrone und rechtfertigte seine regelmässigen Rechtsbrüche mit einem angeblichen Napoleon-Zitat: «Wer das Land rettet, kann das Recht nicht verletzen.»

Schattenpräsident Elon Musk säubert derweil mit dem ihm eigenen Sadismus die Verwaltung von angeblich «woken» Beamten. Walter Isaacson zitiert ihn in seiner Musk-Biografie wie folgt: «Es ist nicht dein Job, dass dich die Leute oder dein Team mögen. Vielmehr ist das geradezu kontraproduktiv.»

Trump und die MAGA-Ideologen sprechen zwar andauernd davon, dass nicht mehr DEI (Diversität, Gleichheit und Inklusion) als Qualifikation angezeigt sei, sondern ein Leistungsausweis. Ein Hohn, denn in Wirklichkeit werden gerade tüchtige Personen entlassen und durch bedingungslos Loyale ersetzt.

Typisches Beispiel dafür ist die jüngste Säuberungswelle im Pentagon. Der bisherige Oberbefehlshaber Charles Brown wurde gefeuert, weil er angeblich eine DEI-Politik verfolgt habe. Brown ist ein hochdekorierter Vier-Sterne-General, dessen Leistung nie bezweifelt wurde. Ersetzt werden soll er von einem unbekannten Drei-Sterne-General und Trump-Bewunderer.

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Gefeuert: Oberbefehlshaber Charles Brown.Bild: keystone

Noch erschreckender ist die Tatsache, dass Trump alle bisherigen Generäle entlassen hat, die dafür zuständig sind, darüber zu wachen, dass die Verfassung eingehalten wird. In der «New York Times» gibt Frank Kendall, der ehemalige Chef der Airforce, seinem Entsetzen darüber Ausdruck und erklärt: «Amerika hat jetzt einen Schurken-Präsidenten.»

Mit der Putinisierung Amerikas werden die bisher gültigen Werte auf den Kopf gestellt. Typisches Beispiel dafür ist die Liebe zur deutschen AfD von Elon Musk und J.D. Vance. Dabei sind es ausgerechnet die Rechtspopulisten, welche Anti-Amerikanismus auf ihre Flagge geschrieben haben.

Alice Weidel hat noch vor kurzem in einem Interview mit dem «American Conservative» erklärt, die Deutschen seien «Sklaven» der Amerikaner und ihr Land «eine Kolonie». Ihr Co-Chef Timo Chrupalla klagte derweil, Europa sei «gezwungen, amerikanische Interessen zu vertreten». Bei der äussersten Rechten, bei den Daniele Gansers und Jürgen Elsässers, ist der Anti-Amerikanismus noch weit extremer.

Die Putinisierung Amerikas geht einher mit einer Verrohung der Gesellschaft, die an die wilden 1920er-Jahre erinnert. In seinem Roman «The Great Gatsby» beschreibt Scott Fitzgerald das Verhalten seiner beiden Protagonisten wie folgt: «Sie waren unvorsichtige Menschen, Tom und Daisy – sie zerschlugen Menschen und Dinge und zogen sich dann zurück (…) und überliessen es anderen, die Sauerei aufzuräumen, die sie angerichtet hatten.»

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quelle: keystone / anatoly maltsev
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192 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Pi ist genau Drei!
25.02.2025 14:43registriert Februar 2017
Nach einem Monat und 5 Tagen fühlt es sich bereits an, als wäre das komplette Land umgekrempelt worde. Ich mag mir nicht ausmalen, wie es in vier Jahren aussehen wird.
2026
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Xicotencatl Axayacatl
25.02.2025 14:51registriert August 2024
Die „neue Weltordnung“ bedeutet, dass es das, was wir seit 1945 als „Westen“ bezeichnen, nicht mehr gibt. Es gibt Europa, die Achse Moskau-Peking, und das neue Amerika, das sich deutlich an Moskau orientiert.
Was wirklich erstaunt, ist das Ausmass der Anbiederung, nicht dass Trump den autoritären Herrscher mimt. Putin ist ein Homo Sovieticus, ein KGBler. Er wird nach guter alter Kompromat-Manier etwas gegen Trump in der Hand haben. Anders kann ich mir Trumps Kuschen nicht vorstellen.
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Der Micha
25.02.2025 14:45registriert Februar 2021
Und das Traurige ist, dass man zumindest Trump hätte verhindern können. Das die Reichen und Unternehmer Trumpisten sind ist logisch, da diese Subventionen und Steuererleichterungen erhoffen, die sie auch bekommen.

Leider werden dadurch die Sozialleistungen gekürzt. Genauso hätte man wissen müssen, dass man mit Strafzöllen keine Inflation bekämpft. Und trotzdem wurde er in vielen ländlichen Regionen gewählt.

Dies kann man nur mit fehlende Bildung und Menschenhass erklären. Etwas anderes fällt mir nicht ein.
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