Nun tagt der amerikanische Kongress wieder. Abgeordnete und Senatoren der Grand Old Party (GOP) werden erneut alle Tricks anwenden müssen, um TV-Kameras und Journalisten-Fragen auszuweichen, denn über das Wochenende hat Donald Trump wieder zugeschlagen.
Den Minderheitsführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, beschimpfte er als «dummen Mistkerl» und «Verlierer». Auch der ehemalige Vize Mike Pence bekam sein Fett ab. Trump erklärte, er sei «enttäuscht», dass er den Sieg von Joe Biden abgesegnet habe.
McConnell ist der wichtigste Vertreter der GOP im Kongress und Pence der Liebling der Evangelikalen, einem wichtigen Wählersegment. Wenn die Republikaner 2022 wieder eine Mehrheit im Kongress erhalten und 2024 das Weisse Haus wieder erobern wollen, müssten sie eigentlich geschlossen auftreten. Schiesst Trump somit der eigenen Partei ins Knie? Und warum tut er das?
Trump ist bekanntermassen ein krankhafter Narzisst. Deshalb will er sich an allen rächen, die ihn angeblich verraten haben. McConnell hat ihn beim Impeachment-Prozess zwar freigesprochen, aber aus formalen Gründen. In einer Rede vor dem Senat hat er ihn danach ausdrücklich für den Sturm auf das Kapitol verantwortlich gemacht. Das wird ihm Trump niemals verzeihen, genauso wie er nie vergessen wird, dass Mike Pence in angeblich fallengelassen hat.
Doch Rache als Motiv allein genügt nicht. Trump verfolgt auch ein politisches Ziel. Aber der Reihe nach:
Die Republikaner verstanden sich in den letzten Jahrzehnten primär als ein Country Club, in dem konservative Vertreter aus Wirtschaft, Kirche und Recht ihre Interessen bündelten. Gott habe die GOP geschaffen, damit sie Steuern senke, lautete deshalb ein beliebter Spruch.
Nach der unerwarteten Niederlage von Mitt Romney gegen Barack Obama im Jahr 2012 gingen die Parteioberen über die Bücher. Sie kamen zum Schluss, wonach sich die nach wie vor von Weissen dominierte GOP für Schwarze und Hispanics öffnen müsse. Andernfalls manövriere sie sich zwangsläufig ins Abseits.
Diese Analyse schien das Offensichtliche zu bestätigen. Die demographische Entwicklung lässt keine Alternative zu: Das Census Bureau, das für die Erfassung dieser Entwicklung zuständig ist, prophezeit, dass die US-Bevölkerung bis 2060 um 24 Prozent wachsen wird und dass für dieses Wachstum mehrheitlich nicht-weisse Kinder verantwortlich sein werden. Heute schon bilden Nicht-Weisse unter 17 Jahren die Mehrheit. Das heisst: Die amerikanische Zukunft ist multikulturell.
Donald Trump hätte gute Trümpfe in der Hand gehabt, um dieser Analyse auch Folge zu leisten. Seine TV-Sendung «The Apprentice» war bei Schwarzen und Hispanics sehr beliebt. Trotzdem tat Trump genau das Gegenteil: Er setzte alles auf die weiss-nationalistische Karte, riss die rassistische Birther-Lüge gegen Obama vom Zaun, bezeichnete Mexikaner als «Mörder und Vergewaltiger» – und gewann.
Heute ist die GOP kaum mehr wiederzuerkennen. Sie ist nicht mehr die Partei, die von gesetzten, wohlhabenden Männern beherrscht wird und sich für tiefe Steuern und freien internationalen Handel einsetzt. Die GOP sucht ihr Heil nun bei den frustrierten Männern der weissen Arbeiterklasse, die sich von der liberalen Elite und den multinationalen Konzernen verraten und verlassen fühlen.
Trump und seine Anhänger setzen immer offener auf den «grossen Austausch». So nennt man die demagogische Theorie des französischen Schriftstellers und Philosophen Renaud Camus. In seinem 2010 veröffentlichen «Grand Remplacement» stellte er die These auf, wonach Europa von Immigranten aus der Dritten Welt überschwemmt wird und die christliche weisse Bevölkerung allmählich von einer muslimischen farbigen verdrängt wird.
Diese These ist mittlerweile vielfach aufgegriffen worden, etwa vom konservativen Journalisten Christopher Caldwell oder Thilo Sarazzin, dem streitbaren deutschen Sozialdemokraten, der mittlerweile aus der Partei vertrieben wurde. Sie ist auch fester Bestandteil der Ideologie der weissen Übermenschen.
Die USA verstehen sich zwar als Schmelztiegel, in dem sich Menschen aller Hautfarben und Religionen zusammenraufen. Doch nun wird der «grosse Austausch» auch auf der anderen Seite des Atlantiks immer beliebter. So hat sich Tucker Carlson, der neue Star bei Fox News, in seiner Sendung kürzlich wie folgt geäussert: «Ich weiss, dass die Linke und die Sittenwächter bei Twitter ausflippen, wenn man den Begriff ‹replacement› verwendet. (…) Aber sie werden hysterisch, weil genau das geschieht. Lasst uns einfach sagen: Es stimmt.»
Auch Trumps Angriffe auf das Partei-Establishment sind ein Teil der Strategie, die GOP auf den «grossen Austausch» einzuschwören. Deshalb hat er am Wochenende nicht nur über McConnell und Pence gelästert, sondern sich auch milde, ja wohlwollend, über die Kapitol-Stürmer geäussert und sie als «Patrioten» bezeichnet.
Die Metamorphose der GOP von einer konservativen Country-Club-Partei zu einer faschistoiden Bewegung eines frustrierten weissen Mittelstandes ist weit fortgeschritten. Die Republikaner bemühen sich schon gar nicht mehr, politische Antworten auf die Vorschläge der demokratischen Regierung zu geben. Sie sind eine Partei des Neins geworden. Eine Partei, die ihr Heil in brandgefährlichen Identitätsfragen und Kulturkriegen sucht.
"eine Partei des Neins geworden. Eine Partei, die ihr Heil in brandgefährlichen Identitätsfragen und Kulturkriegen sucht"
Erinnert doch sehr stark an eine wählerstarke Partei der Schweiz, nicht?
Es ist Hans was Heiri. Es sind Geschwister im Geiste, Tun und Kommunikation.
Und ja. Rechtspopulisten schaden.
Immer.
Und überall.