Keine amerikanische Institution geniesst mehr Vertrauen der Bevölkerung als das Militär. Der frisch gewählte Präsident Trump stopfte deshalb zu Beginn seiner Amtszeit sein Kabinett voll mit ehemaligen Generälen. Der bekannteste von ihnen war Jim Mattis, ein hoch dekorierter Kommandant der Marines, Amerikas legendärer Kampftruppe.
Trump mochte Mattis ganz besonders, denn er trug den Übernamen «mad dog» (verrückter Hund). Der Präsident hat eine Schwäche für Rambo-Figuren, doch in Mattis hatte er sich getäuscht. Trotz seines Übernamens ist der ehemalige Marine ein sehr gebildeter Mann und alles andere als eine Kriegsgurgel.
Zunächst versuchte Mattis, zusammen mit den beiden anderen Ex-Generälen John Kelly und H.R. McMaster, Trump von seinen dümmsten Fehlern abzuhalten. Es sollte sich als Illusion erweisen. Als der Präsident eigenmächtig verkündete, die US-Truppen aus Syrien abzuziehen, warf Mattis das Handtuch.
Ganz in der Tradition der Militärs hielt er zunächst den Mund. Mattis hat zwar ein Buch verfasst, darin jedoch kein schlechtes Wort über den Präsidenten verloren. Nun hat er sein Schweigen gebrochen. Die brutalen Angriffe auf friedliche Demonstranten haben das Fass zum Überlaufen gebracht. In der Zeitschrift «The Atlantic» attackiert Mattis Trump frontal:
Boom! Die Worte des wahrscheinlich am meisten bewunderten US-Generals treffen Trump dort, wo es ihm wirklich weh tut. Kommt dazu, dass Mattis sich in bester Gesellschaft befindet. Auch Admiral Mike Mullen fuhr Trump heftig in die Parade. Der ehemalige Oberkommandierende der US-Streitkräfte und hoch geachtete Militär schrieb ebenfalls im «Atlantic»:
Unbehagen macht sich selbst bei zwei Mitgliedern des Trüppchens breit, das den unseligen Marsch vom Weissen Haus zur Kirche St. John’s mitgemacht hat. Der (noch) amtierende Verteidigungsminister Mark T. Esper, der noch vor Tagen von amerikanischen Städten als «Schlachtfeldern» geschwafelt hat, macht ebenfalls einen Rückzieher.
Anders als der Präsident will Esper nun keine aktiven Soldaten gegen die Demonstranten einsetzen, und anders als der Präsident will er auch ein Gesetz aus dem Jahr 1807, das dies eventuell ermöglichen würde, nicht anrufen. Auf den unseligen Spaziergang zur Kirche angesprochen, erwidert Esper: «Ich wusste gar nicht, wohin wir gingen.» Der Verteidigungsminister dürfte damit de facto sein Kündigungsschreiben eingereicht haben.
Kalte Füsse bekommt auch Gen. Mark A. Milley. Der amtierende Oberbefehlshaber hatte sich nicht entblödet, in voller Kampfmontur am unseligen Spaziergang teilzunehmen. Nun hat er in einem Brief an alle Soldaten erklärt, sie würden die Verfassung verteidigen, die «allen Amerikanern das Recht gibt, sich frei zu äussern und sich friedlich zu versammeln».
Trumps plumper Bibel-PR-Gag zieht immer weitere Kreise. Immer mehr Gottesleute verurteilen diese Aktion. Selbst bei der Southern Baptist Church – dort versammeln sich die Hardcore-Evangelikalen – wird Kritik laut.
Der Protest erfasst zudem immer mehr Prominente. Ob Sportler oder Filmstars, alle verurteilen die Polizeigewalt, und zwar weltweit. Die «Black Lives Matter»-Bewegung gewinnt immer mehr weisse Anhänger. Politiker und selbst Polizisten knien nieder oder umarmen Demonstranten. Ex-Präsident Barack Obama wandte sich mit einem bewegenden Aufruf an die Jugend.
Der Protest ist weit abgestützt. Eine jüngste Umfrage zeigt, dass 64 Prozent der Amerikaner Verständnis haben. Zum Vergleich: Nach den Unruhen in Ferguson im August 2014, als ebenfalls ein Schwarzer von der Polizei getötet worden war, waren es noch 25 Prozent.
Die Politiker der Grand Old Party ducken sich derweil weg, wenn sie auf Trumps Bibel-PR-Gag angesprochen werden. Nur einzelne verteidigen den Präsidenten, etwa Tom Cotton, ein Senator aus Alabama. Er will wie Trump Soldaten im Kampf gegen die Demonstranten einsetzen, und er wird wie der Präsident dafür heftig kritisiert.
Wie sehr sich die Stimmung gegen Trump gewendet hat, zeigen die Aussagen von Jim Mattis. Als er vor 50 Jahren dem Militär beigetreten sei, hätte er es sich niemals denken können, dass er für einen «bizarren PR-Gag des Commander-in-chief» aufgeboten würde, so der Ex-General. Mehr noch, er vergleicht Trump indirekt gar mit Adolf Hitler und bezieht sich dabei auf die Invasion der US-Truppen in der Normandie im Jahr 1944:
Er besitzt so ca. jeden negative Eigenschaft, die man haben kann und ist pures Gift für die Gesellschaft.
Wenn der die nächste Wahl wieder gewinnt, ist dieses Land wirklich dem Untergang geweiht.