Die Ukraine ist militärisch unter Druck. Russland hat vor allem in Donezk und Luhansk seine Angriffe verstärkt, indem es ohne Rücksicht auf Verluste Leute ins Gefecht schickt, ob reguläre Soldaten oder Wagner-Söldner. Seit Monaten fordert die ukrainische Führung deshalb vom Westen mehr und bessere Waffen, vor allem Kampfpanzer.
In den letzten Wochen gab es eine Bewegung in diese Richtung. Mehrere Länder sagten der Ukraine Späh- und Schützenpanzer zu. Grossbritannien brach das eigentliche Tabu, indem es die Lieferung von 14 Challenger-Kampfpanzern ankündigte. Stark unter Druck geriet Deutschland, das über ein grosses Arsenal an Leopard-2-Panzern verfügt.
Der «Leo» ist einer der besten Kampfpanzer, er könnte der Ukraine nach Ansicht von Experten zu einem Vorteil auf dem Schlachtfeld verhelfen. Bundeskanzler Olaf Scholz aber tat, was er häufig tut: Er zauderte und zögerte, zum Ärger der Alliierten, wie sich etwa an der Ukraine-Konferenz auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein am letzten Freitag zeigte.
Polen kündigte an, seine Leopards ohne deutsche Einwilligung an das Nachbarland zu liefern. Der britische Historiker Timothy Garton Ash kreierte das Verb «Scholzing»: gute Absichten ankündigen und sie dann mit jedem erdenklichen Grund hinauszögern. Es bringt ziemlich genau auf den Punkt, was viele über den deutschen Kanzler denken.
Olaf Scholz tut auch wenig, um dieses Bild zu korrigieren. Der spröde Hanseat hat eine Abneigung gegen Schnellschüsse. Er neigt dazu, Entscheide gründlich abzuwägen, was ihm als Zaudern ausgelegt werden kann. Doch so sehr man den Wunsch versteht, der Ukraine zu helfen: Im konkreten Fall hatte Scholz gute Gründe, nichts zu überstürzen.
Eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung unterstützt die Ukraine im Krieg gegen den Aggressor. Allerdings besteht eine grosse Skepsis gegenüber Waffenlieferungen. Noch Anfang Januar sprach sich im ARD-Deutschlandtrend nur ein Viertel der Befragten für mehr Waffen aus. Für ein weiteres Viertel gingen schon die bisherigen Lieferungen zu weit.
Dahinter steht die verbreitete Furcht, der Konflikt könnte zu einem Dritten Weltkrieg oder gar einem Atomkrieg eskalieren. Deshalb zögerte Scholz in der Panzerfrage. Sein vorsichtiger Kurs wird goutiert. In einer Blitzumfrage für RTL und NTV nach dem positiven Entscheid vom Mittwoch befanden 53 Prozent der Befragten sein Vorgehen für richtig.
Abgelehnt wird die Lieferung von Kampfpanzern von den Anhängern der AfD und einer grossen Mehrheit der Ostdeutschen. Dies belegt eine weitere Umfrage des Mitteldeutschen Rundfunks, der die Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen abdeckt. Nicht weniger als drei Viertel der Teilnehmenden bezeichneten die Panzerlieferung als falsch.
Die Ampel-Regierung war und ist in der Frage von Waffenlieferungen uneins. Während FDP und Grüne darauf drängten, war in der SPD eine grosse Skepsis vorhanden. Zu den «Bremsern» gehören Rolf Mützenich, der Fraktionschef im Bundestag, und Scholz’ engster Vertrauter, Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt. Das kann der Kanzler nicht einfach ignorieren.
Das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland ist durch den Zweiten Weltkrieg belastet. Mindestens 24 Millionen Bürgerinnen und Bürger der Sowjetunion fielen dem Angriffskrieg von Nazi-Deutschland zum Opfer. Die genaue Zahl wird sich wohl nie ermitteln lassen. Das erhöht die Hemmschwelle bei Waffen, die gegen Russland eingesetzt werden.
Es besteht die Befürchtung, dass die Ukraine mit zu vielen verschiedenen Panzertypen überfordert sein könnte. Logistisch ist die Herausforderung zweifellos immens. Der technologische Unterschied nur schon zwischen dem Ur-Leopard und den heutigen Modellen ist gross. Aber die Ukrainer haben sich als Meister der Improvisation erwiesen.
Das wohl wichtigste Argument für Scholz’ Zögern war die Angst vor einem deutschen Alleingang. Der Kanzler wollte nicht ohne Abstimmung mit den Verbündeten handeln, vor allem den USA, die ebenfalls Bedenken hatten, ihre modernen Abrams-Panzer zur Verfügung zu stellen. Nun ist es gelungen, eine breite Panzer-Allianz zu schmieden.
US-Präsident Joe Biden kündigte die Lieferung von 31 M1 Abrams an. Mehrere europäische Länder planen ebenfalls die Weitergabe von Leopard-Panzern, darunter Finnland, Niederlande, Portugal und Spanien. Frankreich überlegt, seinen Leclerc-Panzer zur Verfügung zu stellen, und selbst Marokko hat 20 «aufgemotzte» T-72-Panzer geschickt.
Das gemeinsame Vorgehen zeigte Wirkung. Kommentatoren, die eben noch auf Olaf Scholz eingeprügelt hatten, rühmen ihn jetzt als ausgebufften Taktiker. Joe Biden dankte ihm für seine «Führungsstärke» und sein «unerschütterliches Engagement» für die Ukraine. Auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg attestierte Scholz und Deutschland Führungskraft.
Umgekehrt deuten die hysterischen Reaktionen aus Moskau darauf hin, dass man nicht mit dieser «Panzer-Offensive» gerechnet hatte. Wie viele Tanks geliefert werden, ist unklar (vermutlich mehr als angekündigt). Kanzler Scholz wiederum blieb am Mittwoch im Bundestag gewohnt nüchtern und betonte, Deutschland werde keine «Kriegspartei».
Man kann sich leicht über Olaf Scholz ärgern, vor allem wenn man sich eine zupackende Führung wünscht. Im Fall der Leopard-Panzer aber hat er mit seinem zurückhaltenden Vorgehen das Maximum erreicht. In einem ZDF-Interview am Mittwochabend lieferte der Kanzler seine Übersetzung für den Begriff Scholzing: «Deutschland macht das meiste.»
In Absoluten Zahlen: nein, die USA machen das meiste.
In relativen Zahlen gemässen an Einwohnerzahl oder BIP: Nein, da liegen wohl Polen und die baltischen Staaten deutlich vorne.
Ist ja auch nicht verwunderlich. Besonders in Ostdeutschland ist die AfD stark vertreten und die politische Agender der AfD werden auch von der dortigen Bevölkerung ausgelebt.
Weil die Verbündeten ihm jetzt im Nachhinein aus Anstand auf den Rücken klopfen? Weil die Russen Angst haben? Weil ein Teil der Deutschen Angst hat?
In der Panzerfrage wär er richtig gelegen, wenn er aktiv sich dafür eingesetzt hätte, dass Russland diesen Krieg verlieren muss, wenn er es geschafft hätte die Menschen hinter sich zu scharen und wenn heute Schone 200 Leos mit trainierten ukranischen Truppen sich im Einsatz befinden würden.