Okay, das ist eine steile These – und sie ist auch nicht auf meinem Mist gewachsen. Shadi Hamid, Kolumnist in der «Washington Post», hat sie aufgestellt – und ich klaue sie schamlos. Bevor ihr mir jetzt den Psychiater vorbeischickt, lasst uns die These zunächst mal überprüfen.
Shadi stützt seine These auf einen «vibe shift», einen Stimmungswandel. Dabei bezieht er sich auf den Polit-Journalisten John Ganz, der darunter Folgendes versteht: «Eine Stimmung, etwas, das gefühlt wird, aber noch nicht vollständig artikuliert ist».
Einen solchen «vibe shift» hatte bisher noch niemand auf der Rechnung, schliesslich hatte Trump ideale Voraussetzung, um erfolgreich in seine zweite Amtszeit zu starten: Die Wirtschaft war in bester Verfassung, die Demokraten am Boden zerstört. Auch der Trend war Trumps Freund. «Woke» und «DEI» waren zu verhassten Schimpfworten geworden, eine Entschlackung der Regierung allerseits erwünscht und von Amerikas Rolle als «unverzichtbare Nation», wie es einst die verstorbene Aussenministerin Madeleine Albright formuliert hatte, wollte niemand mehr etwas wissen.
Was also konnte da schiefgehen? Vieles, wie sich nach nur zwei Monaten Trump jetzt zeigt. Trumps Rolle als «Robin Hood des kleinen Mannes» wird immer unglaubwürdiger. «Sein Arbeiterklasse-Image, das er sich während des Wahlkampfs zugelegt hat, wurde ersetzt durch ein unterwürfiges Verhalten gegenüber Milliardären, die keinerlei Verständnis für die Sorgen der normalen Amerikaner haben», stellt Hamid fest.
Zudem wird der «vibe shift» täglich von Fakten unterfüttert. Hier sind ein paar davon:
Die Affäre um die geleakten Kriegspläne auf dem Messenger-Dienst Signal – eine private, mit WhatsApp vergleichbare App – ist mehr als peinlich. Er bestätigt die Befürchtung, dass Trump zwar loyale, aber auch absolut unfähige Personen an entscheidende Stellen der nationalen Sicherheit gehievt hat.
Allen voran ist da Pete Hegseth zu nennen, den neuen Verteidigungsminister. Es zeigt sich, dass er in keiner Weise den Herausforderungen dieses anspruchsvollen Amtes gewachsen ist. Wie sollte er auch? In seinem früheren Leben war er Moderator bei Fox News, und dort durfte er nur am Wochenende ran.
Auch andere in den Skandal involvierte Personen sehen sehr alt aus, etwa der nationale Sicherheitsberater Michael Waltz und Tulsi Gabbard, die Chefin aller Geheimdienste.
Fast noch peinlicher als die Affäre ist die Art und Weise, wie das Weisse Haus versucht, sie kleinzureden. Obwohl ein Blinder mit dem Stock erkennen kann, dass elementare Sicherheitsregeln verletzt worden sind, und obwohl man in weit harmloseren Fällen, in denen Demokraten involviert waren – Hillary Clintons E-Mails beispielsweise – Zeter und Mordio geschrien hat, will man jetzt nicht den kleinsten Fehler zugeben.
Das kommt mittlerweile selbst bei der MAGA-Meute schlecht an. Dave Portnoy, der Gründer von Barstool Sports, einer Trump-affinen Brotherhood, erklärt in einem Rant in den sozialen Medien: «Das geht so nicht. In der neuen Regierung muss man Verantwortung übernehmen. Jemand muss den Hut nehmen.»
Die Absicht, die Regierung effizienter zu machen und die Bürokratie zu entschlacken, stösst grundsätzlich auf Sympathie. Die Art und Weise, wie dies Elon Musk und sein DOGE-Team umsetzen, weniger. Der reichste Mann ist im Begriff, zum meist gehassten Mann der USA und zu einer Belastung der Trump-Regierung zu werden.
Paradoxerweise sind es vor allem die Trump-Wähler, die DOGE zu spüren bekommen. Sie sind auf die Unterstützung von Medicaid, Medicare und Social Security speziell angewiesen und leiden, wenn deren Leistungen gekürzt und der Zugang zu ihnen erschwert wird. Oder wenn jetzt eine Privatisierung der Post in Betracht gezogen wird, dann bestraft man in erster Linie die Menschen in den abgeschiedenen Gegenden, die darauf angewiesen sind. Gerade auf dem Land ist der Anteil der Trump-Wähler besonders hoch.
Vor allem hat Musk bisher noch nicht bewiesen, dass er auch nur annähernd sinnvolle Arbeit leistet. «Indem es eine Verwaltung nach der anderen angreift, weckt das DOGE-Team Animositäten», stellt der «Economist» fest. «Es verstösst gegen Gesetze und zerstört schadenfreudig Karrieren. Und es stellt falsche Behauptungen über angebliche Verschwendung und krallt sich persönliche Daten, die gesetzlich geschützt sind.»
Der Weg ins Nirvana führt bei Trump bekanntlich über Zölle. Auch damit bestraft er zunächst mal die eigene Bevölkerung, denn ein Grossteil dieser Zölle wird auf den Preis der importieren Produkte geschlagen und so von den Konsumenten berappt.
Besonders deutlich wird dies im Fall der Automobile. Mit Beginn am 3. April sollen alle in die USA importieren Autos mit einem Strafzoll von zusätzlich 25 Prozent belegt werden. Experten rechnen damit, dass – wenn die Vorräte einmal erschöpft sind – die Preise für Neuwagen um Tausende von Dollar steigen werden.
Gerade die günstigen Modelle werden zu einem grossen Teil aus Mexiko eingeführt und fallen daher auch unter das neue Zoll-Regime. Selbst beim erzkonservativen Thinktank Cato wird daher Kritik laut. Der Zollexperte Clark Packard erklärt gegenüber dem «Wall Street Journal»: «Trump steht offensichtlich auf Zölle, aber die Amerikaner hassen höhere Preise, wie sie in den Wahlen 2024 demonstriert haben.»
Inzwischen scheint man auch im Weissen Haus realisiert zu haben, dass höhere Preise auf Importwaren auf überschaubare Gegenliebe stossen. Deshalb droht Trump jetzt den Autokonzernen: Erhöht ja nicht wegen der neuen Zölle die Preise.
Teilweise lässt sich der «vibe shift» bereits in konkreten Zahlen fassen. Trumps Beliebtheitswerte sind wieder unter Wasser, will heissen, unter 50 Prozent. Tendenz weiter fallend. Gleichzeitig verlieren die Republikaner bisher sicher geglaubte Wahlen. So hat im Bundesstaat Pennsylvania bei einer Nachwahl in den örtlichen Senat ein Demokrat gewonnen, und das in einem Distrikt, in dem Trump noch im November 30 Prozent vor Joe Biden lag.
Weil Matt Gaetz zurückgetreten und Michael Waltz nationaler Sicherheitsberater wurde, stehen in Florida gleich zwei Nachwahlen für das Abgeordnetenhaus bevor. Das sollte eigentlich eine sichere Sache für die Republikaner werden, gelten doch beide der betroffenen Bezirke als tiefrot. Doch in den Umfragen zeigt sich nun, dass zumindest in einem der beiden Fälle der demokratische Herausforderer in den Umfragen auf Augenhöhe mit dem Vertreter der Grand Old Party liegt.
Trump hat jetzt die Notbremse gezogen und verfügt, dass Elise Stefanik nicht UN-Botschafterin werden darf, sondern weiterhin ihr Mandat als Abgeordnete des Bundesstaates New York wahrnehmen muss. «Wegen der sehr engen Mehrheitsverhältnisse will ich nicht das Risiko eingehen, dass jemand um den Sitz von Elise kämpfen muss», teilte Trump auf Truth Social mit.
Ob die Anti-Trump-Stimmung sich weiter ausbreitet, wird sich zeigen müssen. Bereits jetzt ist klar, dass der Präsident die Lage falsch eingeschätzt und damit eine historische Chance vergeben hat. «Hätte Trump auch nur eine Spur von Grösse im Triumph gezeigt», so Shadi Hamid, «hätte er eine republikanische Mehrheit für eine voraussehbare Zukunft sichern können.»
An objektiven Massstäben gemessen ist Trumps zweite Amtszeit eine einzige Katastrophe. Er demontiert die Demokratie, er demontiert die Wirtschaft, er demontiert den Staat, er besetzt wichtigste Posten mit Stiefelleckern und totalem Amateuren, er fördert Korruption, er fällt Bündnispartnern in den Rücken, er droht Verbündeten mit Invasion etc. etc. Schlimmer geht es eigentlich gar nicht.
Fehlt da nicht ein nicht?