Schon vor dem «Mitternachts-Hammer» mit den B2-Bomber hat Donald Trump die bedingungslose Kapitulation Irans verlangt. Nachdem die Mega-Bomben auf die Atomfabriken Fordo und Nantans gefallen sind, erklärte der US-Präsident: «Iran, der Tyrann des Nahen Ostens, muss jetzt Frieden schliessen. Sollte er es nicht tun, werden künftige Attacken noch härter ausfallen und einfacher durchzuführen sein.»
Am Wochenende schlug US-Vize J.D. Vance leicht versöhnlichere Töne an. «Wir sind nicht im Krieg mit dem Iran», erklärte er an mehreren Sonntags-TV-Shows. «Wir sind im Krieg gegen das iranische Atomwaffen-Programm. Der Präsident sagt, dass er jetzt einen diplomatischen Prozess wünscht. Sollten die Iraner dazu einwilligen, werden sie auf offene amerikanische Ohren stossen.»
Was Trump und sein Vize sich vorstellen, ist ein Frieden, wie er nach dem Zweiten Weltkrieg geschlossen wurde. Die besiegten Mächte Deutschland und Japan fügten sich bedingungslos dem Diktat der Alliierten und wurden im Gegenzug mit Aufbauhilfen belohnt. Dumm bloss, dass die Realität in Nahen Osten eine völlig andere ist.
In «Foreign Affairs» verweisen die beiden Nahost-Experten Hussein Agha und Robert Malley auf den Umstand, dass die Menschen dort ein sehr langes Gedächtnis haben. Sie schreiben:
Auch vermeintliche Siege können sich daher bald in ihr Gegenteil verwandeln. So hat die Zerschlagung der palästinensischen Guerilla nach dem Anschlag bei den Olympischen Spielen in München die Hisbollah gestärkt. George W. Bushs «Krieg gegen den Terror» hat weder die Taliban besiegt, noch im Irak für stabile Verhältnisse gesorgt.
Der Triumph von Trump und Netanjahu könnte sich ebenfalls als Chimäre erweisen. Denn, wie Agha und Malley erklären: «Schon bald könnten Palästinenser, Libanesen, Iraner und andere, die ihre Motivation teilen – verzweifelt, Freunde und Familienangehörige getötet, nach Rache dürstend und hasserfüllt – sich nach unkonventionellen Formen des Krieges umsehen.»
Nicht nur die Gefühlslage der Menschen macht die Situation im Nahen Osten unberechenbar, auch das geopolitische Ringen um eine neue Weltordnung. «Weiss Präsident Trump, auf welcher Seite Putin steht?», fragt sich denn auch Thomas Friedman in der «New York Times». Eine berechtigte Frage, denn der russische Präsident und die Ajatollahs streben das Gleiche an: «Eine Welt, die gemacht ist für ein autoritäres Regime, für einen Gottesstaat und für Korruption», wie Friedman ausführt. «Eine Welt ohne persönliche Freiheit, Rechtsstaat und freie Presse; eine Welt, in der sich der russische und der iranische Imperialismus ungestört gegen die Nachbarn ausbreiten können.»
Mit der Bombardierung des Irans hat Trump die geopolitischen Gewichte verschoben. «Zum ersten Mal hat er etwas gegen den Willen von Putin getan», stellt David Frum im «Atlantic» fest. Damit hat er sich auch weiter von einem Teil der MAGA-Meute entfernt. Steve Bannon, Tucker Carlson & Co. sind bekanntlich Putin-Versteher, die möglichst rasch die Unterstützung der Ukraine einstellen wollen.
Umgekehrt könnte jetzt diejenigen in der Grand Old Party Aufwind erhalten, die eine harte Linie gegenüber dem Kreml vertreten. Senator Lindsey Graham hat bereits ein Gesetz eingereicht, das härtere Sanktionen gegen Russland verlangt. Mehr als 80 von 100 Senatoren haben ihre Unterstützung bekannt gegeben. «Vielleicht macht es Trump sich nun zur Gewohnheit, Putins Wünsche abzuschlagen», stellt Frum fest. «Und vielleicht kann er sich endlich dazu durchringen, der Ukraine die Unterstützung zu gewähren, die sich braucht, um sich gegen die russische Aggression zur Wehr zu setzen.»
Wie auch immer, eines steht fest: Wir müssen lernen, mit Widersprüchen zu leben. Im Kampf gegen die «Achse des Bösen» lösen sich die moralischen Grenzen und Sicherheiten auf. Das gilt auch in Bezug auf Trump. Oder wie es Friedman formuliert: «Sollte es Trump gelingen, die Macht des Iran zu vermindern und gleichzeitig eine Zwei-Staaten-Lösung herbeizuführen – und die Ukraine so bedingungslos wie Israel zu unterstützen –, wird er einen historischen Beitrag zum Frieden leisten.»
Also eine Welt, wie sie sich Trump und alle Rechtspopulisten wünschen.