Im Zeitalter von Trump wird Ronald Reagan fast schon heiliggesprochen. Verständlich, der «Gipper», wie Reagan auch genannt wurde, war zwar vor allem in wirtschaftspolitischen Fragen erzkonservativ. Anders als der Ex-Präsident war er jedoch ein Mensch, der sich an die Regeln der Demokratie und des Rechtsstaates hielt, meistens jedenfalls.
Bei aller nachträglicher Milde für Reagan wird jedoch auch seine Schattenseite gerne übersehen. Er war es, der das Justizdepartement radikal ausmistete und es in den Dienst seiner konservativen Politik stellte. Vor allem stellte Reagan junge und hungrige Juristen aus dem ganz rechten Lager an, die seine Absichten auch durchsetzten. Zwei davon waren John Roberts und Samuel Alito. Beide sind heute Mitglieder des neunköpfigen Supreme Courts. Roberts gar als Chief Justice.
Mit Glück und der Unterstützung durch Mitch McConnell, den ehemaligen Mehrheitsführer im Senat, ist es Donald Trump gelungen, den Supreme Court in feste Hände der Konservativen zu bringen. Die Republikaner besitzen dort derzeit eine 6:3-Mehrheit. Das hat ihnen erlaubt, «Roe v. Wade», das Urteil, das die Abtreibung national legalisierte, wieder rückgängig zu machen – gegen den ausdrücklichen Willen der Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikaner.
Jetzt hat der Supreme Court erneut ein sehr umstrittenes Urteil gefällt. Er hat ein Urteil des Obersten Gerichts des Bundesstaates South Carolina aufgehoben, das einem Fall von offensichtlichem Gerrymandering den Riegel schieben wollte. Gerrymandering wird die Praxis genannt, Wahlkreise so einzuteilen, dass ein Sieg einer Partei fast sicher ist. Im vorliegenden Fall ging es darum, dass ein Wahlkreis so neu definiert wurde, dass sehr viele Stimmen von Schwarzen – diese wählen mehrheitlich demokratisch – einem ohnehin von den Demokraten beherrschten Wahlkreis zugeteilt wurden und so ein Sieg der Republikaner im alten Wahlkreis gesichert wurde.
Federführend für dieses offensichtlich rassistisch gefärbte Urteil war Samuel Alito. Das Resultat beschreibt der Verfassungsjurist Richard Hasen von der University of California in der «New York Times» wie folgt: «Richter Alito hat einmal mehr eine rechtliche Begründung für etwas gefunden, das es den republikanisch dominierten Bundesstaaten leichter macht, die Wahlkreise so zu definieren, dass es den weissen Republikanern erlaubt, ihre Macht zu maximieren.»
Dass Alito die Begründung für dieses Urteil geliefert hat, ist alles andere als ein Zufall. Der 2006 von George W. Bush in den Supreme Court gehievte Richter ist nicht nur für seine konservative Weltanschauung bekannt, sondern auch dafür, dass er sie schamlos umsetzt.
Alito gilt als Überzeugungstäter. Sein Ziel ist es, die Errungenschaften der progressiven Ära so weit wie möglich wieder rückgängig zu machen. Deshalb kämpft der strenggläubige Katholik nicht nur gegen die Abtreibung. Er will auch die Homo-Ehe wieder verbieten und nach Möglichkeit gar die Verhütungs-Möglichkeiten einschränken. Ebenso möchte er die zivilen Rechte, die den Minderheiten mit dem 1964 in Kraft getretenen Civil Rights Act gewährt worden sind, wieder aushebeln.
Als Überzeugungstäter macht Alito aus seinen Absichten und politischen Vorlieben keinen Hehl. So hat die «New York Times» kürzlich enthüllt, dass er in seinem Garten eine Zeit lang die amerikanische Flagge umgekehrt aufgehängt hatte, ein Symbol aller Anhänger der «Stop-the-Steal»-Bewegung, also derjenigen, die wider alle Fakten überzeugt sind, Trump und nicht Biden habe 2020 die Wahl gewonnen.
Alito bestreitet diesen für einen Richter unverzeihlichen Fehltritt nicht. Er macht jedoch seine Ehefrau Martha-Ann dafür verantwortlich. Sie sei von einem Nachbarn mit einem Anti-Trump-Plakat provoziert worden und habe sich so rächen wollen, erklärte er gegenüber Fox News.
Damit nicht genug, Alito hat mit einem zweiten Flaggen-Skandal nachgelegt. Im Garten seines Ferienhauses in Long Beach Island (Bundesstaat New Jersey) liess er eine Fahne aufziehen, auf der eine grüne Kiefer zu sehen ist. Dieses auf den ersten Blick harmlose Bild – es wurde schon während des Aufstandes gegen die Briten verwendet – ist heute zum Symbol der christlichen Nationalisten geworden, also derjenigen, welche die USA in einen christlichen Gottesstaat verwandeln wollen.
Richter Alito ist nicht nur konservativ, sondern auch korrupt. Er hat grosszügige Geschenke angenommen von Personen, die in Rechtsfälle verwickelt waren, über die er später urteilen musste. Konsequenzen muss er deswegen nicht befürchten. Der Supreme Court ist ein Gremium, das sich selbst reguliert. Es verfügt zwar über ethische Richtlinien, doch es gibt keine Macht, die dafür sorgen kann, dass diese auch eingehalten werden.
Alito ist nicht das einzige konservative und korrupte Mitglied des Supreme Court. Clarence Thomas steht ihm in nichts nach. Dem seit 1991 amtierenden Richter wird ebenfalls vorgeworfen, grosszügige Geschenke angenommen zu haben. Seine Ehefrau Vinnie verkehrt in rechtsextremen Kreisen und hat den Sturm auf das Kapitol begrüsst.
Da sie offensichtlich befangen sind, fordern Kritiker, dass Alito und Thomas in Fällen, in denen es um Trump und den 6. Januar 2021 geht, in den Ausstand treten. Mit zwei solchen Fällen muss sich der Supreme Court demnächst befassen: Er muss entscheiden, ob die Kapitolstürmer wegen Obstruktion angeklagt werden dürfen und ob Trump absolute Immunität für sich beanspruchen kann. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Alito und Thomas dem Aufruf der Kritiker folgen werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Supreme Court nicht gemäss dem Recht, sondern politisch entscheiden wird, ist daher gross.
Dabei spielt das Recht in den USA eine überragende Rolle, ja die Amerikaner sind für unsere Begriffe geradezu besessen davon. Deshalb geniesst – oder besser gesagt genoss – der Supreme Court lange ein sehr hohes Ansehen. Denn – so die Theorie – weil die Mitglieder lebenslang gewählt werden, sollten sie immun gegen Einflüsse der Politik sein. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass gerade die konservativen Richter dieses Privileg schamlos ausnützen.
«Das widerspiegelt nicht nur ihre Parteilichkeit, es reflektiert auch, dass man dieses Gericht nicht zur Rechenschaft ziehen kann», erklärt Nancy Gartner, Juristin an der Harvard Law School, gegenüber der «New York Times». «Die Bedenken der Öffentlichkeit gegenüber dieser Parteilichkeit sind ihnen offensichtlich egal.»
Und dieser Supreme Court entscheidet über "absolute Immunität" für Trump, sogar wenn er durch Seal 6 seinen Rivalen erschiessen würde.
Und die Ölcompanies kaufen Trump.
Ich verstehe echt nicht, wie sich derartige Verlogenheit ertragen lässt. Das wird sicher Folgen haben.
Die Antwort ist ganz einfach: Weil sie wissen, dass sie mit demokratischen und fairen Mitteln niemals mehr eine Potus-Wahl gewinnen werden.
Also pfeiffen sie auf die Demokratie.