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Für Donald Trump gilt: Das Weisse Haus – oder das Gefängnis

Donald Trump: Auf dem Weg ins weisse Haus oder ins Gefängnis.
Bild: watson/gettyimages/shutterstock
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Für Donald Trump gilt: Das Weisse Haus – oder das Gefängnis

Dem Ex-Präsidenten droht bereits die dritte Anklage. Will er einen Aufenthalt im Knast vermeiden, muss er die Wahlen gewinnen.
19.07.2023, 14:1519.07.2023, 14:48

Sonderermittler Jack Smith hat Donald Trump einen sogenannten «Target Letter» zukommen lassen. Das bedeutet, dass der Ex-Präsident das Ziel der Untersuchungen rund um die Ereignisse vom 6. Januar 2021 geworden ist und dass ihm eine letzte Möglichkeit geboten wird, sich vor der Grand Jury nochmals zu verteidigen. Trump wird dieses Angebot mit Sicherheit ausschlagen.

Ein solcher Target Letter ist selbst im Normalfall ein Vorbote einer Anklage. In diesem Fall ist er dies mit 99,9-prozentiger Wahrscheinlichkeit, denn Smith wusste, dass sich Trump sogleich an die Öffentlichkeit wenden würde. Der Sonderermittler will mit dieser Massnahme einzig sicherstellen, dass man ihn keiner, aber wirklich keiner Unterlassung beschuldigen kann.

FILE - Special counsel Jack Smith speaks to reporters Friday, June 9, 2023, in Washington. The judge presiding over the federal prosecution of former President Donald Trump takes the bench in the case ...
Wird Donald Trump zum zweiten Mal anklagen: Sonderermittler Jack Smith.Bild: keystone

Die Anklage wird daher wohl in den nächsten Tagen erfolgen, und sie wird sich mit Trumps Rolle vor, während und nach dem Sturm auf das Kapitol befassen. Obwohl die Details noch nicht bekannt sind, wird es inhaltlich gesehen die schwerwiegendste Anklage sein, ja es droht gar der Vorwurf, Trump habe eine Verschwörung zum Umsturz der Regierung angezettelt.

Mit seiner Anklageschrift im Fall der geheimen Dokumente, die der Ex-Präsident illegal in seiner Residenz Mar-a-Lago aufbewahrt und schlecht geschützt hatte, hat Jack Smith seine Fähigkeiten als Ankläger bereits eindrücklich unter Beweis gestellt. So hat selbst William Barr, Trumps ehemaliger Justizminister, eingeräumt, dass, sollte bloss die Hälfte der Anklagepunkte zutreffen, sein ehemaliger Boss «toast», will heissen erledigt, sei.

Bei der Anklage in Florida kann Trump noch bis zu einem gewissen Grad auf Aileen Cannon, eine von ihm eingesetzte Richterin, hoffen. Diese hat bereits bei der Untersuchung der Geheimdokumente eine mehr als fragwürdige Rolle gespielt. Seine Anwälte haben denn auch bereits eine Motion eingereicht, wonach der Prozess erst nach den Wahlen im November 2024 stattfinden soll. Richterin Cannon hat noch nicht entschieden, ob sie diesem Ansinnen nachgeben wird. Trumps Chancen stehen jedoch eher schlecht.

In this image from video provided by the U.S. Senate, Aileen M. Cannon speaks remotely during a Senate Judiciary Committee oversight nomination hearing to be U.S. District Court for the Southern Distr ...
Richterin von Trumps Gnaden: Aileen Cannon.Bild: keystone

Wie auch immer Richterin Cannon entscheiden wird: Die Anklage wegen Trumps Rolle beim Sturm auf das Kapitol wird von einem Gericht in Washington D.C. verhandelt werden. Dort herrschen ganz andere Verhältnisse. Die amerikanische Hauptstadt ist eine Hochburg der Demokraten. Der Ex-Präsident kann daher weder auf eine milde Richterin noch auf ihm wohlgesinnte Geschworene zählen. Sollte die Anklageschrift des Sonderermittlers auch in diesem Fall nur annähernd die gleiche Qualität wie diejenige in Florida aufweisen, dann sieht es für Trump juristisch gesehen zappenduster aus.

Trump hat panische Angst davor, ins Gefängnis wandern zu müssen. Das berichten Menschen aus seiner Umgebung übereinstimmend. Diese Angst ist berechtigt, denn inzwischen muss sich der Ex-Präsident bereits in drei Anklagen verteidigen. Eine vierte droht im August im Bundesstaat Georgia, wo Trump versucht hat, die Wahlen zu manipulieren.

Wie erwähnt hat der Ex-Präsident juristisch miserable Karten. Deshalb sucht er sein Heil in der Politik. Das bedeutet konkret, dass seine Anwälte nichts unversucht lassen, um den Beginn der verschiedenen Prozesse bis nach den Präsidentschaftswahlen 2024 hinauszuschieben. Dann, so das Kalkül, wird Trump triumphieren und sämtliche Verfahren gegen ihn sofort einstellen lassen.

Um dieser Strategie zum Durchbruch zu verhelfen, gibt Trump derzeit ein Interview nach dem andern, vorzugsweise auf Fox News. Weil Ron DeSantis, sein wichtigster Rivale bei den Republikanern, sich in einem Formtief befindet und ihn viele schon abgeschrieben haben, entdeckt der Murdoch-Sender seine zeitweise erloschene Liebe zu Trump wieder und räumt ihm sehr viel Sendezeit ein.

Wer mag, kann sich das Hannity-Interview mit Trump in voller Länge reinziehen. Video: YouTube/Alert Up N

Der Ex-Präsident packt die Gelegenheit beim Schopf. Ob bei Sean Hannity oder bei Maria Bartiromo – beharrlich inszeniert sich Trump als Opfer einer Verschwörung der Biden-Familie, der Demokraten oder des Deep State. Ebenso beharrlich schwört Trump Rache und Vergeltung. «Wir werden den Deep State zerstören», erklärt er.«Wir werden die Kriegshetzer aus der Regierung vertreiben. Wir werden die Globalisten verjagen. Wir werden die Kommunisten, die Marxisten und die Faschisten zerschlagen. Und wir werden die Last der kranken politischen Klasse, die unser Land hasst, abwerfen.»

Diese Drohungen gilt es ernst zu nehmen. Gleich zwei der weltweit bedeutendsten Medien, die «New York Times» und der «Economist», haben kürzlich die Pläne enthüllt, die eine wiedergewählte Trump-Regierung umsetzen will. Kurz zusammengefasst lauten sie wie folgt: Die amerikanische Demokratie soll umgewandelt werden in einen autoritären Staat im Sinne von Viktor Orbans Ungarn.

Nach seinem Wahlsieg im Jahr 2016 war Trump selbst überrumpelt und schlecht vorbereitet. Er kannte Washington nicht, ja er prahlte gar damit, noch nie in der Hauptstadt übernachtet zu haben. Sein erstes Kabinett war daher ein wild zusammengewürfelter Haufen, seine Politik chaotisch.

Sollte Trump 2024 tatsächlich siegen, wäre es ganz anders. «Ein professioneller Stab, bestehend aus America-First-Populisten, widmet sich der Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Ära Trump Zwei diszipliniert und fokussiert werden wird und auch Dinge umsetzen will. Sie machen den Weg frei, und wir sollten sie nicht unterschätzen», warnt der «Economist».

epa10739235 Hungary?s Prime Minister Viktor Orban attends the meeting of the North Atlantic Council with Sweden at the NATO summit in Vilnius, Lithuania, 11 July 2023. The North Atlantic Treaty Organi ...
Vorbild für die amerikanischen Konservativen: Viktor Orban, Premierminister von Ungarn. Bild: keystone

Anders als 2016 hat Trump diesmal professionelle Unterstützung. Da gibt es einmal das America First Policiy Institute, eine Denkfabrik mit 172 Mitarbeitern, darunter mehrere ehemalige Mitglieder des Kabinetts von Trump. Sie entwerfen Strategien und Pläne, wie sie die Macht des Präsidenten stärken und ihm feindlich gesinnte Beamte entlassen können. Unterstützt werden sie dabei von der Heritage Foundation, dem wohl einflussreichsten konservativen Thinktank in Washington.

Aus ihren Absichten machen die Trump-Jünger kein Geheimnis. Es soll ein Gesetz erlassen werden, das es möglich macht, dass alle Beamten entlassen werden, die sich nicht bedingungslos hinter den Präsidenten stellen. Rund 50’000 Personen wären davon betroffen. John McEntee, ein junger Scharfmacher, der schon in den letzten Monaten der ersten Trump-Ära zweifelhafte Loyalitäts-Tests durchgeführt hat, erklärt unmissverständlich: «Unsere Verwaltung ist von Liberalen in der Absicht konzipiert worden, eine liberale Politik umzusetzen. Es ist vollkommen unmöglich, mit den aktuell bestehenden Strukturen einer konservativen Politik zum Durchbruch zu verhelfen. Wir müssen mehr als die richtigen Personen an die richtige Stelle setzen. Wir müssen das ganze System überarbeiten.»

Steve Bannon speaks at the Conservative Political Action Conference, CPAC 2023, Friday, March 3, 2023, at National Harbor in Oxon Hill, Md. (AP Photo/Alex Brandon)
Steve Bannon
Träumt von einer zweiten Amtszeit von Trump: Steve Bannon.Bild: keystone

Konkret heisst dies, dass bei einer Wiederwahl Trumps reihenweise Beamte gefeuert und massiv Expertenwissen zerstört würde. Und zwar sofort. Steve Bannon, der dies zu Beginn der ersten Trump-Ära erfolglos versucht hatte, will diesmal am ersten Tag mit mindestens 4000 Getreuen in Washington einfahren.

Inhaltlich gibt es bei Trumps Plänen wenig Überraschendes: Das Justizministerium muss seine Unabhängigkeit aufgeben und direkt die Wünsche des Präsidenten umsetzen. Das FBI und die CIA werden «gesäubert». Der Green New Deal wird rückgängig gemacht, Öl und Gas erleben ein Comeback. Ein Austritt aus der NATO wird wieder zu einem Thema, und selbst die Unabhängigkeit der Notenbank würde infrage gestellt werden. Dass auch die Medien stärker an die Leine genommen würden, versteht sich von selbst.

Für Donald Trump wird es in den kommenden Monaten darum gehen, mit einem erneuten Einzug ins Weisse Haus zu verhindern, dass er seinen Lebensabend in einer Gefängniszelle verbringen muss. Für die freie Welt geht es darum, alles daranzusetzen, dass die bedeutendste Demokratie nicht unwiderruflichen Schaden erleidet. Nicht nur Viktor Orban lässt grüssen, sondern auch Benito Mussolini.

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77 Kommentare
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banda69
19.07.2023 14:32registriert Januar 2020
"Die amerikanische Demokratie soll umgewandelt werden in einen autoritären Staat im Sinne von Viktor Orbans Ungarn."

Davon träumen auch die Schweizer Rechtspopulisten. Angeführt vom subventionierten Kleinverleger und Trump Groupie Roger Köppel (SVP. What else.).
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Der Micha
19.07.2023 14:28registriert Februar 2021
Man könnte meinen die Menschheit würde aus der Vergangenheit lernen. Deutschland hat es vor gemacht, was passieren kann, wenn ein demokratisch, gewählter Politiker irgendwelche Sondervollmachten bekommt.
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DARTH OLAF
19.07.2023 15:18registriert August 2018
Trumps Lieblingssport ist Golf, da man dies auch in Handschellen spielen kann 😅
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