Umfragen sind auch nicht mehr, was sie waren, vor allem diejenigen, welche den Ausgang der US-Wahlen vorhersagen sollen. Trotzdem: Die jüngste Umfrage von «New York Times» / Siena College hat einen Vier-Prozentpunkte-Vorsprung von Kamala Harris gegenüber Donald Trump ergeben. Das ist insofern bemerkenswert, als gerade diese Meinungsforscher in früheren Umfragen der Vizepräsidentin eher düstere Werte in Aussicht gestellt haben.
Weit aufschlussreicher als das absolute Resultat ist jedoch die Auswertung von Nate Cohn, dem zuständigen Politredaktor der «New York Times». Dieser teilt die Umfrage auf einzelne Bundesstaaten auf. Dabei zeigt sich, dass Trump in Texas und in Florida einen grossen Vorsprung aufweist. Im Sunshine State sind es gar überraschende 13 Prozentpunkte.
Was schlecht für die Demokraten in Florida ist, ist jedoch Good News für Harris. Weshalb? Texas und Florida sind sogenannte «rote Bundesstaaten», will heissen, die Demokraten haben bereits die Hoffnung aufgegeben, dort zu punkten. Der grosse Vorsprung nützt den Republikanern daher nichts.
Ein grosser Vorsprung in diesen bevölkerungsreichen Bundesstaaten spielt paradoxerweise den Demokraten in die Karten. Oder wie Cohn formuliert: «Ein Zugewinn von 10 Prozentpunkten für Trump in Florida und New York – wo Siena College ebenfalls eine anhaltende Stärke der Republikaner ausweist, obwohl es in der Hand der Demokraten bleibt – wäre genug, um einen (unwichtigen) Prozentpunkt der nationalen Führung von Vizepräsidentin Harris auszulöschen.»
Was Cohn uns sagen will, ist Folgendes: Die guten Resultate von Trump in Florida, Texas und New York zeigen, dass Harris in den entscheidenden Swing States besser abschneidet, als bisher angenommen, denn die bevölkerungsreichen Bundesstaaten drücken den nationalen Vorsprung runter. In Pennsylvania, Michigan, Wisconsin, Arizona und Georgia steht die Vizepräsidentin somit besser da als bisher vermutet.
Ein weiterer Pluspunkt von «New York Times» / Siena College für Harris ist die Tatsache, dass eine deutliche Mehrheit der Befragten ihr eher als Trump zutraut, einen Wandel in die Wege zu leiten. Ein Kriterium, das für die Wahl entscheidend sein könnte.
Das Trump-Lager musste derweil in den letzten Tagen mehrere Rückschläge verkraften:
Keines dieser Ereignisse wird die Wahlen entscheiden. Es sind jedoch Puzzlesteine, die letztlich einen Sieg für Harris in einer sehr engen Wahl zur Folge haben können.
Trump und sein Vize J.D. Vance versuchen derweil, die Unwetterkatastrophen zu instrumentalisieren. Dass sie dabei lügen, dass sich die Balken biegen, erstaunt nicht. So behauptet Vance in einem Gastkommentar im «Wall Street Journal» einmal mehr und tatsachenwidrig, dass die Biden-Regierung Gelder der Katastrophenhilfe-Organisation FEMA für Migranten missbraucht habe.
Mit ihren Lügen wollen Trump und Vance einen Katrina-Effekt auslösen. Als im August 2005 der Hurrikan Katrina die Stadt New Orleans verwüstete, versagte die Regierung von George W. Bush auf der ganzen Linie und leitete damit eine Niederlage der Republikaner bei den Wahlen 2008 ein.
Hurrikan Helene und der noch schlimmere Milton werden jedoch Kamala Harris kaum schaden. Entgegen der Polemik der Republikaner gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Biden-Regierung bei der Katastrophenhilfe nicht ihr Bestes gibt. Im Gegenteil: Selbst republikanische Gouverneure spenden ihr Lob. Zudem hat Biden soeben seinen Besuch in Deutschland verschoben.
Die Unwetterkatastrophen könnten im Gegenteil Harris politisch gesehen gar nützen, denn sie machen einmal mehr klar, dass die Klimaerwärmung kein «Witz» ist, wie Trump immer noch behauptet, sondern bittere Realität. Besonders deutlich macht dies die Reaktion des Meteorologen John Morales. Es handelt sich bei ihm keineswegs um einen notorischen Klimawarner. Im Gegenteil, der 62-jährige, erfahrene Fachmann galt lange als mässigende Stimme der Vernunft.
Die jüngsten Daten zum Hurrikan Milton haben Morales jedoch vor laufender Kamera in Tränen ausbrechen lassen. «Wir stellen bloss fest, was da draussen abgeht, was kommen wird und was sich vor unseren Augen abspielt», stellte er in einem Video fest. «Die Klimakrise ist da. Sie ist kein Problem der Zukunft, sie ist ein Problem von heute und verdient unsere gesamte Aufmerksamkeit.»
Das Video ist viral gegangen, auch auf TikTok. Viele jugendliche Wähler werden es zur Kenntnis genommen haben.
Und es mich widert es einfach an, wie scharmlos die beiden die Situation ausnutzen um zu hetzen. Dies lenkt vom eigentlichen Problem ab. Was Vance und Trump machen hilft den betroffenen Bewohnern überhaupt nicht.