4 Theorien, wie es mit Bitcoin weitergeht
Bitcoin hat zum Sturzflug angesetzt. Anfang Oktober notierte der Kurs noch bei 126’000 Dollar. Dann begann der grosse Ausverkauf. Letzten Freitag sackte die Mutter aller Kryptowährungen auf 80’600 Dollar und verlor damit im Vergleich zum Höchststand ganze 36 Prozent. Am Wochenende ging die Talfahrt (vorübergehend?) zu Ende. Wie es in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten weitergeht, weiss niemand. Manche tun aber so.
Im Umgang mit Experten gilt die Faustregel: Je dezidierter ein «Experte» auftritt, desto vorsichtiger sollten seine Prognosen interpretiert werden. Und dezidierte «Experten» gibt es in sämtlichen Lagern.
Bitcoin stirbt
Es ist der Running-Gag aller Bitcoin-Theorien, und seit 2009 wiederholte er sich über 400 Mal: die Prognose, dass Bitcoin jetzt stirbt. «The Bitcoin Is Dying. Whatever», schrieb der Wirtschaftsjournalist Adrian Covert für Gizmodo Australien. Das war 2011 und der Kurs lag bei 9.99 Dollar.
Zu den frühen Kritikern gehörte auch der damalige Google-Mitarbeiter Avery Pennarun. Auf sein längeres Essay, weshalb Bitcoin dem Tod geweiht sei, erhielt er eine gesalzene Antwort. Diese publizierte er fairerweise ebenfalls auf seinem Blog. Eine spöttische Einführung konnte er sich aber nicht verkneifen: «Ein anonymer Leser (wirklich, sie haben ihre Absenderadresse anonymisiert) antwortet mit Folgendem. Ich werde es einfach vollständig abdrucken, weil es grossartig ist. Es gibt nichts Schöneres, als einen nicht gewählten Vertreter einer Bewegung sich selbst blamieren zu lassen. Oh Internet, wie ich dich liebe.» Auch Pennaruns Blogeintrag stammt aus dem Jahr 2011. Als er seine Analyse veröffentlichte, wurde ein Bitcoin für 3.87 Dollar gehandelt.
Ins selbe Horn stossen aber auch prominentere Gegner. «Bitcoin hat keinen Wert», verkündete das Orakel von Omaha, Warren Buffett, zum ersten Mal 2017 – und zum letzten Mal 2023. Schützenhilfe erhielt der erfolgreichste Investor der bisherigen Zeiten vom renommierten Ökonomen Peter Schiff: «Bitcoin geht gegen 0», sagte er 2017 und 2022: «Bitcoin wird sich nie mehr erholen.»
Bisher hatten die Totengräber von Bitcoin nie recht. Was noch nicht ist, kann aber noch werden.
Die Halving-Theorie
Fast so beliebt wie die Todesanzeigen sind Prognosen, wie sich der Kurs langfristig verhält. Die wohl populärste ist die Vierjahres-Zyklus-Theorie. Sie besagt, dass Bitcoin einem Rhythmus folgt, der durch das Halving (die Halbierung der Belohnung für das Schürfen eines neuen Blocks in der Blockchain) initiiert wird. Danach folgt eine Phase des Preisanstiegs. Im Durchschnitt erreicht der Preis nach 480 Tagen sein Höchstniveau. Nachher geht es mit Aufs und Abs für 380 Tage nach unten.
Seit dem letzten Halving sind 583 Tage vergangen. So spät kam es noch nie zu einem neuen Höchststand. Entsprechend glauben Vertreter dieser Theorie, dass sich Bitcoin nun in einem Bärenmarkt befindet und dass der Preis in den nächsten Monaten bis in die Region von 50’000–60'000 Dollar fallen könnte.
Die M2-Geldtheorie
Die Halving-Theorie hielt sich jahrelang als meist akzeptierte Theorie im Bitcoin-Universum. Doch ihre Kritiker haben in den letzten Jahren zugenommen und oft berufen sie sich auf die M2-Geldtheorie. Der Preis für Bitcoin folge nicht dem Halving-Zyklus, sondern der Geldmenge, welche von den Nationalbanken gedruckt werde (M2-Geld).
Der aktuelle Absturz sei eine Folge der Erwartung, dass die amerikanische Zentralbank die Zinsen im Dezember (wegen der Inflation) nicht senken werde. Das bedeutet kein neues billiges Geld, das den Kurs weiter nach oben treiben könnte.
Ablösung vom 4-Jahres-Zyklus – Wiederholung des Gold-ETF-Patterns
Seit der Erfindung von Bitcoin hat sich das Nerd-Projekt zu einem Vehikel mit einer Marktkapitalisierung von 1,7 Billionen US-Dollar gemausert. Viele (Schweizer) Banken bieten den Kauf nun direkt an – oder über ETFs. Der weltweit grösste Vermögensverwalter Blackrock hat einen Bitcoin-ETF installiert. Das Ding ist salonfähig geworden. Entsprechend, so glauben Anhänger der Gold-ETF-Theorie, orientiert sich der Bitcoin-Kurs auch nicht mehr an alten Mustern. Bitcoin werde nun das Kursmuster von Gold kopieren.
Der rasante Anstieg des Goldpreises kam erst mit der Einführung der ersten Gold-ETFs Mitte der 2000er-Jahre. Auf einen Anstieg bis 2012 folgte eine Abkühlungsphase. Erst ab 2015 (1065 $) zog der Preis wieder an. Heute steht der Goldpreis nach einer Rallye bei über 4000 Dollar. Ähnliches erwarten die Optimisten auch von Bitcoin.
Am Ende wird jemand recht haben – und sich entsprechend abfeiern. Interessanterweise wird die Diskussion über den Preis für Bitcoin indes nicht von den hartgesottenen Fans geführt, sondern von der Peripherie. Für die Eingefleischten gilt: Ein Bitcoin bleibt ein Bitcoin und alle zehn Minuten wird ein Block geschürft.
