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Xi Jinping droht mit Krieg

United states of America flag and flag on white background. USA and China trade tariff war concept.
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Xi Jinping droht mit Krieg

Warum wir das Säbelrasseln des chinesischen Präsidenten ernst nehmen müssen.
30.03.2023, 14:1830.03.2023, 15:03
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Seine Generäle fordert Xi Jinping auf, «Mut zum Kämpfen» zu zeigen. Seine Volksarmee lobt er dafür, wie sie im Koreakrieg die Amerikaner mit primitivsten Waffen in Schach gehalten habe. Und das Militärbudget erhöht der chinesische Präsident regelmässig, im laufenden Jahr offiziell um mehr als sieben Prozentpunkte auf rund 225 Milliarden Dollar. Inoffiziell ist diese Summe wohl deutlich höher, wie Experten annehmen.

Wir sollten dieses Säbelrasseln ernst nehmen. «Wenn Xi erklärt, er bereite sich auf einen Krieg vor, dann wäre es töricht, ihn nicht bei seinem Wort zu nehmen», warnen die beiden Militärexperten John Pomfret und Matt Pottinger im Magazin «Foreign Affairs».

Die chinesische Bescheidenheit ist Geschichte

Das Säbelrasseln hat Methode. Wie Rush Doshi in seinem Buch «The Long Game» feststellt, bereitet sich die Kommunistische Partei Chinas seit Jahrzehnten auf einen möglichen Krieg mit dem Westen, insbesondere mit den USA vor. Doshi ist China-Experte bei der renommierten Denkfabrik Brookings Institution.

Deng Xiaoping, der Vater des modernen Chinas, hat seine Landsleute einst aufgefordert, «ihre Kapazitäten zu verstecken und auf Zeit zu spielen». Xi will davon nichts mehr wissen. Der chinesische Präsident tritt selbstbewusst auf, betont bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit, wie dekadent der Westen und insbesondere die USA geworden seien.

Vor allem fordert Xi eine neue Weltordnung. Gemäss Xi soll der Bilateralismus der USA endlich überwunden werden und einem Multilateralismus weichen, einer Weltordnung also, die nicht mehr von der amerikanischen Supermacht dominiert wird, sondern in der sich mehrere gleichmächtige Nationen gegenseitig in Schach halten.

Xi will dieses Ziel nicht primär mit militärischen Mitteln erreichen. Mit der «Belt and Road Initiative» beglückt China mittlerweile den halben Globus mit Auto- und Eisenbahnen, Häfen und Flughäfen. In der Geopolitik mischt das Land der Mitte ebenfalls kräftig mit, wie sich jüngst im Fall von Saudi-Arabien und dem Iran gezeigt hat. China hat die Erzfeinde seit langem wieder an einen Tisch gebracht.

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Gemeinsam gegen die USA: Xi Jinping und Wladimir Putin.Bild: keystone

Die von Deng einst geforderte Bescheidenheit ist Geschichte. Mit Filmen wie «Wolf Warrior» – eine chinesische Antwort auf die «Rambo»-Saga – werden die Heldentaten der eigenen Soldaten gefeiert. Begriffe wie «Demokratie» und «Menschenrechte» werden nicht mehr schamhaft geleugnet, sondern forsch auf chinesische Verhältnisse umgedeutet.

Chinas Charmeoffensive zeigt Wirkung. Dass sich mehr als 100 Länder dem westlichen Boykott gegen Russland nicht angeschlossen haben, kann Wladimir Putin zu einem guten Teil seinem Busenfreund Xi verdanken, und dass Xi den brasilianischen Präsidenten Lula in diesen Tagen herzlich in Peking empfangen hat, ist alles andere als Zufall. Bei den Schwellenländern haben die USA mit ihrem glücklosen Irak-Krieg und dem Banken-Bailout in der Finanzkrise 2008 sehr viel Goodwill verloren. Sie werden – wie auch die Europäer – in Asien und Südamerika als Heuchler und Egoisten wahrgenommen.

Die Amerikaner ihrerseits schauen dem Aufrüsten der chinesischen Volksarmee und den diplomatischen Avancen nicht untätig zu. Demokraten und Republikaner bekämpfen sich in fast allen Fragen, doch was China betrifft, herrscht eine geradezu unheimliche Einigkeit. Präsident Joe Biden hat Handelsbeschränkungen, die sein Vorgänger Donald Trump verhängt hatte, nicht nur bestätigt. Er hat sie erweitert. Insbesondere dürfen heute keine Halbleiter mehr nach China exportiert werden.

Die USA wollen China mit den gleichen Mitteln in Schach halten, mit denen sie einst die Sowjetunion in die Knie gezwungen haben. «Containment» heisst diese Politik, die darauf hinausläuft, dass man ein Land wirtschaftlich und politisch zu isolieren sucht. Zu Recht klagt Xi denn auch, die USA würden China «umzingeln» und «unterdrücken». Dass das amerikanische Containment ebenfalls teilweise Erfolg hat, muss sich Xi allerdings selbst zuschreiben. Chinas aggressives Handeln hat in Asien eine ähnliche Wirkung wie Putins Überfall auf die Ukraine.

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Der australische Premierminister Anthony Albanese, Joe Biden und der britische Premierminister Rishi Sunak bei der Pressekonferenz, in der sie den neuen Unterseeboot-Pakt verkünden.Bild: keystone

Die Reihen der dem Westen freundlich gesinnten Länder schliessen sich. Japan hat zugesagt, seine Militärausgaben zu verdoppeln. Die Philippinen haben sich wieder stärker den USA angenähert, und Australien will nun zusammen mit den Amerikanern und den Briten eine Flotte von modernsten Atom-Unterseebooten betreiben.

Die Euphorie über das Gesellschaftsmodell des Westens, das sich nach dem Fall der Berliner Mauer breitgemacht hatte, ist verflogen. Die Schwellenländer suchen ihr Heil nicht mehr im Neoliberalismus. Das chinesische Wirtschaftswunder ist ihnen nicht entgangen.

Trotzdem wird China die USA wohl nicht so rasch als führende Weltmacht ablösen. Noch ist unklar, ob das Land nicht in die «middle income trap» fallen wird. Damit bezeichnet man den Zustand einer Volkswirtschaft, die nach einem rasanten Aufschwung den Übergang zu einem nachhaltigen Wohlstand nicht schafft. Für China wäre dies verheerend, denn bereits heute schrumpft die Bevölkerung. Die Chinesen werden alt, bevor sie reich werden.

Dem neuen chinesischen Selbstbewusstsein steht eine teilweise hysterische China-Angst in den USA gegenüber. Das zeigt die Reaktion auf den Abschuss eines Ballons, bei dem darüber gestritten wird, ob er der Spionage oder der Meteorologie gedient hat. Oder der Aufregung ob des bevorstehenden Besuches von Tsai Ing-wen, der Präsidentin Taiwans, bei Kevin McCarthy, dem Speaker des Abgeordnetenhauses.

Die Forderung Chinas nach einer multilateralen Weltordnung ist grundsätzlich berechtigt. Es lässt sich heute nicht mehr rechtfertigen, dass rund zwei Milliarden Menschen rund sechs Milliarden Menschen ihren Willen aufzwingen. Ob das chinesische Modell jedoch die Alternative sein wird, ist mehr als fraglich. China ist, wie der «Economist» es kürzlich formuliert hat, eine «Supermacht, die Einfluss erheischt, ohne Zuneigung zu gewinnen; die Macht will, ohne eine Vision zu haben, und welche die universellen Menschenrechte leugnet. Wer glaubt, dass dies die Welt zu einem besseren Ort machen wird, sollte nochmals über die Bücher gehen».

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286 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Snowy
30.03.2023 14:39registriert April 2016
Immerhin hat sich das mit der wirtschaftlichen Zusammenarbeit nun definitiv geklärt.

China, Russland und SA sind uns feindlich gesinnte Staaten.
Entsprechend sollten wir uns auch verhalten. Auch wenn dies gewisse Produkte etwas verteuert.

Chinesische Mobiles und Autos sind ein absolutes No Go.

P.S.: Einmal mehr lag Ueli Maurer kolossal daneben. Der Mann ist eine einzige Katastrophe.
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Tokyo
30.03.2023 14:28registriert Juni 2021
China führt schon lange Krieg. Mit seinen illegalen Inselaufschüttungen im südchinesischen Meer
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Luka
30.03.2023 14:46registriert Januar 2023
Schlussendlich hat der Westen, China gross gemacht, natürlich nicht uneigennützig. Das Problem ist nun einfach dass deren Wertesystem so gar nicht mit Unserem zusammenpasst und sie so zwangsläufig, mit dem Aufstreben nach Macht, sie mit dem Westen in Klinsch kommen. Das einzige Positive ist, dass der Westen China braucht und umgekehrt, somit ist ein gewisser Frieden garantiert, aber China wird halt nicht aufhören immer mehr Weltmachtansprüche zu haben. Europa soll lieber in günstigen europäischen Ländern Fabriken bauen, kürzere Transportwege und weniger China - Abhängigkeit.
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