Jack Goldsmith ist ein respektierter Rechtsprofessor an der Harvard University. Er diente in der Regierung von George W. Bush, ist jedoch ein erklärter Trump-Gegner. In der «New York Times» hat er kürzlich einen Gastkommentar veröffentlicht, in dem er vor den Folgen der Strafprozesse gegen den Ex-Präsidenten warnt. Er schreibt:
Die düstere Prophezeiung von Jack Goldsmith ist im Begriff, in Erfüllung zu gehen. Republikaner im Senat des Bundesstaates Georgia überlegen sich bereits, wie sie die Staatsanwältin Fanni Willis absetzen können. Sie hat Trump zusammen mit 18 anderen Personen wegen bandenmässigen Verbrechen angeklagt.
In Washington wollen derweil die Abgeordneten der Grand Old Party (GOP) unter Führung des Hardliners Jim Jordan abklären, ob allenfalls nationale Steuergelder für das Verfahren gegen Trump missbraucht worden sind. Und die «Verrückten» unter den Republikanern, Marjorie Taylor Greene und Lauren Boebert, sprechen von einem Impeachment gegen Joe Biden.
Mit Trumps Mugshot wird Öl ins Feuer der Rechten geschüttet. Bei Fox News und anderen konservativen Medien ist das Polizeifoto das Symbol eines ungerechten, gegen die Republikaner gerichteten Justiz-Systems. Trump habe doch gar nichts verbrochen, er habe lediglich eine Nachzählung verlangt, was im Übrigen sein gutes Recht sei, wird gejammert. Sein legendärer «Finden-Sie-mir-11’780-Stimmen»-Anruf an Brad Raffensberger, den Staatssekretär von Georgia, sei keine Drohung, sondern eine blosse Anregung gewesen. Trump werde nur deswegen verfolgt, weil er in den Umfragen weit voraus liege, es sei eine politische Hexenjagd gegen ihn im Gang. Und überhaupt: Warum gebe es keine Verfahren gegen Hunter Biden und Hillary Clinton?
Die Argumente der Konservativen sind weitgehend faktenfrei. Natürlich hatte Trump das Recht, eine Nachzählung zu verlangen und Wahlbetrug zu vermuten. Doch vor seinem «perfekten Anruf» sind die Stimmen in Georgia bereits dreimal nachgezählt worden – einmal von Hand – und sämtliche Wahlbetrugs-Klagen von teils konservativen Richtern abgeschmettert worden. Die Anwälte von Trump haben es nicht geschafft, auch nur einen einzigen Fall von Wahlfälschung aufzuspüren.
Der Vorwurf, Trump werde an der Ausübung seines Rechts auf Meinungsfreiheit gehindert, ist ebenfalls Unfug. Der Ex-Präsident wird nicht angeklagt, weil er Lügen verbreitet hat. Er muss sich seiner Handlungen wegen rechtfertigen. Zusammen mit 18 Mitangeklagten hat er versucht, gefälschte Elektorenstimmen zur Abstimmung im Kongress zu bringen und so auf illegale Weise an der Macht zu bleiben.
Kurz: Trump und seine Mitverschwörer haben versucht, einen Staatsstreich zu verüben. Daher sind auch die Vergleiche mit Hunter Biden und Hillary Clinton völlig verfehlt. Der Sohn des Präsidenten hat tatsächlich dubiose Mandate in der Ukraine und anderenorts innegehabt. Er war auch eine Zeitlang schwer drogenabhängig. Doch Hunter Biden ist eine Privatperson. Es gibt bisher keinen einzigen Beweis dafür, dass sein Vater irgendetwas mit seinen Geschäften zu tun gehabt, ja gar davon profitiert hätte.
Hillary Clinton mag ebenfalls über Wahlbetrug geklagt haben, sie hat jedoch seinerzeit ihre Niederlage noch in der Wahlnacht eingestanden und keinen Versuch unternommen, die friedliche Übergabe der Macht zu stören.
Das alles ist mittlerweile bestens bekannt, doch die GOP-Hardliner und die Konservativen halten es mit Joseph Goebbels: Wenn man eine Lüge genügend oft wiederholt, wird sie zur Wahrheit. Trumps Polizeifoto passt perfekt in diese perfide Strategie.
Die Demokraten ihrerseits deuten das Polizeifoto ganz anders. Die Tatsache, dass sich jetzt auch Trump der demütigenden Prozedur unterziehen musste – okay, gewogen wurde er nicht –, wird als Beweis dafür gesehen, dass endlich auch der Teflon-Präsident zu Rechenschaft gezogen wird. Die immer und immer wieder wiederholte Forderung: Niemand, auch nicht der Präsident, steht über dem Gesetz, wird damit eingelöst. Und klar: Zur Genugtuung, dass sich der Rechtsstaat durchgesetzt hat, gesellt sich auch eine gehörige Portion Schadenfreude.
Die Demokraten versprechen sich vom Mugshot auch politische Vorteile. Er ist zwar kein Schuldspruch, doch seine Wirkung auf die unabhängigen Wählerinnen und Wähler in den Vorstädten ist alles andere als vorteilhaft. Mugshots werden von Schwerverbrechern veröffentlicht, und tatsächlich ist Trump unter dem sogenannten Mafia-Gesetz angeklagt.
Aus all diesen Gründen ist Trumps Mugshot tatsächlich historisch. Das Foto wird zu einer Ikone werden und bald auf T-Shirts, Aufklebern, auf Autos und Buchumschlägen zu sehen sein. Es wird vielleicht dereinst als Symbol für den Zeitpunkt gesehen, an dem die Amerikaner einen schwerwiegenden Entscheid gefällt haben: Werden die USA zu einem autoritären Staat im Sinne von Ungarn, oder löst es eine Katharsis aus und bewirkt, dass die Amerikaner sich ihrer Rolle als Beschützer von Demokratie und Rechtsstaat wieder bewusst werden.
Möglichlicherweise. Nur hätte KEINE Strafverfolgen eben sehr wohl auch Folgen - nämlich, dass damit gesagt wird, dass in der Politik Verbrechen völlig OK sind und dies würde unweigerlich zu noch mehr Kriminalität in der Politik führen.