Im Nahost-Konflikt beginnt eine neue Phase – darum ist sie so gefährlich
Was für eine Blamage für den Iran. Mit 300 Drohnen und Raketen wollten die Mullahs aus Teheran die israelische Luftverteidigung überwältigen. Doch sie scheiterten kläglich. Fast alle Geschosse wurden abgefangen. Israels Flugabwehr hat bewiesen, dass sie mit einem gross angelegten Angriff fertig wird.
Für Israel brachte die Drohnennacht vom Wochenende sogar noch eine weitere gute Nachricht. Zuletzt musste Israels Regierung mehrfach mahnende Worte der engsten Verbündeten für ihr Vorgehen in Gaza über sich ergehen lassen. In den USA wurden sogar die Waffenlieferungen an Jerusalem in Frage gestellt. Die Attacke der Iraner führte nun dazu, dass sich die Reihen augenblicklich schlossen. Die Amerikaner versicherten «eisernen» Rückhalt. Und selbst die arabische Staaten Jordanien und Saudi-Arabien beteiligten sich am Abfangen der iranischen Raketen. Israel weiss jetzt: Wenn es hart auf hart kommt, ist auf die Verbündeten Verlass.
Die grosse Frage ist nun, wie Jerusalem auf diesen beispiellosen Angriff reagiert. Denn klar ist: Das Gerede, dies sei ein «Vergeltungsschlag» des Iran gewesen, ist Unsinn. Der israelische Angriff auf das iranische Botschaftsgelände in Damaskus vor zwei Wochen, für den sich die Iraner nun angeblich rächen wollten, galt der eigenen Sicherheit. Die dabei gezielt getöteten iranischen Generäle waren verantwortlich für die Koordinierung der täglichen Angriffe iranischer Handlanger, von Hisbollah bis Hamas, auf Israel. Um diese zu unterbinden, bleibt Israel gar nichts anderes übrig, als die Drahtzieher auszuschalten.
Israel hätte nun jedes Recht, den Angriff aus dem Iran mit einem Gegenschlag zu beantworten. In Benjamin Netanyahus Kriegskabinett wird genau darüber gestritten. Die Argumente für einen harten Gegenschlag liegen auf der Hand: Einen Angriff auf das eigene Staatsgebiet unbeantwortet zu lassen, käme einer Einladung fürs nächste Mal gleich. Sollte der Iran gemeinsam mit seinen Verbündeten im Libanon und im Jemen koordinierte, mehrwellige Attacken starten, ist offen, ob die israelische Flugabwehr diese dann genauso gut parieren könnte.
Ein harter Gegenschlag birgt freilich ebenfalls ein grosses Risiko. Zwar insistiert US-Präsident Joe Biden, Israel solle es nun auf sich beruhen lassen und Amerika würde bei einer Vergeltungsaktion nicht mitmachen. Verteidigen würden die Amerikaner Israel bei Irans erwartbarer Vergeltung für die Vergeltung freilich schon. Stellen sich dann Russland und etwa Nordkorea hinter den Iran, dann ist sie da, die gefürchtete grosse Eskalation.
Auch wenn er kaum physische Schäden angerichtet hat: Mit dem direkten Angriff des Iran auf Israel tritt der Konflikt im Nahen Osten in eine neue, äusserst gefährliche Phase ein. Den nächsten Schritt bestimmt das Kriegskabinett um Netanyahu. (aargauerzeitung.ch)
