International
Analyse

Jetzt muss Ron DeSantis auf den Sonderermittler hoffen

Bild
Analyse

Jetzt muss Ron DeSantis auf den Sonderermittler hoffen

Der Möchtegern-Präsident aus Florida hat seinen Wahlauftakt vermasselt – und zwar so was von!
25.05.2023, 13:4225.05.2023, 14:45
Mehr «International»

Noch vor einem Jahrzehnt war Florida ein sogenannter «purple» (lila) Bundesstaat, will heissen: Einmal gewannen die Demokraten, dann wieder die Republikaner. Barack Obama obsiegte im Sunshine State gleich zweimal, Joe Biden hegte berechtigte Hoffnung, es ihm gleichzutun. Daraus wurde nichts. Donald Trump gewann in Florida deutlich, und sein Zögling, der Gouverneur Ron DeSantis, erzielte bei den Gouverneurs-Wahlen letztes Jahr mit 19 Prozentpunkten Vorsprung gar einen Erdrutsch-Sieg. Florida schien endgültig zu einem «roten» Bundesstaat geworden zu sein, zu einer Bastion der Republikaner.

Florida als konservatives Vorbild

DeSantis und die Grand Old Party (GOP) haben jedoch weit höher fliegende Pläne. Florida soll zu einem konservativen Musterstaat, zu einer Blaupause für die gesamten USA umgemodelt werden. Bevor der Gouverneur seine Kandidatur für das Weisse Haus offiziell machte, peitschte er deshalb eine ganze Reihe von Gesetzen durch das von den Republikanern dominierte Parlament: Die Abtreibung soll künftig nur noch in den ersten sechs Wochen der Schwangerschaft erlaubt sein, was de facto einem Verbot gleichkommt. Das Waffengesetz erlaubt auch das Tragen von verdeckten Waffen. Lehrer dürfen in der Schule die Genderfrage nicht mehr thematisieren. Linke Hochschulen werden in konservative Universitäten umgepolt.

DeSantis profiliert sich so als Kämpfer im Kulturkrieg. «Florida ist der Bundesstaat, in dem Woke zum Sterben verurteilt ist», pflegt er zu prahlen. Er scheut auch nicht davor zurück, sich als Kämpfer für den kleinen Mann zu geben und sich mit Big Business, sprich Disney Corp., anzulegen. Kurz: DeSantis war nicht nur der gelehrigste Schüler von Trump, er schien bis vor kurzem auch sein idealer Nachfolger zu sein.

So weit der Plan. Doch wie sagte doch Box-Champion Mike Tyson einst vor einem wichtigen Fight so treffend: «Jeder hat einen Plan – bis er eins aufs Maul kriegt.» Und DeSantis hat am Mittwoch aufs Maul gekriegt, dass es krachte. Sein offizieller Wahlkampfauftakt mit Twitter und Elon Musk war ein vollkommenes Desaster. Selbst der ihm sonst so wohlgesinnte TV-Sender Fox News machte sich darüber lustig und zeigte sich offen schadenfreudig.

Tatsächlich erinnert der Twitter-Auftritt von DeSantis und Elon Musk schmerzhaft an die Zeit der Zoom-Meetings, in denen die Teilnehmer oft viel Zeit vor eingefrorenen Bildschirmen vertrödelten. Schlimmer als die technischen Pannen ist jedoch die Tatsache, dass auch die Defizite des Plans von DeSantis schonungslos aufgedeckt wurden. Für viele Polit-Auguren ist der Gouverneur aus Florida damit bereits «toast», wie sich die Amerikaner ausdrücken, will heissen: erledigt.

Macht ein «Trump mit Gehirn» überhaupt Sinn?

Das dürfte ein bisschen verfrüht sein. Bis zum November 2024 kann noch sehr viel passieren, und in der Politik hat die Boxerweisheit – «they never come back» – nur bedingt Gültigkeit. Das hat zuletzt etwa Joe Biden bei den letzten Primärwahlen bewiesen. Ihn hatte man nach den Niederlagen in Iowa und New Hampshire ebenfalls abgeschrieben, bis er in South Carolina ein triumphales Comeback feierte.

Will DeSantis sich jedoch noch Chancen auf das Weisse Haus ausrechnen, muss er gründlich über die Bücher und seinen Plan revidieren. Er muss sich fragen: Macht es wirklich Sinn, den «Trump mit Gehirn» zu geben? Erstens bevorzugen die meisten Wähler das Original, und zweitens macht gerade die Tatsache, dass Trump kein Gehirn hat, ihn für seine Basis so attraktiv. Mit ihm können sie sich identifizieren, er unterhält sie und bringt Action in ihren langweiligen Alltag.

Der roboterhafte DeSantis hingegen mag zwar intelligenter und fleissiger sein, doch er verfügt über null Charisma und man spürt geradezu physisch, dass er Menschen eigentlich nicht mag. Er ist zwar mit 44 Jahren deutlich jünger als der 76-jährige Trump, doch irgendwie wirkt er älter. Sein «Ich-bin-ein-vorbildlicher-Familenvater»-Gehabe, seine Religiosität – ob gespielt oder echt –, das alles ist so was von retro, von Sechziger-, ja Fünfzigerjahre. Dazu kommt, wie es Charles Blow in der «New York Times» formuliert: «Trumpismus ohne Trump ist wie der Versuch, das Christentum ohne Christus zu verkünden.»

FILE - Bob Iger arrives at the Oscars on March 12, 2023, at the Dolby Theatre in Los Angeles. Disney CEO Iger on Monday, April 3, called efforts by Florida Gov. Ron DeSantis and the Republican-control ...
Fordert Ron DeSantis zum Duell heraus: Disney-CEO Bob Iger.Bild: keystone

Mit seinem Kulturkampf gegen Micky Maus hat er sich zudem selbst in eine Ecke gemalt. Disney ist alles andere als eine Woke-Company und CEO Bob Iger leidet nicht wirklich unter einem Minderwertigkeitskomplex. Im Stile von Clint Eastwood – «Make my day» – fordert er DeSantis offen heraus. Bisher hat Iger in diesem Duell die Oberhand behalten. Er hat ein Milliardenprojekt in Florida kurzerhand abgesagt, und nun muss DeSantis seinen Wählern erklären, weshalb er nicht nur den grössten Arbeitgeber in seinem Bundesstaat vergrault, sondern auch auf 2000 Jobs verzichtet.

Nach den für die Republikaner so enttäuschend ausgefallenen Zwischenwahlen fiel Trump in ein Formtief. Verschiedene Umfragen sahen DeSantis gegenüber dem Ex-Präsidenten im Vorsprung. Das hat sich gründlich verändert. Bei den aktuellen Umfragen hat Trump mit mehr als 30 Prozentpunkten wieder die Nase vorn. Was kann der Gouverneur aus Florida dagegen tun?

Er könnte beispielsweise Trump endlich frontal angreifen. Doch dafür fehlt im nicht nur der Mut, es wäre auch politischer Selbstmord. Wer dem Ex-Präsidenten an den Karren fährt, ist bei dessen Basis augenblicklich erledigt und hat damit null Chancen mehr.

CORRECTS BYLINE TO PETER DEJONG, INSTEAD OF ROBIN VAN LONKHUIJSEN - FILE - Prosecutor Jack Smith waits for the start of the court session of Kadri Veseli's initial appearance at the Kosovo Specia ...
Wann wird er Trump anklagen? Sonderermittler Jack Smith.Bild: keystone

DeSantis wird jedoch so schnell nicht das Handtuch werfen (letzte Boxer-Metapher, versprochen). Er hat rund 200 Millionen Dollar für die Primärwahlen auf der Bank und will demnächst 2000 Wahlhelfer auf die Nation loslassen. Gleichzeitig will er anscheinend seinen Plan abändern: Er will neuerdings Trump rechts überholen. Das ist nicht nur brandgefährlich, sondern ebenfalls riskant. Der Ex-Präsident ist selbst so weit nach rechts gedriftet, dass da kaum mehr Raum übrig bleibt.

Die grössten Hoffnungen muss DeSantis wohl auf Jack Smith setzen, den vom Justizminister Merrick Garland eingesetzten Sonderbeauftragten. Dieser ermittelt, ob Trump im Vorfeld des 6. Januars 2021 und in Sachen Geheimdokumente kriminelle Handlungen begangen hat und deswegen angeklagt werden soll.

Derzeit stehen die Zeichen auf Anklage. Trumps Anwälte haben soeben beim Justizminister einen Brief eingereicht, in dem sie um eine Audienz bitten. Das wird als deutliches Zeichen dafür gewertet, dass der Sonderermittler kurz davor steht, Anklage gegen den Ex-Präsidenten zu erheben. Gleichzeitig verdichten sich die Gerüchte, dass Mark Meadows, Trumps ehemaliger Stabschef, die Seiten gewechselt hat und nun gegen seinen ehemaligen Boss aussagen will.

Die juristische Lage für den Ex-Präsidenten hat sich somit in den letzten Tagen derart verschlimmert, dass Ty Cobb, der ehemalige Anwalt des Weissen Hauses, gegenüber CNN erklärt hat: «Er wird in den Knast wandern.» William Barr, Trumps ehemaliger Justizminister, teilt diese Einschätzung.

Nun könnte Trump theoretisch gar aus dem Gefängnis eine Wiederwahl anstreben. Ob die GOP auch dabei noch mitmachen würde, ist fraglich. Sollte es tatsächlich dazu kommen, dann würden die Republikaner Trump möglicherweise fallen lassen und auf den Klon mit Gehirn überwechseln. Die Wahrscheinlichkeit für ein solches Szenario ist derzeit aber noch sehr überschaubar.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Donald Trump vor Gericht in New York
1 / 28
Donald Trump vor Gericht in New York
Bereits in der Nacht herrscht in New York Ausnahmezustand. Der Eingang zum Gericht in Manhattan wird von Polizisten bewacht.
quelle: keystone / john minchillo
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Einmaliger Gebrauch: Ron DeSantis
Video: twitter
Das könnte dich auch noch interessieren:
20 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
m:k:
25.05.2023 14:43registriert Mai 2014
Eigentlich auch beeindruckend und beängstigend wie viel Macht Trump noch immer hat. Das beängstigendste ist, dass es nicht um irgendwelche politischen Ideen geht sondern seine Fans einfach nur fanatisch einer diffusen und absolut widersprüchlichen Idee nachhängen.
462
Melden
Zum Kommentar
avatar
PixelPrinz
25.05.2023 15:23registriert Dezember 2020
"[...] macht gerade die Tatsache, dass Trump kein Gehirn hat, ihn für seine Basis so attraktiv. Mit ihm können sie sich identifizieren [...]"
hihihi - sehr treffsicher.
443
Melden
Zum Kommentar
avatar
TommyGun
25.05.2023 15:21registriert Oktober 2020
Der Analyse ist wenig hinzuzufügen. DeSantis wird vermutlich von Trump zerfleischt werden, während er Trump kaum angreifen darf ohne die MAGA Wähler zu vergraulen. DeSantis scheint auch entweder furchtbar schlecht beraten oder er ist trotz Elite Uni Abschlüssen weitaus dümmer als er immer dargestellt wird. Allein sein Kleinkrieg gegen Disney um Punkte bei den Fundamentalisten zu sammeln. Disney wird von bösen Zungen als Anwaltskanzlei mit angeschlossenem Vergnügungspark bezeichnet, den Kampf dürfte DeSantis kaum gewinnen.
404
Melden
Zum Kommentar
20
Polizei in Georgien setzt Tränengas gegen Demonstranten ein
In Georgien im Südkaukasus ist die Polizei am Dienstagabend mit Gewalt gegen eine Menschenmenge friedlicher Demonstranten vorgegangen.

Die seit Wochen andauernden Proteste richten sich gegen Pläne der Regierung, den angeblichen ausländischen Einfluss auf die Zivilgesellschaft zu unterbinden. Mit Tränengas und Wasserwerfern drängten die Einsatzkräfte die Demonstranten vom Parlament in der Hauptstadt Tiflis ab und räumten die Hauptstrasse Rustaweli-Prospekt.

Zur Story