Der Bundesrat will die Zusammenarbeit mit dem nordatlantischen Verteidigungsbündnis Nato verstärken. Geprüft werden sollen beispielsweise die Entsendung von Armeeangehörigen für Ausbildungseinsätze zugunsten Dritter oder der Transit von ausländischem Militärpersonal durch die Schweiz für Übungszwecke.
«Unter Wahrung der neutralitätsrechtlichen Grenzen soll hier eine rechtliche Grundlage geschaffen werden», hiess es in einem am Mittwoch vom Bundesrat gutgeheissenen Bericht, den das Parlament in Auftrag gegeben hatte. Der Bundesrat werde gestützt auf die Schlussfolgerungen des Berichts prüfen, ob und - wenn ja - welche Massnahmen weiter vertieft oder umgesetzt werden sollen.
Der Bericht legt dar, wie eine vertiefte, institutionalisierte Kooperation mit der Nato unter Wahrung der Neutralität erreicht werden kann. «Die derzeitigen Beschränkungen hat sich die Schweiz weitgehend selbst auferlegt; es liegt daher an ihr, diese im Rahmen des Neutralitätsrechts aufzugeben oder zumindest anzupassen», schrieb der Bundesrat.
Er hielt im Bericht weiter fest, dass keine Verpflichtungen, Abhängigkeiten oder Sachzwänge eingegangen werden dürften, die mit der Neutralität unvereinbar wären. In Friedenszeiten könnten bestimmte Kooperationen eine Neutralitätsklausel erfordern. «In diesem Fall wäre es Sache der Schweiz, über die Aktivierung einer solchen Klausel zu entscheiden.»
Zur verstärkten Kooperation mit der Nato zählt der Bundesrat beispielsweise Ausbildungsdienste von Milizverbänden auch auf Übungsplätzen im benachbarten Ausland oder in multilateralen Übungen. Ausserdem geprüft werde, einzelne Milizangehörige ausserhalb von herkömmlichen militärischen Friedensförderungsdiensten für Einsätze in multilateralen Stabsstrukturen oder für Ausbildungseinsätze zugunsten Dritter einzusetzen.
Weiter umfassen die Abklärungen die militärische Mobilität, namentlich die rechtliche Regelung für allfällige Transits militärischer Formationen von Partnernationen. Insgesamt solle die Interoperabilität ausgebaut werden. «Diese könnte sich im Extremfall eines militärischen Angriffs als überlebenswichtig erweisen.»
Mit der Interoperabilität soll sichergestellt werden, dass die Armee die gleiche Terminologie nutzt und über militärische Standards anwendet, wie die Nato und insbesondere wie die Nachbarländer. Es sei für die Weiterentwicklung der Interoperabilität zentral, dass die Armee an der Ausarbeitung und Entwicklung gemeinsamer Standards mit der Nato beteiligt sei, schrieb der Bundesrat.
Die Schweiz strebt als neutraler Staat an, sich selbstständig zu verteidigen, so der Bundesrat. Bei einem Angriff sei sie jedoch frei, ihre Verteidigung zusammen mit anderen Staaten zu organisieren. Die Partnerschaft für den Frieden als bisheriger institutioneller Rahmen der Kooperation mit der Nato ermögliche es, die Zusammenarbeit in der Zukunft auch im Verteidigungsbereich zu intensivieren.
Die Kooperation soll laut dem Bundesrat generell stärker als bislang auf Aspekte ausgerichtet werden, die für die Stärkung der Verteidigungsfähigkeiten von Bedeutung sind. Weil Kooperation ein Geben und Nehmen sei und die Bereitschaft der Partner voraussetze, solle die Schweiz substanzielle Beiträge leisten, beispielsweise über die Beteiligung an multinationalen Kompetenzzentren für Streitkräfte und in der militärischen Friedensförderung in Konfliktgebieten.
«In jedem Fall profitiert die Schweiz von einer starken Nato», schrieb der Bundesrat. Die Schweiz sei nicht in der Lage, sich gegen alle potenziellen Bedrohungen alleine zu wappnen. Insbesondere die Verbreitung ballistischer Lenkwaffen stelle eine Bedrohung dar, die die Schweiz nicht im Alleingang bewältigen könne.
Der Bundesrat hatte bereits im Zusatzbericht zum Sicherheitspolitischen Bericht vom September 2022 festgehalten, dass die Sicherheits- und Verteidigungspolitik konsequenter als bisher auf die internationale Zusammenarbeit auszurichten sei, insbesondere mit der Nato, der EU und den Nachbarstaaten. Im neusten Bericht schreibt er nun, es sei «unerlässlich, dass zusätzliche Ressourcen für die Intensivierung der multilateralen Zusammenarbeit bereitgestellt und die entsprechenden Rechtsgrundlagen ausgearbeitet werden».
Der Bundesrat schätzt die Kosten für eine vertiefte Zusammenarbeit auf zwischen 15 und 100 Millionen Franken pro Jahr. Die jährlichen Kosten für die heutige Kooperation belaufen sich im Schnitt auf rund 4 Millionen Franken. (sda)