Im Völkermord-Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof hat Myanmars Regierungschefin Aung San Suu Kyi Vorwürfe gegen ihr Land entschieden zurückgewiesen. Die Beschuldigungen seien «irreführend und unvollständig», betonte die Friedensnobelpreisträgerin am Mittwoch vor dem Uno-Gericht in Den Haag.
Das westafrikanische Gambia hatte Klage eingereicht und Myanmar wegen der Gewalttaten der Militärs gegen die muslimische Rohingya-Minderheit Völkermord vorgeworfen. Aung San Suu Kyi rechtfertigte aber das Vorgehen. Die Armee verteidige nur das Land gegen Angriffe bewaffneter Rebellen.
"How can there be an ongoing genocide… when these concrete steps have been taken?"
— BBC News (World) (@BBCWorld) December 11, 2019
Aung San Suu Kyi says the government is promoting "harmony between all communities", as she defends Myanmar against accusations of genocide against Rohingya Muslimshttps://t.co/OakmZId3qN pic.twitter.com/0IPpF5fl9W
«Wir haben einen internen bewaffneten Konflikt in Myanmar», sagte Aung San Suu Kyi vor den 17 internationalen Richtern im Friedenspalast. Der Konflikt gehe auf bereits seit Jahrzehnten andauernde Spannungen zurück.
Im Herbst 2016 hätten Rohingya-Rebellen im Bundesstaat Rakhine Polizeistationen angegriffen. Daraufhin habe das Militär reagiert. Dabei habe es möglicherweise auch Übergriffe gegeben, räumte sie ein. Die Justiz Myanmars verfolge Schuldige strafrechtlich. Ausserdem sei eine unabhängige Untersuchung eingeleitet worden. «Tragischerweise führte der Konflikt zu einem Exodus von tausenden Menschen.»
Dutzende Demonstranten bekundeten vor dem Gerichtsgebäude ihre Solidarität mit Myanmar und Suu Kyi und jubelten der Politikerin zu. Auf Transparenten stand: «Wir stehen hinter Myanmar.»
Aung San Suu Kyi rejected accusations of genocide committed against Myanmar’s Muslim Rohingya minority as ‘incomplete and misleading,’ and said the case should not be heard by the United Nations’ highest court https://t.co/O9NkLWU6xc pic.twitter.com/SNRw1OKftV
— Reuters (@Reuters) December 11, 2019
Das westafrikanische Gambia beruft sich in der Klage auf die Völkermord-Konvention von 1948 und stützt sich auf einen Bericht von Uno-Ermittlern. Sie hatten dem Militär «anhaltenden Völkermord» zur Last gelegt.
Soldaten hätten Tausende Menschen ermordet, Frauen und Kinder vergewaltigt, Dörfer dem Erdboden gleichgemacht und Menschen lebendig in ihren Häusern verbrannt. Mehr als 700'000 Menschen waren vor der Gewalt in das Nachbarland Bangladesch geflohen.
Nach Auffassung der Juristen von Myanmar aber hat Gambia die «Absicht zum Völkermord» nicht bewiesen. Daher müsse der Gerichtshof diese Klage abweisen. Gambia habe keinerlei Zahlen von Todesopfern genannt. Die Flucht einer grossen Zahl von Menschen sei an sich kein Beweis für Genozid, betonten die Rechtsexperten und verwiesen dabei auch auf Massenfluchten im Krieg im früheren Jugoslawien in den 1990er Jahren.
Das Uno-Gericht berät noch bis Donnerstag über die Klage. Zunächst muss es über die von Gambia beantragten Sofortmassnahmen gegen Myanmar entscheiden, um die noch im Land lebenden rund 600'000 Rohingya zu schützen.
Ein Urteil darüber wird in wenigen Wochen erwartet. Anschliessend wird das Hauptverfahren eingeleitet. Das könnte mehrere Jahre dauern. Bisher hat der Internationale Gerichtshof nur den Massenmord serbischer Einheiten an Muslimen in der bosnischen Enklave Srebrenica 1995 als Völkermord anerkannt. (aeg/sda/dpa)