Ob Margaret Atwoods «The Handmaid’s Tale» oder «Der zweite Schlaf» von Robert Harris: Die Dystopie eines christlichen Gottesstaates in der Zukunft ist in der Literatur ein beliebtes Thema. Die Errungenschaften der Aufklärung und der Wissenschaft werden dabei beiseite geschoben. Priester übernehmen die Macht und errichten eine totalitäre Herrschaft, welche selbst die kühnsten Träume der Taliban übertrifft.
Am vergangenen Dienstag sind die USA diesem fiktiven Albtraum einen Schritt näher gekommen. Schuld daran ist der Ausgang der Vorwahlen im Bundesstaat Pennsylvania. Dort haben die Mitglieder der Grand Old Party (GOP) einen Gotteskrieger namens Doug Mastriano zu ihrem Kandidaten für das Amt des Gouverneurs gekürt. Eine Wahl mit möglicherweise weitreichenden Folgen. Aber der Reihe nach:
Pennsylvania ist nicht irgendein Bundesstaat. Mit rund 13 Millionen Einwohner ist er der fünftgrösste in den USA. Er hat auch eine symbolische Bedeutung. In Pennsylvania trafen sich die Gründerväter Benjamin Franklin, George Washington, Thomas Jefferson, etc., um die Grundsteine der amerikanischen Demokratie zu legen. Philadelphia, die grösste Stadt, war Sitz des Präsidenten, bevor das Weisse Haus in Washington erbaut worden war.
In der modernen amerikanischen Politik spielt Pennsylvania ebenfalls eine Schlüsselrolle. Es ist einer der fünf Swingstates, welche entscheiden, wer Präsident wird und welche Partei den Kongress beherrscht. Deshalb wird auch in Washington sehr genau verfolgt, was sich in Pennsylvania abspielt.
Am vergangenen Dienstag fanden die Vorwahlen statt. Im Vordergrund stand dabei die Frage, welche Kandidaten die Republikaner für den frei werdenden Senatssitz erküren würden. Das Rennen ist so knapp, dass wahrscheinlich eine Nachzählung erforderlich wird. Die Wahl ist von nationaler Bedeutung, denn sie könnte über die Mehrheit im Senat entscheiden.
Die Wahl zum Gouverneur scheint jedoch auf den ersten Blick eine regionale Angelegenheit zu sein. Einer von 50 Gouverneuren, so what? Dieser Eindruck täuscht. Diese Wahl könnte die künftige Entwicklung der USA noch stärker beeinflussen. Und das sind die Gründe:
Gewählt wurde ein gewisser Doug Mastriano. Der pensionierte Oberst war bisher eine lokale Grösse und schien zunächst chancenlos zu sein. Er ist nicht nur rechts, er ist rechtsextrem. Das Parteiestablishment favorisierte deshalb einen gemässigten Gegner.
Selbst Donald Trump hielt sich zunächst zurück, obwohl Mastriano sich stets als glühender Verehrer geoutet hatte und nicht nur die These von den vermeintlich gestohlenen Wahlen mit Gusto vertrat. Er hatte gar mitgeholfen, eine alternative Liste von Elektoren zusammenzustellen, die am 6. Januar für Trump anstelle von Biden hätte stimmen sollen.
Mastriano soll auch Busse organisiert haben, welche Demonstranten an diesem Tag nach Washington karrten, und er ist selbst mit dem Mob zum Kapitol gelaufen.
Erst als sich der Sieg Mastrianos klar abzeichnete, sprang auch Trump im letzten Moment auf den fahrenden Zug und versprach ihm seine Unterstützung. Kein Wunder: Der pensionierte Oberst will bei einer allfälligen Wahl zum Gouverneur nicht nur dafür sorgen, dass der Ausgang der Wahlen künftig im Sinne der GOP ausgeht. Er will auch rückwirkend die Wahl von Joe Biden annullieren lassen.
Gleichzeitig ist Mastriano ein Teil einer Bewegung innerhalb der GOP, die immer einflussreicher wird: Er ist ein christlicher Nationalist und plädiert nicht nur dafür, die Abtreibung generell zu verbieten – auch bei Inzest und Vergewaltigung –, er will die Fortschritte wie Homo-Ehe und die Rechte für die LBGTQ-Gemeinde wieder ausradieren.
Vor allem aber will Mastriano die USA in einen Staat verwandeln, der sich ausdrücklich als «christlich» definiert und die Trennung von Kirche und Staat aufhebt. Es ist daher keine Überraschung, dass er bei Veranstaltungen der Kultsekte QAnon ein gern gesehener Gast ist.
Mastriano treibt auf die Spitze, was Trump angerissen hat. Robert Jones, der Chef des Public Religion Research Institute, formuliert es in der «New York Times» wie folgt: «Donald Trump hat folgende Elemente zu einer MAGA-Formel verwoben: Anti-Immigranten- und Anti-Islam-Stimmung und Appelle an die äusserste christliche Rechte. Das kann mit Recht als der Beginn einer Strategie für einen christlichen Nationalismus bezeichnet werden.»
Die Demokraten zeigen sich erfreut über die Wahl Mastrianos. Sie sind überzeugt, dass er im November gegen ihren Kandidaten Josh Shapiro keine Chancen haben wird. Wenn sie sich da nur mal nicht irren. Der Trend unterstützt den reaktionären Zeitgeist. Der Supreme Court will die Abtreibung wieder in die Illegalität verbannen. In Schulen und Bibliotheken werden Bücher verbrannt. Selbst Disney gilt mittlerweile als «woke».
Zudem werden die Extremisten bei den Republikanern immer zahlreicher – und immer verrückter. Und vergessen wir nicht: 2016 haben sich die Demokraten darüber gefreut, dass die Republikaner einen gewissen Donald Trump zum Präsidentschaftskandidaten gekürt hatten. Ein Sieg von Hillary Clinton schien danach bloss noch eine Formsache zu sein.
Ein Sieg von Mastriano hätte zur Folge, dass die Wahlen von 2020 in Pennsylvania rückwirkend annulliert würden. Andere Swingstates, beispielsweise Wisconsin und Michigan, könnten folgen, und die USA in eine Verfassungskrise stürzen. Diese Krise könnte von christlichen Nationalisten und Rechtsextremen als Chance für die Errichtung eines autoritären Staates benutzt werden.
In der «New York Times» erklärt der renommierte Historiker Timothy Snyder heute auf überzeugende Weise, weshalb man Russland nun als faschistischen Staat bezeichnen muss. Er muss sich auch im eigenen Land umschauen. Die Gefahr, dass auch die USA in diese Richtung abdriften, nimmt stetig und bedrohlich zu.
Die evangelikalen entwickeln sich in den USA immer mehr zur grössten Bedrohung der Demokratie
Aber die Hölle für jeden Freigeist und heftige Auswirkungen auf die ganze Welt.
Religiöser Wahn und überzogene Frömmigkeit sind eine Katastrophe und bringen "Ungläubige" in Gefahr.
Die "Pilgervater" und ersten Auswanderer in die Staaten waren in Europa nicht erwünscht, wegen ihrer übersteigerten religiösen Lebensweise. Davon existiert auch heute noch erschreckend viel und die evangelikale Weltsicht und Bibeltreue ist für jeden aufgeklärten Menschen eine Qual.
Hoffen wir, dass es niemals soweit kommt.